ZOOLOGISCH
20.11.2020 BaselbietSaumässig
Daniel Zwygart
In meiner letzten Kolumne deutete ich an, dass die wiederum riesigen Fruchterträge bei Eichen und Buchen zur Mast der Wildschweine beitragen könnten. Ich dachte mir aber, dass gerade dank des vielen Futters die ...
Saumässig
Daniel Zwygart
In meiner letzten Kolumne deutete ich an, dass die wiederum riesigen Fruchterträge bei Eichen und Buchen zur Mast der Wildschweine beitragen könnten. Ich dachte mir aber, dass gerade dank des vielen Futters die Wildschweine im Wald bleiben und die Felder in Ruhe lassen würden. Weit gefehlt, wie meine Beobachtungen im Baselbiet ergaben.
So habe ich mich also über die Wildschweine im Baselbiet informiert: Diese waren im Baselbiet bis in die Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts so selten, dass kaum Schäden auftraten: 1970 wurden in der ganzen Schweiz 60 sogenannte Schwarzkittel geschossen. 1997 nennt die Jagdstatistik fürs Baselbiet 253 und 2019/20 rund 1200 Wildschweine. Allerdings gibt es auch Jahre mit weniger Abschüssen. Die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen werden vom Kanton vergütet (sofern die Landwirte die notwendigen Abwehrmassnahmen ergriffen haben). Im letzten Abrechnungsjahr waren dies 256 000 Franken.
Wieso nehmen nun Wildschweine so zu? Meine erste Vermutung, dass der vermehrte Anbau von Mais und Raps dafür verantwortlich sei, war ein Fehlsch(l)uss! Die Statistik sagt, dass seit den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts im Baselbiet in etwa gleich viel Mais und Raps angebaut wird. Zweite Vermutung: Die Jäger haben sie zu stark gefüttert, um sie an den sogenannten Kirrungen abzuschiessen. Auch kaum der Hauptgrund, denn da gibt es kantonale Vorschriften (natürlich gibt es auch unter den Jägern schwarze Schafe). Nein, die folgenden Gründe gelten laut verschiedener Studien als Hauptursachen:
Die Klimaerwärmung führt einerseits zu häufigeren Eichen- und Buchenmastjahren und andererseits zu einer schwächeren Jugendsterblichkeit der Ferkel, denn diese werden hauptsächlich im Winter geworfen. Die bessere Ernährung der Jungtiere bewirkt zudem eine frühere Pubertät (sie sind schon nach wenigen Monaten fruchtbar) und damit zu einem höheren Bestand (plus 200 bis 300 Prozent pro Jahr). Solche Zuwachsraten hat kein anderes Wildtier. Die Jagd kann kaum genügend Tiere erlegen, da Wildschweine sehr anpassungsfähige und intelligente Tiere sind. Für den Abschuss einer einzigen Sau muss ein Jäger durchschnittlich 20 oder mehr Stunden aufwenden. Und der reich gedeckte Tisch lockt die Tiere sogar in die Stadt – in Zürich warten sie im Moment noch am Stadtrand.
Wird die Afrikanische Schweinepest, die vom Mensch nach Osteuropa und von dort neulich nach Belgien verschleppt wurde, den Wildschweinen direkt oder indirekt den Garaus machen? Die deutsche Bauernlobby fordert jetzt schon, dass der Wildschweinbestand präventiv um 70 bis 80 Prozent reduziert werden soll. Aber wie?
Die Immunkastration wird bei der Ebermast schon angewendet, bei Wildtieren ist sie im Moment noch kaum praktikabel und auch umstritten. Und die Impfexperten sind momentan mit anderen Themen beschäftigt.
Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal.