Helfen statt strafen
29.10.2020 ZunzgenGemeinde beschäftigt straffällig gewordene Jugendliche
Seit 15 Jahren beschäftigt die Gemeinde Zunzgen im Auftrag der Jugendanwaltschaft mit Erfolg straffällige Jugendliche. Der Werkhof mit seinen sechs Mitarbeitenden übernimmt die nicht immer einfache ...
Gemeinde beschäftigt straffällig gewordene Jugendliche
Seit 15 Jahren beschäftigt die Gemeinde Zunzgen im Auftrag der Jugendanwaltschaft mit Erfolg straffällige Jugendliche. Der Werkhof mit seinen sechs Mitarbeitenden übernimmt die nicht immer einfache Aufgabe. Eine Bilanz.
Sander van Riemsdijk
Für Minderjährige, die zwischen dem vollendeten 10. und dem 18. Altersjahr strafbare Handlungen begangen haben, kommt das Jugendstrafrecht zur Anwendung. Die Jugendanwaltschaft als zuständige Behörde beurteilt die Straftaten in der überwiegenden Zahl der Fälle selbstständig und ist für den Vollzug verantwortlich. Unter der Maxime «Helfen statt strafen» verfügt sie unter anderem für junge Menschen ambulante Massnahmen, mit dem Ziel, freiheitsentziehende Massregeln zu vermeiden. Dabei steht die Strafe nicht im Vordergrund. Vielmehr sollen die Jugendlichen mit Unterstützung und Motivation zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung bewogen werden.
Was sich in der Theorie so leicht sagt, ist in der Praxis längst nicht so einfach, wie der Leiter Werkdienste der Gemeinde Zunzgen, Horst Kenzelmann berichtet. Seit rund 15 Jahren unterstützt die Gemeinde die Jugendanwaltschaft bei der Beschäftigung von straffällig gewordenen Jugendlichen mit einem Durchschnittsalter von etwa 15 Jahren.
Förderung von Sozialkompetenz
Der Werkdienst mit seinen fünf Mitarbeitenden kümmert sich für eine befristete Zeit, in der Regel drei bis maximal 14 Tage, mit gezielten Arbeitseinsätzen um diese Jugendlichen, die schon in jungen Jahren keine gradlinige Biografie vorzuweisen haben. Eine nicht immer einfache Aufgabe, denn nicht jeder Jugendliche lässt sich auffangen. Für eine gute und gezielte Vorbereitung auf ihre Aufgabe besuchten die Gemeindemitarbeiter damals vorgängig einen eintägigen Weiterbildungskurs, in dem sie auf ihren Betreuungseinsatz vorbereitet wurden.
«Wir haben in all diesen Jahren nur einmal eine Anfrage seitens der Jugendanwaltschaft absagen müssen, da der Werkhof personell gerade unterbesetzt war», sagt Gemeindeverwalter Cristiano Santoro und unterstreicht damit die Bereitschaft «seiner» Gemeinde, ohne Vorkenntnisse über die Persönlichkeit des betreffenden Jugendlichen zu jeder Zeit eine Anfrage positiv zu beantworten. Die Zeitspanne zwischen einer Anfrage und dem effektiven Einsatz der Jugendlichen – übrigens immer männliche – ist kurz, meistens nur zwei bis drei Tage.
Nach der verübten Straftat fragen die Mitarbeitenden des Werkhofs bewusst nicht, «es sei denn, der Jugendliche berichtet von sich aus, was passiert ist», sagt Kenzelmann. Und fügt an, dass es ihm und seinen Arbeitskolleginnen und -kollegen wichtig ist, dass der Jugendliche sofort in die Planung der auszuführenden Arbeiten eingebunden wird. Mit der gleichen Arbeitskleidung, wie sie auch die Angestellten tragen, soll ihm das Gefühl vermittelt werden, dass er dazugehört. Für das Selbstwertgefühl eines Jugendlichen ein wichtiger Aspekt in seiner weiteren Entwicklung.
Die Begleitung enthält auch erzieherische Komponenten. So legen Horst Kenzelmann und sein Team zur Förderung von sozialer Kompetenz grossen Wert auf Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Fleiss und gute Umgangsformen. Nach Ablauf des Einsatzes wird der Jugendanwaltschaft ein Rapport über den Verlauf geschickt. Cristiano Santoro möchte aufgrund der positiven Erfahrungen in Zunzgen andere Gemeinden dazu animieren, als Alternative zu freiheitsentziehenden Massnahmen, straffällige Jugendliche mit einem solchen Arbeitseinsatz zu unterstützen. Mit dem Ziel und der damit verbundenen Hoffnung, dass ein solcher Einsatz den Jugendlichen «im besten Fall» zum Nachdenken anregt. Zum Beispiel darüber, dass es im Leben mehr gibt als nur kriminelle Energie, wie Santoro sagt.