Donnergrollen nach SBB-Blitzentscheid
10.09.2020 BaselbietTemporäre S9-Einstellung beschäftigt Parlamente
Der Entscheid der SBB, das «Läufelfingerli» wegen Lokführermangels während dreier Monate nur noch sehr reduziert fahren zu lassen, sorgt für ein Nachspiel im Nationalrat und im Landrat.
David Thommen
Seit ...
Temporäre S9-Einstellung beschäftigt Parlamente
Der Entscheid der SBB, das «Läufelfingerli» wegen Lokführermangels während dreier Monate nur noch sehr reduziert fahren zu lassen, sorgt für ein Nachspiel im Nationalrat und im Landrat.
David Thommen
Seit Montag fährt das «Läufelfingerli» nur noch äusserst reduziert zwischen Sissach und Olten. Der Grossteil der Kurse wird durch Busse ersetzt. Die SBB hatten am 26. August überraschend bekannt gegeben, dass der Schienenbetrieb der S9 wegen Lokführermangels vom 7. September bis 12. Dezember so gut wie eingestellt wird.
Im Baselbieter Parlament hatte dieser umstrittene Entscheid bereits für eine erste Eruption gesorgt. Landrätinnen und Landräte äusserten postwendend ihren Unmut, auch Baudirektor Isaac Reber kritisierte die SBB scharf.
Nun geht das Donnergrollen im Nationalrat weiter: Nationalrätin Daniela Schneeberger hat soeben eine Interpellation eingereicht. In ihren sieben Fragen an den Bundesrat bringt die Freisinnige unverhohlene Kritik an den SBB zum Ausdruck und äussert die Befürchtung, dass der Unterbruch zu einem Trendbruch bei den zuletzt steigenden S9-Passagierzahlen führen könnte. Zudem stellt sie die Frage danach, wie es sein könne, dass die SBB einseitig und gegen den Willen des Kantons Baselland eine vereinbarte Bestellung so kurzfristig abändere. Unterzeichnet wurde die Interpellation von allen sieben Baselbieter Nationalrätinnen und Nationalräten.
Auch SP-Nationalrätin Samira Marti hält mit Kritik nicht hinter dem Berg. Sie hat drei Fragen eingereicht, die am kommenden Montag vom Bundesrat in der Fragestunde des Nationalrats beantwortet werden sollen. Marti schreibt von einer «grossen Verärgerung der Baselbieterinnen und Baselbieter», die der SBB-Entscheid verursacht habe. Sie weist unter anderem darauf hin, dass sich die Fahrzeit von Sissach nach Olten durch das Homburgertal von 22 auf 46 Minuten mehr als verdopple, und erkundigt sich nach der finanziellen Entschädigung für den Kanton Baselland. Sodann doppelt Marti mit gleich zwei Interpellationen nach und fragt: «Wird die Region Basel von den SBB im Stich gelassen?» Auch die grüne Nationalrätin Florence Brenzikofer hatte längst via Twitter angekündigt, den Bundesrat mit den Schwierigkeiten der SBB bei der Lokführerausbildung konfrontieren zu wollen. Gestern nun hat sie ihre Fragen zuhanden der Fragestunde vom Montag eingereicht.
Hart geht der grüne Landrat Peter Hartmann (Muttenz) mit den SBB ins Gericht: Er hat einen parlamentarischen Vorstoss angekündigt, mit dem der Baselbieter Regierungsrat aufgefordert werden soll, nichts weniger als die rasche öffentliche Neuausschreibung des S9-Betriebs zu prüfen. Da die SBB mangels personeller Ressourcen ihren Leistungsauftrag offensichtlich nicht erfüllen könnten, müsse geklärt werden, ob andere Anbieter im Bereich des öffentlichen Verkehrs besser für den Betrieb der Linie geeignet sein könnten. Zudem sollen auch Überlegungen angestellt werden, «ob eine gleichzeitige Ausschreibung der Linien S1 und S3 möglich und zielführend wäre». Hartmann hatte bereits Ende August im Landrat gefragt: «Wäre es denkbar, dass die BLS oder die BLT die S9 betreiben?» Wie die «bz» gestern schrieb, ist die Konzession für den Betrieb der Linie allerdings sehr langfristig – bis Dezember 2029 – an die SBB vergeben.
Weitere Vorstösse in den Parlamenten wären nicht überraschend. Das Baselbieter Stimmvolk hatte Ende 2017 die Umstellung des «Läufelfingerlis» auf Busse an der Urne klar verworfen und die «Bedeutung der S9 damit unterstrichen», wie Daniela Schneeberger in ihrer Interpellation festhält.