Lockdown – eine Zeit zum Ausmisten
04.08.2020 Baselbiet, WirtschaftErwartete Warenflut in Brockenstuben ist ausgeblieben – teilweise
Viele haben in der Coronakrise den nicht mehr erwünschten Gegenständen auf Estrichen, in Garagen oder Kellern den Aufräumkampf angesagt. Die von den Brockenstuben erwartete Warenflut ist aber nicht über alle «Brockis» ...
Erwartete Warenflut in Brockenstuben ist ausgeblieben – teilweise
Viele haben in der Coronakrise den nicht mehr erwünschten Gegenständen auf Estrichen, in Garagen oder Kellern den Aufräumkampf angesagt. Die von den Brockenstuben erwartete Warenflut ist aber nicht über alle «Brockis» in der Region geschwappt.
Sander van Riemsdijk
Es ist noch nicht so lange her, dass man sich bei einer Fahrt oder einem Spaziergang durch Quartierstrassen gelegentlich in einer Freiluft-Brockenstube wähnte. Zum Teil wurden sogar bunte Marktbuden aufgestellt, um Gläser, Tassen, Geschirr, Besteck und nicht mehr verwendete Kinder- und Spielsachen gratis an Passanten abzugeben. Manchen Strassenzug umwehte so ein Hauch von «Alice im Brockenstubenland».
Mitten in der Coronakrise hiess die eindringliche Botschaft an die Bevölkerung «Bleiben Sie zu Hause». Diesen ernsten Aufruf befolgend, entschied sich so manch einer das anzupacken, was sonst gerne aufgeschoben wird: den Estrich oder Keller aufzuräumen. Die Brockenstuben sahen sich durch diese Entwicklung in ihrer Kernkompetenz als Hausräumer herausgefordert. Sie rechneten mit steigenden Anfragen für Räumungen und nach der Krise mit einem Ansturm von Waren jeglicher Grösse und Qualität. Dies traf dann jedoch nicht bei allen zu.
Mit Warenabgaben überladen
Geht man die Treppe hoch zur Brockenstube «Bubendorf», trifft man vor dem Eingang auf eine fast schon schläfrige Ruhe – ein Eindruck, der nicht täuscht. Inhaber Bagci Cafer beschwert sich: «Schlimm war die Zeit während Corona, als ich schliessen musste, und jetzt ist es auch nicht viel besser. Kaum Käufer in meiner Bude und die Hausräumungen finden auch nicht mehr statt.» Er schätzt seine Käuferschaft auf täglich zwei bis drei Personen.
Mustafa Yildiz, Inhaber von «Lotty’s Brockenstube» in Hölstein, hat mit dem Fehlen der Hausräumungen in der epidemischen Zeit die gleichen Erfahrungen gemacht. Jedoch wurde er, als er den Laden nach zehn Wochen wieder öffnete, von seiner Kundschaft geradezu überrannt: «Es ging schon am ersten Tag richtig los. Jedoch wurden keine Waren geliefert, die Menschen wollten nur kaufen.» Auch heute, einige Wochen nach der Wiedereröffnung des Ladens, bekommt er keinen Anruf für Hausräumungen und es werden ihm kaum Waren angeboten. Dies erstaunt auf den ersten Blick – wie lässt es sich erklären?
Sowohl Cafer als auch Yildiz haben zu den Hausräumungen die gleiche Hypothese: «Die Menschen haben wegen des Virus Angst und lassen niemanden zu sich ins Haus.» Warum jetzt, wo der Laden wieder geöffnet ist, fast keine Waren angeliefert werden, können sich beide Inhaber nicht erklären. Viele der Waren könnten jedoch durch die «Hausbrockis» bereits den Besitzer gewechselt haben.
Bei Marianne Meiler, Leiterin der Brockenstube des Frauenvereins in Gelterkinden, tönt es etwas anders: «Uns sind während der Coronazeit, da wir geschlossen hatten, telefonisch immer wieder Waren angeboten worden, wenn auch in geringerem Masse als gewohnt.» Die Brockenstube öffnet nach den Schulferien wieder ihre Türen. Meiler rechnet nach den vielen Rückmeldungen aus dem Dorf mit einer Flut von Waren. «Man merkt klar, dass die Leute aufgeräumt haben.» Dies bestätigt Daniel Löffel, Inhaber der Brockenstube Nikodemus in Sissach. «Schon während der Krise hatten wir Anfragen für Hausräumungen. Direkt nach dem Ende des Lockdowns wurden uns dann sehr viele Waren zugeliefert, jetzt hat sich dies auf die Zeit vor Corona eingependelt.»
Brockenhäuser als kultische Nostalgiestuben vermitteln gerne ein Gefühl von Gemütlichkeit und Wohlbefinden. Sie sind seit Jahren wichtige Abnehmer von Alltäglichem und Kuriosem aus zweiter Hand, während und nach der Coronakrise jedoch regional mit unterschiedlicher Ausprägung.