Darf die Schweiz am Krieg verdienen?
10.11.2020 AbstimmungenAbstimmung | Die Argumente für und gegen die Kriegsgeschäfte-Initiative
sda. Am 29. November entscheiden das Volk und die Stände über die Kriegsgeschäfte-Initiative. Die Initiative «Für ein Verbot der Finanzierung von ...
Abstimmung | Die Argumente für und gegen die Kriegsgeschäfte-Initiative
sda. Am 29. November entscheiden das Volk und die Stände über die Kriegsgeschäfte-Initiative. Die Initiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» verlangt, dass der Schweizerischen Nationalbank, Stiftungen sowie Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge (AHV/IV/EO) die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verboten wird. Das Verbot soll in der Bundesverfassung verankert werden. Als Kriegsmaterialproduzenten gelten gemäss Initiativtext Unternehmen, die mehr als 5 Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erzielen.
Unter Finanzierung verstehen die Initianten die Gewährung von Krediten, Darlehen, Schenkungen oder vergleichbaren finanziellen Vorteilen. Zudem dürfen laut Initianten keine Wertschriften von Kriegsmaterialproduzenten erworben oder Finanzprodukte gekauft werden, die sich an Kriegsmaterialproduzenten beteiligen. Weiter verlangt die Initiative, dass sich der Bundesrat auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzt, dass für Banken und Versicherungen dieselben Bedingungen gelten.Wird die Initiative von Volk und Ständen angenommen, dürften keine neuen Finanzierungen in diesen Bereichen mehr getätigt werden. Bereits bestehende Finanzierungen müssten innerhalb von vier Jahren abgestossen werden.
Bundesrat ist gegen die Intitiative
Die Initiative lanciert haben die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) und die Jungen Grünen. Unterstützt wird sie von Grünen, SP, EVP und rund dreissig Organisationen, wie zum Beispiel der Caritas, Solidarité sans frontières, humanrights.ch und VPOD. Die Befürworter argumentieren, dass die Initiative ein Schritt zu einer friedlicheren Welt sei.
Das Geschäft mit den Waffen floriere und werde von der Schweiz mitfinanziert. Die Schweiz setze sich als neutrales Land mit humanitärer Tradition für Menschenrechte, Frieden und diplomatische Beziehungen ein. Gleichzeitig würden Milliarden Schweizer Franken in Kriege und Konflikte investiert – das sei ein Widerspruch. Die Initiative schütze entsprechend die Glaubwürdigkeit der Schweiz. Weiter argumentieren die Befürworter, die Initiative sei wirtschaftlich sinnvoll, da nachhaltiges Investieren gewinnbringend sei. Deswegen würden schon heute viele Finanzunternehmen auf ethische Anlagen setzen.
Der Bundesrat und die bürgerliche Mehrheit im Parlament lehnen die Initiative ab. Laut Bundesrat wäre die Umsetzung der Initiative mit negativen wirtschaftlichen Konsequenzen insbesondere für die Schweizerische Nationalbank, Stiftungen und die Schweizer Vorsorgewerke verbunden. Je nach konkreter Ausgestaltung der Initiative wären auch die Schweizer Finanzbranche und die Maschinen-, Elektround Metallindustrie betroffen. Der Schweizer Standort würde an Attraktivität verlieren.
Ein Finanzierungsverbot für Schweizer Banken liege darüber hinaus nicht im Interesse der Schweiz, weil sich auch schweizerische Kriegsmaterialproduzenten über ausländische Banken finanzieren müssten. Damit würde die Versorgungssicherheit der Schweizer Armee geschwächt.
DARUM STIMME ICH JA
«Rendite mit Kriegsgeschäften – Nein danke»
Eric Nussbaumer, Nationalrat SP, Liestal
Die Kriegsgeschäfte-Initiative hat eine durch und durch menschliche Botschaft: Es kann nicht sein, dass wir unsere Renditen für unser AHV-Geld für die Vermögensanlagen der Nationalbank oder der Pensionskassen mit Investitionen in Kriegsgeschäfte steigern. Das Kriegsleid darf nicht dazu führen, dass wir eine bessere Rendite haben. Darum sollen diese drei Organisationen nur noch in Firmen investieren dürfen, die nicht mehr als 5 Prozent des Umsatzes mit Produkten für den Krieg erzielen. Man nennt das im Anlagegeschäft ein Negativkriterium. Es wird eine bestimmte Anlagekategorie bei der Vermögensanlage ausgeschlossen.
