Gegen die Flüchtigkeit
22.10.2020 Basel, Kultur, Lausen, BaselbietKolumistin Daniela Dill legt eine Texte- und Gedichtsammlung vor
Daniela Dill vereint in ihrem Buch «Durzueständ» rund 50 Kolumnen und eine Handvoll Gedichte. Dass die «edition spoken script» diese Sammlung der Lausnerin herausgibt, ist ein Gütesiegel, das durch die Lektüre ...
Kolumistin Daniela Dill legt eine Texte- und Gedichtsammlung vor
Daniela Dill vereint in ihrem Buch «Durzueständ» rund 50 Kolumnen und eine Handvoll Gedichte. Dass die «edition spoken script» diese Sammlung der Lausnerin herausgibt, ist ein Gütesiegel, das durch die Lektüre bestätigt wird.
Jürg Gohl
Gut. Für langjährige Leserinnen und Leser der «Volksstimme» kommt es zum einen oder anderen «Déjà-vu»- oder eben «Déjà-lu»-Erlebnis. Die eine oder andere Kolumne, die sie bereits für diese Zeitung verfasst hat, nimmt Daniela Dill in ihr eben erschienenes Buch «Durzueständ» auf, die meisten davon allerdings in überarbeiteter und oft auch erweiterter Form. «Nein, ich habe mich nicht drei Jahre lang zurückgezogen, um ein Buch zu schreiben», sagt die 38-jährige Autorin, die in Lausen aufgewachsen ist, «mein neues Buch ist eine Sammlung bestehender Texte.»
Vielmehr geht es ihr darum, dass diese Texte in Buchform erhalten bleiben. Denn die in Basel wohnende Baselbieterin ist Meisterin einer Sprachkunst, die nicht auf die Nachwelt ausgerichtet ist: Ihre künstlerische Laufbahn begann sie zu Uni-Zeiten als Slampoetin – das balladenhafte Stück «Backpacker» im Buch stammt noch aus jener Zeit. Das sind für Auftritte verfasste Gedichte. Und ihre Kolumnen auf Zeitungspapier taugen nach zwei, drei Tagen höchstens noch fürs Katzenklo.
Höhere Halbwertszeit
Dass einem beim Wiederlesen diese teils älteren Texte gleich wieder bekannt vorkommen, hängt mit dem Talent von Daniela Dill zusammen, Marotten, auch sprachliche, zu hinterfragen und aus vermeintlich belanglosen Alltagssituationen grundsätzliche Lebensfragen abzuleiten – sei es beim Warten auf ihr Nümmerli auf der Poststelle, sei es bei der Bahn-Mitfahrerin, die ihrer zweijährigen Lia partout den Nuggi aufschwatzen will. Und die Emanzipation ist immer auch Thema. Ihre Kurztexte fordern stets zum Nachdenken auf und erzielen damit eine höhere Halbwertszeit.
Im Text mit dem leicht befremdenden Titel «Tee ufruume» schildert Dill zum Beispiel, wie sie trotz voller Tasse den ganzen Teekrug ausgiesst und deshalb eine Überschwemmung verursacht. Weshalb sie das tue, fragt sie sich, und kommt auf eine einleuchtende Erklärung, die hier nicht verraten sei. Mit solchen vermeintlich nebensächlichen Begebenheiten ist der Hauptteil des Buchs bestückt, ergänzt mit Slam-Poesie. Der Sprachrhythmus ist ihr auch in Lauftexten ein unverkennbares Merkmal. «Sprache ist bei Daniela Dill hörbar gemachter Klang», schreibt Simone von Büren in ihrem Nachwort des Buchs.
Daniela Dill, die im Jahr 2010 den Baselbieter Kulturförderpreis erhalten hat, liebt auch skurrile Gedankengänge: Etwa die Geschichte vom achten Geisslein, das nach Cambridge auswanderte, um Theologie zu studieren, und bei der Heimkehr eifersüchtig auf seine sieben Geschwister ist, weil sie durch Grimms Märchen alle Berühmtheit erlangten. Der letzte Sprechtext im Buch trägt den verwirrenden Titel: «Kafka, ich will ein Kind von dir.»
Gesprochene Sprache als Basis
Dass die Wurzeln der Autorin in der gesprochenen, vorgetragenen Sprache liegen – als Jugendliche habe sie an Familienfeiern und anderen Anlässen regelmässig klassische Balladen vorgetragen –, zeigt sich auch darin, dass ihre «Durzueständ» als Nummer 37 in die renommierte Reihe «edition spoken script» aufgenommen wurden. In ihr stösst man nicht nur auf Namen wie Franz Hohler, sondern auch auf das wichtigste Mundart-Buch der Schweizer Literatur der vergangenen Jahre, auf «Der Goalie bin ig» von Pedro Lenz.
Der Grossteil von Daniela Dills Beiträgen sind ebenfalls wie in der «Volksstimme» in Mundart verfasst. Animiert dazu hat sie ein anderer ehemaliger Kolumnist dieser Zeitung und Bücherautor, der im vergangenen Jahr verstorbene Markus Ramseier. Er war ein enger Begleiter der Autorin und habe sie, so schreibt sie in der Widmung des Buchs an ihn, zum Mundartschreiben ermuntert. Seine damalige Motivation hat sich gelohnt.