Yannik Steinegger öffnet ein neues Kapitel
13.11.2020 Bubendorf, Weitere Sportarten, SportTennis | Der Bubendörfer verlässt das Leistungszentrum in Biel nach acht Jahren
Nach der Primarschule ist Yannik Steinegger für den Tennissport von Bubendorf nach Biel gezogen. Nach acht Jahren zieht er nun einen Schlussstrich unter dieses Kapitel. Die Zukunft ist offen, ...
Tennis | Der Bubendörfer verlässt das Leistungszentrum in Biel nach acht Jahren
Nach der Primarschule ist Yannik Steinegger für den Tennissport von Bubendorf nach Biel gezogen. Nach acht Jahren zieht er nun einen Schlussstrich unter dieses Kapitel. Die Zukunft ist offen, aber Steinegger setzt weiterhin auf den Sport.
Sebastian Wirz
Herr Steinegger, im neuen Ranking von Swiss Tennis gehören Sie als Nummer 17 zum ersten Mal zu den Top 20. Was bedeutet Ihnen das?
Yannik Steinegger: Das Ranking ist mir nicht das Allerwichtigste. Natürlich geht es am Ende immer um Punkte, egal ob in der Schweiz oder international, wo ich bei der ATP als Nummer 1237 geführt werde. Mir ist aber wichtiger, dass ich Fortschritte mache und Spass habe am Tennis. Eine gewisse Genugtuung gibt mir das neue Ranking: Nach zehn Jahren Tennis bin ich zum ersten Mal die Nummer 1 meines Jahrgangs.
Sie haben sehr jung nach Biel ins nationale Leistungszentrum gewechselt. Sind Sie in diesen acht Jahren ein Bieler geworden?
Am Anfang habe ich meine Zeit nur am Internat, im Schulzimmer und auf dem Tennisplatz verbracht. Je länger, je mehr bin ich aber auch aus dem Campus herausgekommen. Seit wir 18 geworden sind, haben ein Trainingspartner und ich eine WG in der Stadt. Mittlerweile kenne ich mich gut aus in Biel.
Mit 20 verlassen Sie nun Ende Jahr das Leistungszentrum. Warum?
Es ist einfach Zeit, das Kapitel Biel abzuschliessen und ein neues anzufangen. Ich hatte in den vergangenen Jahren immer weniger Trainingspartner auf meinem Niveau und 2019 auch keinen fixen Trainer. Wir haben vielleicht 40 Prozent der Zeit alleine trainiert. Mir ist bewusst: Biel ist für einen jungen Tennisspieler das Beste, was es in der Schweiz gibt. Aber ich wollte nicht noch länger einfach mitlaufen. Es ist Zeit für etwas Neues.
Was schwebt Ihnen vor?
Mein Plan war es, keine feste Trainingsbasis zu haben. Ich wäre herumgereist, hätte mal an dieser, mal an jener Academy trainiert und vor allem viele Turniere gespielt. Das wäre auch finanziell zu tragen gewesen. Aber nun finden wegen Corona fast keine Wettkämpfe statt und man kann kaum voraussagen, ob man in ein Land einreisen kann oder vielleicht in Quarantäne muss. Mein Plan war schon gut, aber der Zeitpunkt ist nicht der richtige. Wie es nun genau weitergeht, ist darum noch offen. Der Abschluss in Biel ist kommuniziert und ich werde aus der Wohnung ausziehen. Alles andere werde ich in den kommenden Wochen klären.
Ist es nicht eine grosse Veränderung, ganz allein auf Tour zu sein?
Darin habe ich Erfahrung: Von den rund 25 Turnieren vergangenes Jahr habe ich wohl 20 alleine bestritten. Ob mit oder ohne Trainer: Ich erstelle meinen Turnierplan selber, ich organisiere die Anreise, die Übernachtungen, den Zeitplan, die Ernährung und so weiter. Mittlerweile kenne ich viele Spieler. Ich frage jeweils herum, wer noch am selben Turnier teilnehmen möchte, und dann fliegen wir vielleicht zusammen, teilen uns das Hotelzimmer und spielen meist gemeinsam Doppel. Ich weiss, dass ich alleine unterwegs sein kann. Das habe ich gelernt.
War es belastend, als Sie zum ersten Mal ohne Trainer an ein Turnier gereist sind?
Ganz im Gegenteil. Am Anfang war das richtig cool. Zum ersten Mal musste ich selber überlegen, was ich tun soll auf dem Platz. Ich habe gemerkt: Ich mache das nur für mich. Ich spiele nicht für einen Trainer. Wenn man alleine ist, hinterfragt man sich stark, reflektiert. Man lernt sich kennen und muss sich mit sich selber auseinandersetzen.
Und dann reisen Sie zum Beispiel nach Estland, der Gegner ist gut, das Hotel schlecht und Sie können nach zwei Sätzen wieder die Koffer packen. Wie geht man damit um?
Ja, es gibt mehr schwierige Momente, wenn man alleine ist. Man hat auch mehr Zweifel und ist ganz einfach die einzige Person, die einen aufbauen kann. Aber ich bin der Meinung, das sollte jeder Tennisspieler mal erlebt haben.
Sind Trainer dann überflüssig?
Ich habe sechs Monate alleine sehr gute Fortschritte erzielt. Aber dann war auch genug, ich brauchte wieder eine Führungsperson, die mir Tipps gibt. Denn die erhält man von sich selber nicht. Wenn ich also die Wahl habe, gehe ich mit einem Coach zu Turnieren. Ich weiss aber auch, dass ich ohne gut leben kann und dass ich beispielsweise bei 30 Turnieren nicht 30 Mal einen Coach mitnehmen muss.
Aktuell absolvieren Sie wegen Corona kaum Wettkämpfe. Wie gehen Sie mit der Situation um?
Es ist tatsächlich nicht ganz einfach, die Motivation zu behalten. Im Training versuche ich mit konkreten Zielen entgegenzuwirken. Ich habe mir klare Vorgaben gemacht, was ich vor allem bei Service und Vorhand erreichen will in den kommenden Wochen. Das hilft schon mal. Zudem gibt mir die Situation die Möglichkeit, Zeit in meinen Körper zu investieren, der im normalen Turnier- und Trainingsrhythmus stark strapaziert wird. Ich versuche, jede Woche etwas anders zu gestalten, einmal mit anderen Partnern und an anderen Orten zu trainieren. Aber ja, auch mit Blick auf den Alltag nach dem Leistungszentrum bin ich noch auf der Suche nach Hobbys. Vielleicht fange ich an, mehr zu lesen. Ich öffne zumindest ein neues Kapitel. Mal sehen, was drin steht.
Zur Person
wis. Yannik Steinegger ist in Bubendorf aufgewachsen. Mit 12 Jahren zog er nach Biel, um am nationalen Leistungszentrum von Swiss Tennis zu trainieren und in einem Internat die obligatorische Schulzeit abzuschliessen. Sportliche Erfolge feierte der heute 20-Jährige einerseits an Junioren-Schweizermeisterschaften, an denen er mehrere Medaillen im Einzeln und Doppel gewann. Anfang Jahr holte er sich auch bei den Aktiven SM-Silber. Andererseits darf sich der Oberbaselbieter Interclub-Meister nennen: Mit dem TC Genève Eaux Vives siegte er 2019 in der Nationalliga A. International wird Steinegger als ATP 1237 geführt, in der Schweiz ist er als Nummer 17 als N2 eingestuft.