Ich war über ein Jahrzehnt lang Mitglied und Präsident einer Bank, die solche Negativkriterien sowohl bei der Kredit- wie auch bei der Vermögensanlage anwendet. Es funktioniert einwandfrei. Nie hatten wir ein Problem, auf unserem Globus auch andere Investitionsmöglichkeiten zu finanzieren. Es muss niemand in Rüstungsgüter investieren, um eine genügende Rendite für die AHV oder für das Pensionskassengeld zu erreichen. Eine der grössten Investitionsmöglichkeiten der nächsten Jahrzehnte ist sowieso der Klimaschutz, die grünen Investitionen. Da wird es nicht darum gehen, Spenden zu leisten, damit der Planet etwas klimafreundlicher wird.
In diesem Themenbereich wird es weltumspannend darum gehen, dass wir unsere Gelder mit einer angemessenen Rendite in Infrastrukturanlagen, in eine weltumspannende Digitalisierung und in die dezentrale umweltfreundliche Energieversorgung investieren. Diese globale Herausforderung ist so drastisch, dass es gar keinen Grund mehr gibt, Milliarden in Atomwaffen zu investieren. Es gibt andere, positive Investitionsmöglichkeiten, die menschliches Leid verringern, statt kriegerisches Leid zu erhöhen.
Man kann nicht Frieden predigen und gleichzeitig den Krieg und seine Produkte mitfinanzieren. Ich bin dankbar, dass ich in einem Land leben darf, das in den vergangenen Jahrzehnten von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont blieb. Das verpflichtet mich und mein Pensionskassengeld: Ich will nicht, dass meine Pension mit Kriegsgeschäften gesichert wird. Die Schweiz steht für Friedensförderung, für Dialog, für Menschenrechte. Wir sollten konsequent sein und unser Geld nicht bei Herstellern von Rüstungsgütern anlegen. Darum sage ich Ja zur Kriegsgeschäfte-Initiative. Es gibt so viele andere, lebensdienliche Anlagemöglichkeiten!
DARUM STIMME ICH NEIN
Die Initiative gefährdet die Altersvorsorge
Daniela Schneeberger, Nationalrätin FDP, Thürnen
Die Initiative will die Finanzierung von Unternehmen unterbinden, die mehr als 5 Prozent ihres Umsatzes mit der Herstellung von Armee- und Rüstungsgütern oder von Bauteilen und Baugruppen erwirtschaften, die in Armee- und Rüstungsgütern verbaut werden. Der Schweizerischen Nationalbank, Stiftungen sowie Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge (AHV, IV, EO und Pensionskassen) soll deshalb die finanzielle Beteiligung an solchen Unternehmen verboten werden. Ausserdem soll sich der Bund auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass das Verbot auf private Banken und private Versicherungen mit Sitz in der Schweiz ausgeweitet wird. Hauptträger der Initiative sind die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) und die Jungen Grünen.
Die Initiative betrifft vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU), auch wenn sie 94 Prozent ihres Umsatzes nicht mit Rüstung verdienen und für die Zivilgesellschaft wertvolle Güter herstellen. Sie greift damit eine Vielzahl von spezialisierten KMU an, die Einzelteile oder Baugruppen an grössere Rüstungsunternehmen liefern. Damit sind nicht nur Maschinenund Elektrounternehmen betroffen, sondern beispielsweise auch ein Fensterhersteller, der seine Fenster in Gruppentransportern einbaut oder ein Präzisionsmechanik-Hersteller, dessen Produkte für Flugzeuge benötigt werden.
Die Initiative schränkt die Schweizer Sozialwerke ein. Denn neben Stiftungen müssten auch Pensionskassen und die AHV/IV/EO sicherstellen, dass sie das verwaltete Vermögen nicht in Unternehmen investieren, die den Schwellenwert von 5 Prozent überschreiten. Das heisst, Pensionskassen und später Banken und Versicherungen müssten ihre Anlagen mit erheblichem Aufwand anders bewirtschaften als heute – oder aber vom Ausland aus arbeiten und die Regelung umgehen. Ein Anlageportfolio kann Anteile mehrerer Tausend Unternehmen enthalten, das Finanzierungsverbot kann faktisch kaum umgesetzt werden. Entweder müssten Investitionen auf wenige Firmen beschränkt werden, was zu einem Klumpenrisiko bei der Anlage führen würde. Oder es müssten jedes Jahr Tausende von Unternehmen auf deren Umsatz mit Armee- und Rüstungsmaterial überprüft werden, was mit einem enormen Aufwand verbunden wäre. Die Kriegsgeschäfte-Initiative setzt Milliarden von Vorsorgegeldern der arbeitenden Bevölkerung leichtfertig aufs Spiel. Gefährden wir nicht unsere AHV und stimmen Nein zur Kriegsgeschäfte-Initiative.