Abstimmung über die Initiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes»

ssc./sda. Lediglich über eine kantonale Vorlage hat die Baselbieter Bevölkerung am 27. September abzustimmen. Es handelt sich dabei um die Initiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes». Die formulierte Gesetzesinitiative war bereits 2015 mit 3235 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Lanciert worden war sie aus den Reihen der Wirtschaftskammer Baselland. Nach einem Unterbruch der Behandlungsfrist bis Ende September des vergangenen Jahres stimmten sowohl die Regierung wie auch der Landrat dem Volksbegehren zu, dieser indes nur mit 38 zu 34 Stimmen. Landräte und Landrätinnen der SVP, FDP, CVP und Grünliberale waren dafür, jene von SP, Grüne und EVP waren dagegen.

Die Initiative verlangt, dass sich der Kanton Baselland stärker für den Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes einsetzt, dass er mit den angrenzenden Kantonen über gemeinsame Ausbauziele verhandelt und beim Bund für den Netzausbau lobbyiert. Ziel ist es, Engpässe im Strassenverkehr zu beseitigen – etwa bei der chronisch überlasteten Autobahn zwischen Basel und Pratteln. Allerdings: Die Nationalstrassen A22 und A18 sind seit diesem Jahr gar nicht mehr Sache des Kantons. Deshalb wird die Abstimmung eher als Richtungsentscheid angesehen. Es geht nicht um ein bestimmtes Bauprojekt, sondern vielmehr um die Frage: Welchen Stellenwert sollen Strasse und Auto in der Baselbieter Verkehrspolitik künftig haben?

DARUM STIMME ICH JA

«Es braucht eine bessere Verhandlungsposition in Bern»

Stefan Degen, Gemeindepräsident a.i., Gelterkinden

Der Bund hat seit Anfang Jahr die Zuständigkeit für die meisten Hochleistungsstrassen im Baselbiet übernommen. Er übernimmt aber nicht das Denken für uns. Die Initiative fordert wörtlich die Weiterentwicklung des HLS-Netzes in «Funktionalität und Kapazität». Diese Weiterentwicklung, etwa in intelligent geplanten Umfahrungen und Zubringersystemen, ist jederzeit möglich. Nur der Kanton selbst weiss, was er braucht und soll endlich einen eigenen Plan entwickeln. Statt immer nur nach dem Bund zu rufen, müssen wir unsere Anliegen selbst in die Hand nehmen.

Wir kämpfen seit Jahren mit Verkehrsüberlastung in den Dörfern und auf den Hauptachsen. Stadtnahe Gemeinden werden vom ausländischen Pendler- und Durchgangsverkehr überschwemmt, wie beispielsweise Birsfelden oder Allschwil. Wir brauchen hier Entlastung, daher engagieren sich viele Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten für die Volksinitiative. Es ist falsch, dass diese Gemeinden jetzt die Zeche dafür zahlen, dass der Kanton bis auf die H2 seit den 1970er-Jahren keine Neuerung im Verkehrsnetz geplant hat.

Der Stau auf unseren Strassen ist Fakt. Nun einfach wieder gar nichts zu tun und wieder einmal die Hände in den Schoss zu legen heisst auch, die ständige Überbelastung der Wohnbevölkerung, der Umwelt und der Gemeinden in Kauf zu nehmen. Die Initiative ist ein Grundauftrag an die Regierung. Denn Stau ist nicht im Sinne der schweizerischen Klimaziele. Auch Elektroautos benutzen Strassen.

Auch die Regierung ist dieser Meinung. Es braucht eine bessere Verhandlungsposition in Bern, bisher konnte der Kanton nicht mit einem klaren Plan vor den Bund treten. Aber wenn man nicht weiss, was man will, kümmert sich der Bund um einen anderen seiner 26 Kunden. Dies hat dann negative Konsequenzen wie etwa die Verzögerung des Doppelspurausbaus in Laufen. Die Täler des Baselbiets müssen besser vernetzt werden, sonst werden sie irgendwann abgehängt. Hier stehen auch Arbeitsplätze und die Standortentwicklung auf dem Spiel. Wir dürfen nicht ständig nur Basel-Stadt nacheifern, wir Baselbieter sind anders beschaffen.

