Bern | Das Stimmvolk entscheidet über die Zukunft der Luftwaffe

Die Schweizer Kampfflugzeuge sind veraltet und müssen Ende des Jahrzehnts ausser Dienst gestellt werden. Das Stimmvolk entscheidet, ob die Luftwaffe eine neue Kampfjet-Flotte bekommt oder nicht.

sda. Mit der Vorlage soll der Bundesrat beauftragt werden, bis 2030 neue Kampfflugzeuge zu beschaffen. Dafür darf er höchstens 6 Milliarden Franken ausgeben. Über den Flugzeugtyp wird – anders als bei der 2014 gescheiterten Gripen-Beschaffung – nicht abgestimmt.

Sagt das Stimmvolk Ja zur Beschaffung, entscheidet der Bundesrat voraussichtlich Anfang 2021, welches Flugzeug die Schweiz kauft. Die ersten Jets sollen etwa 2025 in Dienst gestellt werden, 2030 soll die Beschaffung abgeschlossen sein. Parallel dazu werden die F/A-18 und die letzten Tiger ausser Dienst gestellt.

Die neuen Kampfflugzeuge sollen die gleichen Aufgaben erfüllen wie heute die F/A-18: Luftpolizeidienst sowie Kontrolle und Verteidigung des Luftraums im Fall von Konflikten. Die neue Flotte soll es der Luftwaffe erlauben, während mehrerer Wochen die Lufthoheit zu wahren, auch in Zeiten erhöhter Spannungen. Laut Armeechef Thomas Süssli sind dafür mindestens 32 Jets notwendig.

Das Referendum ergriffen haben die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa), die SP und die Grünen. Die Gegner argumentieren einerseits mit den Kosten: Nach ihren Berechnungen belaufen sich diese über die gesamte Lebensdauer auf 24 Milliarden Franken. Das Geld fehle im Gesundheitswesen oder zur Bekämpfung des Klimawandels.

Andererseits geht es um sicherheitspolitische Grundsätze: Für die Gegner sind moderne Kampfflugzeuge unnötig und überholt. Die Gsoa will keine neuen Kampfjets kaufen, ihrer Meinung nach lässt sich der Luftpolizeidienst mit den vorhandenen F/A-18 erledigen. SP und Grüne wären allenfalls bereit, für einen Bruchteil der Kosten zusätzlich ein Trainingsflugzeug zu kaufen, das einen Teil der Aufgaben übernehmen würde.

Der Bundesrat hatte Alternativen geprüft und verworfen. Er ist zum Schluss gekommen, dass Trainingsflugzeuge, Drohnen und Helikopter zu wenig hoch fliegen können und auch nicht die nötige Bewaffnung und Ausrüstung haben, um für den Luftpolizeidienst oder für die Luftverteidigung eingesetzt werden zu können.

SVP, CVP, FDP, GLP, BDP und EVP haben der Vorlage im Parlament zum Durchbruch verholfen und setzen sich nun auch im Abstimmungskampf dafür ein. SP und Grüne lehnen die Vorlage ab.

DARUM STIMME ICH JA

«Investitionen in die Souveränität»

Daniela Schneeberger, Nationalrätin FDP, Thürnen

Am 27. September fällt die Schweizer Stimmbevölkerung einen Grundsatzentscheid für unsere Sicherheit. Fakt ist, jedes souveräne Land besitzt eine eigene Luftwaffe. Die Welt ist leider nicht so sicher, dass wir auf diese verzichten können.

Wenn die Bevölkerung die Beschaffung für maximal 6 Milliarden ablehnt, hat die Schweiz ab 2030 keine Luftwaffe mehr und kann somit den Verfassungsauftrag der Armee nicht mehr erfüllen.

Mit dem Ersatz der veralteten Flotte, die seit 1978 und 1996 im Einsatz ist, können der Schutz der Bevölkerung wie auch die Unterstützung der Bodentruppen weiterhin gewährleistet werden.

Die Luftwaffe hat heute eine breite Aufgabenpalette zu erfüllen: Neben der Verteidigungsaufgabe im Ernstfall muss sie täglich Kontrollaufgaben und Hilfeleistungen abdecken – ist also eine Luftpolizei. Sie schützt Konferenzen und hilft Flugzeugen, die sich in einer Notlage befinden. Nur mit Kampfflugzeugen kann man in der Luft, vor Ort, Probleme identifizieren und den Piloten von Linien- und Charterflügen zur Seite stehen.

Immer wieder wird behauptet, man könne ja anstelle von Neuanschaffungen die alte F/A-18-Flotte länger in Betrieb halten. Fakt ist: Diese Flotte erreicht 2030 ihr Betriebsende, und sie länger zu behalten, würde den Staat mehr kosten als neue Flugzeuge. Die Beschaffung kann nicht verschoben werden.

Wichtig ist auch: Sowohl der Kauf als auch der Betrieb der neuen Flugzeuge werden durch das ordentliche Armeebudget finanziert. Es gibt weder Nachtrags- noch Spezialkredite. Weder die Bildung noch andere Bereiche erhalten durch die Beschaffung weniger Mittel.

