«Wir fühlen uns im Stich gelassen»
11.09.2020 Baselbiet, Bretzwil, Wirtschaft, Bezirk WaldenburgDas Event-Unternehmen Spectrum GmbH leidet unter Corona
Die wirtschaftlichen Zeiten sind für Patrick Kölliker und den Veranstaltungsdienstleister Spectrum in Bretzwil wegen Corona schwierig. Die Aufträge fehlen weitgehend, aber Aufgeben kommt nicht infrage. Kölliker hofft auf Hilfe von ...
Das Event-Unternehmen Spectrum GmbH leidet unter Corona
Die wirtschaftlichen Zeiten sind für Patrick Kölliker und den Veranstaltungsdienstleister Spectrum in Bretzwil wegen Corona schwierig. Die Aufträge fehlen weitgehend, aber Aufgeben kommt nicht infrage. Kölliker hofft auf Hilfe von Kanton und Bund.
André Frauchiger
Auf der Strasse von Reigoldswil her fällt es eingangs Bretzwil auf der linken Seite sofort auf: Das orangefarbene Logo der Firma Spectrum GmbH. Das von Patrick Kölliker 1990 gegründete Unternehmen beansprucht einen Grossteil der dortigen Lagerhallen. Patrick Kölliker ist heute einer von drei Gesellschaftern, denen Spectrum gehört – die beiden anderen Mitinhaber zeichnen für den zweiten Firmenstandort in Rapperswil-Jona verantwortlich. Diese Zweigstelle gehört erst seit Anfang dieses Jahres zum Unternehmen, der Hauptsitz ist in Bretzwil.
Der 50-jährige, sehr sportlich wirkende Kölliker hat sein Unternehmen von Grund auf aufgebaut. Als gelernter Elektromechaniker hat er als Nebenbeschäftigung jahrelang Veranstaltungen organisiert und die entsprechende Infrastruktur bereitgestellt – von der Disco bis zum Musikfest. 1990 wagte er dann den Sprung ins Unternehmertum und gründete die Spectrum GmbH. Seither bietet er seine Dienste in den Bereichen Ton, Licht, Messe- und Dekobau an. «Komplette Bühnen mit Licht und Beschallung für ein Open-Air-Konzert, Präsentationsinfrastruktur für eine Jahresversammlung oder ein attraktiver Messestand», so propagiert das Unternehmen in seiner Broschüre die Dienstleistungen. Und: «Spectrum ist ideenreich, erfahren und effizient.»
Gute Aussichten Anfang Jahr
Sachlich und ruhig erzählt Kölliker, welche Turbulenzen sein Unternehmen, wie viele andere in der Eventbranche, in den vergangenen sechs Monaten erlebt hat. Die Tatsache, dass Spectrum «kein 08/15-Messebauer» sei, sondern hochspezialisiert unter anderem auch im 3D-Bereich, habe die Umsätze in den vergangenen Jahren immer höher werden lassen. Anfang dieses Jahres habe die Firma über volle Auftragsbücher für das Jahr 2020 verfügt. Zum grossen Kundenstamm zählten und zählen zum Beispiel Möbel Pfister, die Basellandschaftliche Kantonalbank, aber auch Baselbieter Gemeinden mit Dorffesten und Vereine mit spezifischen Anlässen. Viel zu tun gab es dabei speziell im Oberbaselbiet, also im näheren Einzugsgebiet.
Bis zu 15 Personen wurden durch Spectrum beschäftigt, vier in einer Vollzeitstelle, die übrigen mit einem Pensum von 50 bis 70 Prozent. Dazu kommen viele Freiberufler, die für bestimmte Projekte beigezogen wurden. Der Materialaufwand für Messestände und Elektronik, für Licht und Ton war gewaltig: Es gab jährlich bis zu 70 Grosstransporte mit Sattelschleppern an die Orte des Geschehens. Kurzum: In den vergangenen drei Jahren florierte der Event-Bereich, wie Patrick Kölliker erzählt.
Bruch am 28. Februar
Doch dann kam der Bruch. Am 28. Februar entschied der Bundesrat, Grossveranstaltungen als Massnahme gegen die Verbreitung von Corona zu verbieten. An diesem Tag war Spectrum gerade beim Bau eines Messestands in Zürich. Die Konsequenz: Sofortiger Baustopp, zwei Tage später Abräumen ohne Entschädigung. Die Aufträge blieben ab sofort fast vollständig aus. Absagen von Kunden folgten – mit grossem Bedauern, aber eben: Absagen. Patrick Kölliker ist sich bewusst, dass der Bundesrat, die Kantone und Organisatoren von Anlässen vor dem Hintergrund des gefährlichen Coronavirus keine andere Wahl hatten, als so zu reagieren. Aber es wurde wirtschaftlich sehr schnell sehr schwierig: Umsatz und Ertrag fielen weitgehend aus. Veranstalter sagten laufend ab, verständlicherweise wollte niemand das Risiko einer Ausbreitung der Pandemie eingehen und dafür die Verantwortung tragen.
Die Folge: Patrick Kölliker stellte rechtzeitig Antrag auf Kurzarbeit, besetzte eine vorgesehene neue Stelle nicht und sprach eine Kündigung aus. Seit April sind seine Mitarbeitenden in Kurzarbeit. Die Spectrum GmbH hat rund zwei Drittel ihres Gesamtumsatzes verloren. Kölliker schätzt, dass bis Ende dieses Jahres drei Viertel des Umsatzes weg sein könnten. Mit einem neuen Konzept wird nun versucht, bei Kleinveranstaltungen vermehrt Fuss zu fassen. Doch das sei nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein, sagt Kölliker.
Glück hatte Spectrum mit dem Vermieter der Lagerhallen. Denn dieser erliess einen Drittel der Miete. Das Unternehmen erhielt auch einen Covid-Kredit, aber dieser, so Kölliker, müsse ja zurückbezahlt werden. Die Unsicherheit, wie lange diese Situation noch andauere, sei für einen Unternehmer nur schwer zu ertragen, erklärt der Geschäftsführer. Als Inhaber erhalte er auch keine Kurzarbeitsentschädigungen, obwohl er 100 Prozent an Sozialleistungen zu erbringen habe. Dies könne er nicht verstehen.
«Berufsverbot» als Problem
Bei allem Verständnis für den Bundesrat und die Kantonsregierungen zugunsten des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung vor dem Coronavirus ist Patrick Kölliker, wie auch weite Teile seiner Branche, der dezidierten Auffassung, dass die Behörden ihm ein «Berufsverbot» auferlegt hätten. Er dürfe nicht arbeiten. Seine schwierige Situation sei deshalb völlig unverschuldet. Vor diesem Hintergrund müsse die öffentliche Hand finanziell für die Branche und damit auch für sein Unternehmen einstehen, mit weiteren Entschädigungszahlungen. Kölliker: «Wir fühlen uns im Moment im Stich gelassen.»
Das Thema ist hochaktuell: An einem runden Tisch mit Politikerinnen und Politikern suchen die Branchenvertreter zurzeit mit der Politik Mittel und Wege für eine allseits tragbare finanzielle Lösung für die betroffenen Unternehmen. In der Herbstsession sollen sowohl im National- als auch im Ständerat entsprechende Vorstösse für eine längerfristige Unterstützung betroffener Unternehmen eingereicht werden. Verlangt wird dabei eine Milderung der wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen im Event- und Reisebürobereich. Das letzte Wort dürfte noch nicht gesprochen sein. Kölliker jedenfalls ist fest entschlossen: «Ich gebe nicht auf.»