Er weiss fast alles über Jimi Hendrix
17.09.2020 Bezirk Liestal
Andreas Bitterlin
Herr Zeller, 500 Kilogramm wiegen Ihre Sammlungsstücke insgesamt gemäss Ihrer Schätzung – was gehört dazu?
Roland Zeller: Ich habe eine grosse Menge Vinyl-Langspielplatten und Merchandise-Artikel wie Tassen, ...
Andreas Bitterlin
Herr Zeller, 500 Kilogramm wiegen Ihre Sammlungsstücke insgesamt gemäss Ihrer Schätzung – was gehört dazu?
Roland Zeller: Ich habe eine grosse Menge Vinyl-Langspielplatten und Merchandise-Artikel wie Tassen, Feuerzeuge, T-Shirts, Bücher, CDs, DVDs – auch solche, die nicht von Hendrix sind, sondern von andern Künstlern aus seiner Zeit. Die LPs sind alle original in Zellophan verpackt und unbenutzt – und das werden sie auch bleiben, ich halte sie in Ehren.
Treiben Sie kommerziellen Handel mit Ihren gesammelten Gegenständen?
Weil diese Gegenstände heute online per Internet bezogen werden können, werden sie kaum mehr physisch irgendwo vor Ort gekauft. Ich habe es verpasst, rechtzeitig einen Onlinehandel aufzuziehen. Und das möchte ich als Pensionierter jetzt nicht mehr in Angriff nehmen.
Wie fanden Sie Zugang zu Jimi Hendrix?
1967 schlenderte ich durch den Liestaler Frühlingsmarkt und hörte von Weitem «Hey Joe», seine erste Single. Ich ging zum Plattenstand, um mich zu erkundigen, wer diesen Song spielt. Der Marktfahrer zeigte mir das Cover der Platte – eine wunderschöne Collage. Weil mich die Musik packte, kaufte ich die Single. Kurze Zeit später sah ich in den Medien eine Aufzeichnung seines Auftritts im Vorprogramm von Johnny Hallyday im Oktober 1966 im «Olympia» in Paris. Da ging sein Stern auf. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass er am selben Tag Geburtstag hat wie ich. Das hat mich fasziniert und hat meinen Zugang zu seiner Musik sicher gefördert. Seither bin ich Fan von Hendrix.
Wie äussert sich das?
1967 gründete ich zusammen mit zwölf eingefleischten Hendrix-Fans in Liestal den Jimi-Club (heute: «Jimi Hendrix Memorial Mgmt.») und bin seither, also seit 53 Jahren, dessen Präsident. Wir wahren das Andenken an den Musiker. Heute hat der Klub 2200 Mitglieder.
Sie haben Jimi Hendrix nie gesehen …
Heute denke ich, dass ich damals hätte in Kontakt treten müssen mit Jürg Marquart, dem sogenannten Mr. Pop, der Hendrix bei seinen Zürcher Konzerten am 30. und 31. Mai 1968 in der Stadt chauffierte – aber in meiner Jugend dachte ich nicht strategisch oder wirtschaftlich. Aber durch ihn wäre ich eventuell persönlich mit Jimi Hendrix in Kontakt gekommen.
Besitzen Sie exklusive Trouvaillen?
Ja. Ich besitze eine Originalunterschrift von Jimi Hendrix, die ich von seinem Bruder Leon erhalten habe, und eine Kopie des Obduktionsberichts, der nach Jimis Tod vom behandelnden Arzt verfasst wurde. Ich musste das Spital mehrfach sehr intensiv bitten, damit mir die Kopie ausgehändigt wurde.
Wie haben Sie seinen Bruder Leon kennengelernt?
Ich reise jährlich nach Seattle, wo Hendrix geboren und begraben ist. Ich besuche regelmässig sein Grab und halte mich jeweils auch in meinem Stammrestaurant auf. Dort erschien an einem Sonntagmorgen im Jahr 2008 Leon Hendrix, der jüngere Bruder von Jimi. Ich hatte nicht gewusst, dass er auch in diesem Restaurant verkehrt. Er lebt nicht in Seattle, sondern zusammen mit einer Ärztin in Hollywood, verkehrt aber häufig in Seattle. Ich habe ihn sofort erkannt an der Bar. Wir redeten lange miteinander und blieben in Kontakt. Er ist ebenfalls Hobby-Musiker und hat mich auch schon an eines seiner Konzerte eingeladen.
Verschiedene Medien kolportieren, dass Jimi Hendrix drogenabhängig war und an einer Überdosis Heroin gestorben sei. Bestätigt der Obduktionsbericht diese Behauptung?
Er hatte Drogen im Blut, aber nicht Heroin, sondern ein starkes Schlafmittel, und im Magen eine grosse Menge Rotwein. Beim Schlafmittel, was eben auch eine Droge ist, hätte eine Tablette zum Einschlafen gereicht, er nahm aber deren neun zu sich. Ein Teil davon hätte sogar einen Elefanten flachgelegt. Hendrix starb durch Ersticken an seinem Erbrochenen.
Was beeindruckt Sie an der Person Jimi Hendrix?
Mich beeindruckt, dass er offensichtlich ein sehr anständiger Typ war, der mit beiden Beinen auf dem Boden stand, wie mir sein Bruder Leon mehrmals versichert hat. Was mich auch verbindet mit ihm, ist, dass er wie ich Wert auf schöne Kleider legte. Ich erhielt von seinem Bruder Leon Fotos, auf denen Jimi mit Anzug und Krawatte abgebildet ist. Oft aber ist er auch privat so aufgetreten wie auf der Bühne – also als Paradiesvogel, häufig mit einer Militärjacke.