Die Gegner der Beschaffung bringen immer wieder Scheinalternativen wie Trainingsflugzeuge, Helikopter oder Drohnen ins Spiel. Alle diese Scheinalternativen werden vom Departement für Verteidigung als unzureichend für die Aufgaben der Luftwaffe eingestuft. Ich bin keine Expertin, wie auch die anderen Politiker nicht. Ich vertraue den Experten im Departement.

Die Sicherheit in der Schweiz wird durch einen breiten Verbund gewährleistet: Ambulanz, Polizei, Feuerwehr und auch die Armee als Sicherheitsreserve auf dem Boden sowie Flugzeuge zum Schutz in der Luft. Alle Bestandteile dieser Kette brauchen die notwendigen Fähigkeiten und Mittel, um ihre Aufgaben meistern zu können. Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Ohne Sicherheit gibt es keinen Wohlstand für die Menschen in der Schweiz. Investitionen in die Sicherheit sind Investitionen in die Souveränität. Darum werde ich am 27. September der Beschaffung zustimmen. Sie ist eine Investition für die nächsten 30 bis 40 Jahre.

Daniela Schneeberger gehört dem Ja-Komitee zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge an.

DARUM STIMME ICH NEIN

«Ein friedliches Zeichen setzen»

Ueli Mäder, Soziologe

Der Bund will 30 bis 40 neue Kampfjets kaufen, um den Schweizer Luftraum zu schützen. Vier Kampfjets sollen rund um die Uhr in der Luft sein und je 3000 bis 5000 Liter Kerosin pro Stunde verbrauchen. Das ist umwelt- und friedenspolitisch unsinnig. Was uns Sicherheit gewährleisten soll, gefährdet sie.

6 Milliarden Franken kosten die neuen Kampfjets. Hinzu kommt laut Bund ein doppelt so hoher Betrag für den Unterhalt. Damit erhöhen sich die Ausgaben auf 18 Milliarden Franken. Das schwedische Modell, das auch die Schweiz erwogen hat, kommt sogar auf das Vierfache des Kaufpreises. 24 Milliarden Franken mögen realistisch sein. Niemand weiss das genau. Präzise Angaben fehlen. Sie liegen erst nach der Abstimmung vor. Bei so hohen Kosten wäre jedoch mehr Transparenz nötig.

Sicherheit ist uns allen wichtig. Aber wie lässt sie sich annähernd verwirklichen? Der Bund will das Budget der Armee und der Luftwaffe sukzessive erhöhen. Er folgt damit einem globalen Trend. Nach dem erfreulichen Aufbrechen der Berliner Mauer (1989) senkten selbst Grossmächte ihre Rüstungsausgaben. Inzwischen sind sie höher denn je. Fast alle Länder meinen, diesem Trend folgen zu müssen. Sie rüsten militärisch auf und wollen Probleme just mit jenen Mitteln lösen, die sie verursachen. Vorhandene Waffenarsenale können die Welt bereits mehrfach zerstören. Eine weitere Aufstockung wirkt kaum abschreckender. Sie verschlingt aber viel Geld und schiesst an realen Bedrohungen vorbei.

Soziale Ungleichheiten und Umweltschäden erzeugen gefährliche Spannungen. Sie schüren kriegerische Auseinandersetzungen und treiben zivile Opfer zur Flucht. Weil unser Überkonsum die Erde erwärmt und der Meeresspiegel steigt, müssen laut UNO bis zum Jahr 2030 rund 300 Millionen Menschen ihr Land verlassen. Das sind reale Herausforderungen. Wenn wir sie ernsthaft angehen, können wir uns und andere vor Unheil bewahren.

Wir alle profitieren täglich vom Import günstiger Rohstoffe wie Kaffee. Wir bezahlen dafür tendenziell immer weniger, im Verhältnis zum Erlös, den wir für unsere Exporte erzielen. Der unfaire Tausch verbessert unsere Handelsbilanz. Er beeinträchtigt aber die Lebensgrundlagen in benachteiligten Gebieten. Das fällt in absehbarer Zeit auf uns und kommende Generationen zurück. Kampfjets mögen dann unsere Privilegien verteidigen. Eine wirklich humanitäre Politik wäre hilfreicher.

Wir müssen den sozialen Ausgleich fördern und Sorge zur Umwelt tragen. Global und regional. Wenn wir uns dafür engagieren, kann die Schweiz auch bei internationalen Konflikten glaubwürdiger intervenieren. Wenn wir selbst abrüsten und keine Waffen ausführen, unterstützen wir zudem unsere eigene Souveränität. Teure Kampfjets suggerieren hingegen eine trügerische Sicherheit. Die Spirale der Aufrüstung führt nach unten. Wenn wir sie mutig durchbrechen und friedliche Zeichen setzen, schützen wir uns und andere besser.

Ueli Mäder, aufgewachsen in Sissach, ist emeritierter Soziologieprofessor der Universität Basel. Er ist Unterstützer des Komitees «Nein zu neuen Kampfjets».

Sechs Milliarden für neue Kampfjets

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