Wann ist laut viel zu laut?
20.08.2020 RegionTrimbach | Töfffahrer wehren sich gegen strenge Lärmvorschriften
Motorradfahrer mit zu lauten Maschinen wecken den Unmut von Bevölkerung und Politik. Gefordert werden strenge Lärmvorschriften. Wenig überraschend lehnen viele Motorradfahrer ...
Trimbach | Töfffahrer wehren sich gegen strenge Lärmvorschriften
Motorradfahrer mit zu lauten Maschinen wecken den Unmut von Bevölkerung und Politik. Gefordert werden strenge Lärmvorschriften. Wenig überraschend lehnen viele Motorradfahrer neue Regeln ab, wie unsere Umfrage am Töfftreff in Trimbach zeigt.
chr./vs./sda. Es machte den Anschein, als suchten während des Lockdowns besonders viele Töfffahrer die grosse Freiheit auf den Schweizer Strassen. Anwohner von Motorrad-Routen zeigen sich genervt über den unverhältnismässigen Lärm, den die schweren Maschinen zum Teil verursachen.
Jetzt geht unter vielen Töfffans die Angst vor strengeren Lärmvorschriften um. Für Unmut sorgen in ihren Kreisen insbesondere zwei parlamentarische Initiativen, die Nationalrätin Gabriela Suter (SP, AG) in der Juni-Session eingereicht hat. Zum einen verlangt sie gesetzliche Grundlagen für den Einsatz für Lärmradargeräte. Zum anderen fordert sie ein Fahrverbot für Motorräder mit einem Standpegel von über 95 Dezibel Motorengeräusch.
Rund 250 Töfffahrer haben sich kürzlich mit ihren Maschinen auf dem Gotthardpass versammelt, um gegen drohende neue Lärmvorschriften zu demonstrieren. Die Kundgebung richtete sich indessen auch gegen die Töfffahrer, die rücksichtslos laut unterwegs sind.
Bernd Hanisch, Präsident der Schweizer Motorradgemeinschaft «Fighter Friends», hatte die Versammlung organisiert. «Bei einer Lärmgrenze von 95 Dezibel Standgeräusch dürften viele zugelassene Motorräder nicht mehr gefahren werden», sagte er. Dies komme einer Enteignung gleich. Er kritisierte, dass der Grenzwert nicht aussagekräftig sei für den tatsächlichen Lärm, den ein Motorrad bei Tempo 50 und mit tiefer Drehzahl während der Durchfahrt durch ein Dorf erzeuge. Es seien vor allem «schwarze Schafe», die für Diskussionen sorgten.
Es wäre besser, die «Deppen», die in Dörfern die Motoren aufheulen liessen, gezielt anzugehen, sagte ein älterer Teilnehmer der Demonstration. Dies gelte aber nicht nur für die Motorrad-, sondern auch für die Autofahrer. Tatsächlich hat die Polizei zuletzt damit begonnen, sogenannte «Autoposer», die mit ihren «getunten» und lauten Boliden unterwegs sind, aus dem Verkehr zu ziehen. Die Motorradfahrer verlangen laut Hanisch insgesamt einen «vernünftigen Umgang statt Verbote». Es brauche realistische Lärmobergrenzen für alle Verbrennungsmotoren.
Motorradfahrer hatten bereits am 1. August auf dem Bundesplatz in Bern protestieren wollen. Dies war ihnen aber nicht erlaubt worden. In Deutschland sind strenge Lärmvorschriften derzeit in Diskussion, Österreich hat bereits gehandelt und sperrt im Tirol beliebte Strecken für zu laute Vehikel.
Zu reden geben die drohenden neuen Lärmvorschriften auch in unserer Region. Die «Volksstimme» hat sich am Töfftreff beim «Isebähnli» in Trimbach umgehört. Seit Jahrzehnten versammeln sich dort am Fuss des Hauensteins jeweils donnerstags viele Motorradfans. Wir haben einige davon befragt.
Die Atmosphäre hat sich gewandelt
Vor gut 25 Jahren war unser Reporter schon einmal für einen Zeitungsbericht im «Isebähnli» in Trimbach, wo sich jeweils am Donnerstag viele Motorradfahrer treffen. Er vergleicht mit heute:
Die meist jungen Fahrer lieferten sich damals Rennen auf der Hauensteinstrecke. Es wurden «Donuts» – also kreisrunde Pneuspuren – in den warmen Asphalt gebrannt. Es roch nach Benzin und verbranntem Gummi. Die Atmosphäre: unglaublich.
Am Strassenrand auf den Feldern hatte es viele Schaulustige. Auf Campingstühlen und mit Kühlboxen für das Bier wurde das Treiben der «Wilden» in den Kurven kommentiert. Zirkus eben. Und die meisten der Teilnehmer waren nie ohne Bier und einen Joint unterwegs. Man feierte sich gegenseitig.
Heute ist es akustisch nicht leiser und dennoch irgendwie ruhiger geworden. Aber immer noch das gleiche Bild. Der grosse Parkplatz ist umzäunt. Ein Security weist die Biker ein und stoppt die Autofahrer. Das Restaurant «Isebähnli» ist schon um 18 Uhr rappelvoll. Daneben steht ein Zelt, wo eine Liveband Lieder von Gölä spielt.
Am anderen Ende des Parkplatzes befinden sich ein Getränkestand und ein Anbieter von Bratwürsten. Aus den Boxen dröhnt Techno, aber auch Toto und weitere Oldies. Ich habe mir sagen lassen, die Bratwürste seien die besten weit und breit. Und was auffällt: Die Klientel und Liebhaber des edlen Gefährts sind älter geworden. Graumeliert und in der Regel über 40 Jahre alt. Die Maschinen sind alle herausgeputzt.
Nein, gebolzt wird auf der Strecke nicht mehr. Dafür das beste Stück präsentiert. Es wird gefachsimpelt, diskutiert und analysiert. Man redet über Raritäten und natürlich auch über PS. Ja, es sind stolze Besitzer. Und dann machen sie es sich gemütlich. Mit Kaffee, Wasser oder einer Cola. Natürlich auch mit der legendären Bratwurst. Ein ungewohntes Bild der «harten Jungs».Hart sehen sie aus, aber Korrektheit scheint ihnen am Herzen zu liegen.
Christian Roth