Einigung nach 20-jährigem Streit
17.09.2020 Hemmiken
Thomas Immoos
Beide Seiten zeigten einen langen Atem. Erstmals zu reden gab die Angelegenheit vor rund 20 Jahren. Damals äusserte der Landwirt Alfred Suter, dessen Hof direkt unter der Deponie Wischberg in Hemmiken liegt, die Befürchtung, Schadstoffe könnten ...
Thomas Immoos
Beide Seiten zeigten einen langen Atem. Erstmals zu reden gab die Angelegenheit vor rund 20 Jahren. Damals äusserte der Landwirt Alfred Suter, dessen Hof direkt unter der Deponie Wischberg in Hemmiken liegt, die Befürchtung, Schadstoffe könnten auf sein Land gelangen. Diese Frage war allerdings nicht mehr Gegenstand der gestrigen Verhandlung vor dem Kantonsgericht. Nun ging es darum, dass Suter befürchtet, dass nach schweren Regenfällen der – aus seiner Sicht – unruhige Hang ins Rutschen kommen und seinen Hof gefährden könnte. Das Gericht, unter der Leitung von Daniel Ivanov, sowie die Parteien mit ihren Rechtsvertretern, nahm gestern Vormittag auf dem Gelände einen ausführlichen Augenschein vor.
Das Ganze ist komplex: Landeigentümerin des Waldes samt der stillgelegten Deponie ist die Bürgergemeinde, zuständig ist die Gemeinde; und in Sachen Wald und Deponie ist der Kanton verantwortlich. In der Deponie wurde seit 1977 Bauschutt abgelagert, zum Teil ohne die entsprechende Bewilligung. Der Maiberg-Landwirt Alfred Suter stellte 2007 fest, dass sich das Gelände unterhalb der Grube in Richtung seines Hofs bewege. Daraufhin entschied das Kantonsgericht, Fragen um eine allfällige Überfüllung der knapp 1800 Quadratmeter grossen Deponie seien zu klären. Der Fall gelangte 2001 sogar ans Bundesgericht, das entschied, dass Kanton und Gemeinde handeln sollten. In der Folge einigte man sich auf Sondierbohrungen, die ein spezialisiertes Ingenieurbüro vornahm. Dieses kam 2016 zum Schluss, der Hang sei ruhig und bewege sich, wenn überhaupt, höchstens einen Millimeter pro Jahr.
Deponie ist dicht und stabil
Alfred Suter zweifelte diesen Expertenbericht an. Besonders nach starken und anhaltenden Regenfällen sei das Gelände instabil und gerate ins Rutschen. Vor Ort führte gestern der Geotechniker Jürg Nyfeler hingegen aus, dass der Untergrund der Deponie aus Opalinuston bestehe und sehr dicht sei. Darüber lägen kalkhaltige Doggerschichten, die durchlässig seien. Bei Regenfällen fliesse das Wasser gut ab. Die Verfüllung mit Deponieschutt sei gut verdichtet und stabil.
Für Alfred Suter geht aber die Gefahr von Wasser aus, das nicht versickert und den Hang ins Rutschen bringe. Deshalb sei auf einer Länge von 150 Metern eine Drainage zu erstellen. Vor Jahren schon habe er sich bereit erklärt, diese selber zu bauen, sofern die Gemeinde ihm die Materialkosten und Baggermiete bezahle. Für seine Arbeit verzichte er auf eine Entschädigung. Dazu sei er nach wie vor bereit.
Im Gerichtssaal in Liestal fragte Gerichtspräsident Ivanov, ob die Gemeinde bereit sei, diese Kosten zu übernehmen und damit dem langjährigen Rechtsstreit ein Ende zu setzen. Der Anwalt der Gemeinde wies im Namen des Gemeindepräsidenten Alfred Sutter (fast ein Namensvetter des Klägers) darauf hin, dass man Hand zu einer Lösung bieten wolle. Allerdings dürften daraus keine präjudiziellen Zusagen und auch «keine Anerkennung einer Rechtspflicht in irgendeiner Form» erfolgen. Auch verwies er darauf, dass zuerst der Gemeinderat (als Ganzes) sowie die Bürgergemeinde zustimmen müssten.
In der Folge gab es ein längeres Hin und Her zwischen den Parteien, inwieweit sich dieser Verzicht auf allfällige andere Verfahren auswirke. Der Anwalt des Klägers äusserte die Befürchtung, er und sein Mandant dürften künftig in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr über die Einigung und den jahrelangen Rechtsstreit reden. Der Gemeinde hingegen geht es in erster Linie darum, dass die Einigung nicht als Eingeständnis gewertete werde, in dieser Sache Fehler gemacht zu haben.
In diesem Sinne präzisierte der Gerichtspräsident den Vergleich. Demnach verpflichten sich die Parteien, sich in künftigen Verfahren diese Anerkennung nicht gegenseitig vorzuhalten. Der Kläger dürfe also durchaus sagen, dass man eine Einigung mit der Gemeinde erzielt habe. Aber er dürfe nicht sagen: «Die Gemeinde hat einen Fehler gemacht.» Umgekehrt dürfe die Gemeinde dem Kläger keine Schuld zuweisen.
Nun kam es zu einer Einigung – vorbehältlich der Zustimmung des Gemeinde- und des Bürgerrats von Hemmiken bis zum 14. Oktober. Dann darf Alfred Suter die Drainage mit einem Kostendach von 10 000 Franken bauen. Die Gerichtskosten übernimmt der Kanton und die Parteikosten werden wettgeschlagen.