Die Planung des öffentlichen und des individuellen Verkehrs muss immer Hand in Hand gehen. Sie entlasten sich gegenseitig. Jede einseitige Planung bringt nur wieder eine Verschlechterung des allgemeinen Zustands. Genau das Zusammenspiel fordert die Initiative. Die Verkehrsknotenpunkte müssen besser geplant und entlastet werden, sonst stehen auch Bus und Tram im Stau. Stimmen Sie mit Ja für die Initiative. Gibt es wieder keinen Anstoss, wird sich die Situation nur verschlimmern. Es muss jetzt für morgen geplant werden!

DARUM STIMME ICH NEIN

«Noch mehr Autobahnen sind kontraproduktiv»

Bálint Csontos, Präsident Grüne BL

Wieder haben wir es bei der Initiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes» mit einer Initiative der Wirtschaftskammer zu tun, welche die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen für dumm verkauft. Christoph Buser und Konsorten geben vor, sich für Verkehrspolitik und die Lösung von Verkehrsproblemen zu interessieren. Die Initiative besteht aber aus lauter undurchsichtigen Paragrafen, die eigentlich alle wirkungslos sind.

Der einzige klare Absatz will die Regierung verpflichten, zusätzliche Sitzungen mit einer von Christoph Buser geleiteten Kommission abzuhalten. Dabei ist die Autobahn-Initiative völlig überholt: Abgesehen vom Schleifenberg-Tunnel ist in der Zwischenzeit der Bund für die Hochleistungsstrasse verantwortlich, der Kanton hat hier gar keine Kompetenzen mehr. Und auch sonst ist die Initiative nicht durchdacht. Viele Menschen im Kanton möchten einfach nur angenehm und zahlbar von A nach B kommen. Deshalb müssen wir in Verkehrsfragen immer an alle Verkehrsträger denken. Dann wird nämlich schnell klar, dass noch mehr teure und landschaftszerfressende Autobahnen kontraproduktiv sind. Wer Strassen sät, wird Verkehr und Stau ernten.

Wieder einmal bringt die Wirtschaftskammer eine Idee, die nicht funktioniert und tut auf ihren Abstimmungsplakaten so, als ginge es in der Initiative um alle Verkehrsträger, obwohl diese Initiative nur Strassen, Strassen, Strassen zum Inhalt hat. Wo bleiben die Vorschläge der Wirtschaftsverbände zur effektiven Entlastung der Wohngebiete, zum Lärmschutz, zum Schutz der Kinder? Wo bleiben die Vorschläge für eine zahlbare Mobilität auch für jene, die sich keinen Mercedes leisten können oder wollen? Sie kommen nicht von der Wirtschaftskammer. Wir werden in diesem Jahrzehnt klimaneutrale Mobilität schaffen müssen, es droht die Klimakatastrophe. Dafür brauchen wir kurze Wege, Förderung der lokalen Ökonomie, der Kleinbetriebe. Wer hilft dem Gewerbe, in der neuen Ökonomie vorne mit dabei zu sein? Nicht die Wirtschaftskammer. Sie möchte dem Baselbiet den totalen Stillstand verordnen und hat uns abgesehen von schönen Worten rein gar nichts zu bieten.

Ich glaube nicht, dass sich die Baselbieter Stimmbürger und Stimmbürgerinnen mit dieser Initiative über den Tisch ziehen lassen. Denn sie kümmert sich einzig um die persönlichen Interessen der Lobbyisten und hilft dabei keiner Einwohnerin und keinem Einwohner unseres Kantons. Aus diesen Gründen werde ich die Initiative zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes am 27. September ablehnen.

Welchen Stellenwert soll das Auto haben?

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