Nicht im Landrat, aber mit viel Einfluss
29.10.2020 Bezirk LiestalMichael Durrer wird neuer Präsident der Baselbieter Grünen
Beobachter sprechen von einer überraschenden Wahl. Dem designierten Grünen-Präsident Michael Durrer würden Erfahrung und das Landratsamt fehlen. Doch der 36-Jährige hält dagegen und hat ...
Michael Durrer wird neuer Präsident der Baselbieter Grünen
Beobachter sprechen von einer überraschenden Wahl. Dem designierten Grünen-Präsident Michael Durrer würden Erfahrung und das Landratsamt fehlen. Doch der 36-Jährige hält dagegen und hat mit der Partei viel vor. Dabei will er auch neue Wege gehen.
Tobias Gfeller
Er springe aus der zweiten in die erste Reihe der Baselbieter Politik, schrieben Zeitungen, als Michael Durrer seine Kandidatur für den Parteivorsitz der Grünen bekanntgab. Betreffend Bekanntheit ist dies definitiv der Fall. Betreffend Arbeitseinsatz und Einfluss in der Kantonalpartei trifft dies aber weniger zu. Als Fraktionspräsident der Grünen im Liestaler Einwohnerrat und als Vizepräsident der Kantonalpartei hatte sein Wort schon in den vergangenen Jahren Gewicht. Er war die treibende Kraft, als Liestal den Klimanotstand ausrief. Als Vizepräsident der Baselbieter Grünen arbeitete Durrer vor allem im Hintergrund und unterstützte so Präsident Bálint Csontos. Nun ist er bereit für den Rollenwechsel.
Dieser Schritt komme überhaupt nicht spontan. Schon länger habe er sich mit einer möglichen Nachfolge von Csontos gedanklich auseinandergesetzt. Während er dem Ramlinsburger zur Seite stand und ihm auch über die Schulter blicken konnte, wuchs die Überzeugung, dass er das Mehr an Öffentlichkeit und Basisarbeit in den Ortssektionen meistern kann.
Abläufe verschlanken
Michael Durrer will den vom Präsidium eingeschlagenen Weg weiterführen. Eines seiner zentralen Ziele sei es, mehr Mitgliedern eine aktive Teilhabe zu ermöglichen. «Seit den erfolgreichen Wahlen 2019 sind wir nochmals gewachsen. Ich will es allen motivierten Mitgliedern ermöglichen, sich einzubringen und sich zu engagieren.» Er möchte Ideen, Stärken und Willen zusammenbringen.
Digitalisierung ist ein Stichwort, das Durrer oft benutzt. Und das hat nichts mit Corona zu tun. «Es geht mir darum, die Abläufe innerhalb der Partei und bei Sitzungen zu verschlanken und so die Effizienz der Parteiarbeit zu erhöhen.» Ein Beispiel: Anstatt an Mitgliederversammlungen lange über Abstimmungen zu diskutieren, bei denen sowieso sämtliche Mitglieder gleicher Meinung sind, soll Raum für kontroversere, inhaltlich relevantere Themen zur Verfügung stehen, welche die Mitglieder und die Partei weiterbringen. Er wolle nicht Debatten, den persönlichen Austausch und Geselligkeit verhindern, im Gegenteil. Sie sollen aber dort noch mehr stattfinden können, wo Bedarf vorhanden ist, indem Routineabläufe auch mal digital erledigt werden können.
Doch ist das fehlende Landratsamt bei der Kommunikation nach innen und aussen wirklich kein Problem? Michael Durrer selber findet nicht. Er sei gut vernetzt und werde auch regelmässig bei Sitzungen der Landratsfraktion als Zuhörer dabei sein. Dass mit der Sissacherin Laura Grazioli und der Liestalerin Erika Eichenberger zwei Landrätinnen das Vizepräsidium besetzen werden, sorge dafür, dass das gesamte Präsidium gut in die Parlamentsarbeit eingebunden sein wird.
Neben den klassischen Klimathemen hat Durrer durch seinen Beruf als Leiter einer Therapiestation für psychisch kranke Jugendliche in Laufen einen persönlich starken Bezug zur Sozial- und Jugendpolitik. In seiner Arbeit hat der Liestaler viel mit persönlichen Schicksalen zu tun. Der lange Arbeitsweg im Zug komme da jeweils gerade recht, um nach Feierabend abschalten zu können. Aus sozialpolitischer Sicht ist es Durrer wichtig, dass Massnahmen gegen den Klimawandel sozial verträglich umgesetzt werden.
Velohochbahn-Affäre moderieren
Der 36-Jährige übernimmt die Grünen in einer vom Wähleranteil und von der Mitgliederzahl her gesehen erfolgreichen Zeit. Doch er muss gleich auch die Krise nach der Velohochbahn-Affäre moderieren. Er könne die kritischen Fragen nachvollziehen, die wegen der personellen Konstellation gestellt wurden, weil in der Kommunikation rund um das Projekt «durchaus» Fehler passiert seien. «Doch die Art und Weise und die Vehemenz, wie die Kritik vorgetragen wurde, verstehe ich bis heute nicht.»
Die Partei sei sehr daran interessiert, aus der Geschichte zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Vor allem im Rahmen der internen und externen Kommunikation gebe es Verbesserungspotenzial. Durrer ist überzeugt, dass die Reaktionen der politischen Gegner auch deshalb so vehement ausgefallen sind, weil sie die Chance nutzen wollten, dem Wahlsieger von 2019 auf den Deckel zu geben.