Was bedeutet Jimi Hendrix musikalisch?
Ich stelle die Behauptung auf, dass er bis heute unerreicht ist. Seine Songs sind 30, 40, 50 Jahre alt, und vor Kurzem sind noch unbekannte Aufnahmen veröffentlicht worden. Auf den Markt kamen ursprünglich fünf LPs, vier zu Lebzeiten, eine nach seinem Tod. Hendrix hat viele Musiker beeinflusst, etwa Eric Clapton oder Lenny Kravitz. Er ist heute noch die Nummer 1 im Ranking der weltbesten Gitarristen in den Umfragen des «Rolling Stones»-Magazins.
Jimi Hendrix zerstörte nach Konzerten jeweils seine Gitarren. Warum?
Ich glaube an die These von Keith Altham, einem Tournee-Journalisten, der Jimi zwei Tage vor seinem Tod noch interviewt hat. Am Monterey Popfestival zündete er 1967 seine Gitarre an. Altham sagte aus, das Management habe das so gewollt, weil er nur eine Gitarre auf der Bühne hatte. Und weil er das Equipment nicht wechseln konnte für die Zugabe, habe er die Gitarre zerstört – also effektiv, um eine Zugabe zu verhindern. Danach hatte er immer mehrere Gitarren im Einsatz. Vermutlich erhielt er später Order vom Management, die Konzerte spektakulär abzuschliessen. Wahrscheinlich liess er sich von der Gruppe «The Who» inspirieren, die jeweils das Schlagzeug zerstörte.
Wer hat die Rechte an den Hendrix-Songs?
1994 wurde die «Experience Hendrix» unter der Leitung von Vater Hendrix und Jimis Stiefschwester Janie gegründet, welche die Rechte an der Vermarktung des musikalischen Erbes von Jimi erhielten.
Der Bruder, Leon, ging leer aus?
Bei den Rechten wurde er ausgebootet und enterbt vom Vater James Allen auf Drängen der Stiefschwester Janie mit der Begründung, Leon sei spiel- und alkoholsüchtig. Das Einzige, was Leon erhielt, war eine Fender-Gitarre seines Bruders. Die ist natürlich Gold wert. Vor Kurzem wurde eine Hendrix-Gitarre in New York für umgerechnet 300 000 Franken versteigert. Aber Leon lebt gut mit der Rente der Boeing-Werke, bei denen er jahrelang gearbeitet hat.
Wer hat das finanzielle Vermögen von Jimi Hendrix geerbt?
Hendrix hinterliess nach seinem Tod nur rund 2000 Britische Pfund auf seinem Bankkonto plus das Spaziermünz in seiner Tasche. Warum? Rund 300 000 Pfund wurden vom Management für die Restzahlung des Ende August neu eröffneten «Electric Lady Studios» in New York von seinem Konto entnommen und verwendet. Der Bau dieses Studios kostete über 1 Million US-Dollar. Dieses Studio «A Vision of Jimi Hendrix» existiert heute noch und wird von namhaften Bands gebucht. Am Tag vor seinem Tod rief Hendrix auf den Anrufbeantworter des Managements an und flehte Michael Jeffreys an: «I need help bad man», also er brauche Hilfe. Vermutlich hatte er entdeckt, dass viel Geld von seinem Konto abgebucht worden war. Allein um seine Ausgaben zu decken, benötigte Jimi Hendrix durchschnittlich rund 300 000 US-Dollar pro Jahr. Die Marke «Hendrix» hat heute einen Gesamtwert von über 1 Milliarde Franken. Diese Informationen habe ich als Gründer/ Botschafter und Präsident von «Jimi Hendrix Memorial Mgmt. Switzerland» nach langjähriger aufwendiger Recherche gewonnen. Das ist also von mir nicht frei erfunden.
Wie haben Sie den Vater von Jimi Hendrix kennengelernt?
Ich habe ihn angerufen – er hat mich abblitzen lassen, weil er sehr beschäftigt sei. Am nächsten Tag rief ich erneut an mit der Frage, ob er mich empfange. Und er war am Telefon ein anderer Mensch als am Vortag: Ich sei willkommen. Er wohnte auf dem Hügel Skyway in Seattle in einem wunderschönen Haus: allein, da er sich verkracht hatte mit seiner zweiten Frau. Wir haben zweieinhalb Stunden zusammen in der Stube gesprochen bei einem Kaffee.
Worüber haben Sie gesprochen?
Er erzählte mir, dass vor Kurzem in sein Haus eingebrochen wurde. Gestohlen wurde die Kaffeemaschine, der Fernseher, ein Staubsauger. Aber die Einbrecher schienen nicht gewusst zu haben, bei wem sie eingedrungen sind: Die Gold- und Platinplatten sowie wertvolle Fotos an der Wand liessen sie hängen. Al zeigte mir das Zimmer von Jimi, wo er auch als Erwachsener immer wieder wohnte, wenn er in Seattle war.
War dies der einzige Kontakt mit ihm?
1997 habe ich ihn ein zweites Mal besucht. Ich schenkte ihm ein Schweizer Sackmesser und er übergab mir einen Ring, den Jimi in Woodstock getragen hatte und den ich seither in Ehren halte.