HERZBLUT
04.08.2020 GesellschaftStammtisch zum Zmittag
Mittagessen in meinem Arbeitsalltag ist so eine Sache. An intensiven Tagen ist die Zeit dafür knapp und die Zusammenstellung des Menüs daher eher dürftig: irgendetwas aus dem Grossverteiler, das man halt so isst zum Zmittag. Brot mit ...
Stammtisch zum Zmittag
Mittagessen in meinem Arbeitsalltag ist so eine Sache. An intensiven Tagen ist die Zeit dafür knapp und die Zusammenstellung des Menüs daher eher dürftig: irgendetwas aus dem Grossverteiler, das man halt so isst zum Zmittag. Brot mit Fleisch oder Käse, Salat mit Fertigsauce oder ein Mikrowellen-Gericht, dessen Gout man noch den ganzen Nachmittag im Mund hat und das schwer aufliegt.
Letzhin hatte ich einfach keinen Bock auf eines der oben beschriebenen Menüs. Also entschied ich mich kurzerhand – trotz wenig Zeit – «auswärts» essen zu gehen. Da für mich eine gute Pizza immer geht, habe ich mich beim mir vertrauten Kurier gemeldet und meine Pizza zum Essen im Bistro vorbestellt. Als ich wenige Minuten später eintraf, konnte ich mich nur noch an einen Tisch setzen und schon hatte ich meine Pizza vor mir.
Ein herrliches Gefühl machte sich in mir breit: Ein sonniger Sommertag, ein ruhiges Tischchen für mich alleine und eine Pizza vor mir, die mir das Wasser im Mund zusammenlaufen liess: Sardellen, Chili und Knoblauch. Salzig und scharf. Einfach gut – es fehlte nur noch ein Glas Rotwein. Doch das wäre für ein Mittagessen an einem gewöhnlichen Werktag etwas zu viel des Guten gewesen. Natürlich erst recht, weil noch ein arbeitsreicher Nachmittag bevorstand.
Ich genoss also meine Pizza und ein paar Minuten voller Ruhe, genauso wie die Gäste an den beiden Tischen am anderen Eck der Gartenbeiz. Ich war schon mit dem Essen fertig und wollte wieder los, als es in meinem Rücken plötzlich laut wurde. Es hatte sich ein Herr, der über sehr vieles Bescheid zu wissen schien, an den einen Tisch dazugesellt.
Und all das musste er lauthals loswerden. Da war zuerst der Ärger über einen Handwerker, der seinen Auftrag nicht zu vollster Zufriedenheit erledigt hatte: «Ich habe ihm noch gesagt, er soll das Ding anschrauben und nicht nur kleben. Aber er hat ja nicht hören wollen.» Sein Tischnachbar pflichtete ihm bei: «Das sind eben die Handwerker von heute. Am besten machst du alles selber.»
Da kommt aber eine geballte Ladung Frust zusammen, dachte ich mir. Und es kam noch dicker. «Aber weisst du, der hat wieder einmal eine neue Frau. Kein Wunder, ist der etwas durch den Wind», wusste der Eine zu berichten. Diese Aussage bewog nun den Gast vom Nachbartisch dazu, sich in das Gespräch einzuschalten: «Nein, nein, jetzt machst du aber ein Chaos. Die hat er schon drei Jahre.» Darauf entgegnete wiederum der Erste: «Nein, eben diese hat er nicht mehr. Die Gute ist ihm ab, die wohnt jetzt irgendwo ausserhalb der Region. Er hat eine Neue, aber die ist auch nicht von hier.»
Es entwickelte sich ein Stammtisch-Gespräch, wie es im Buche steht. Da ich nichts dazu beitragen konnte, entschied ich mich zu gehen. Irgendeiner muss ja die Klappe halten.
Severin Furter, Redaktor «Volksstimme»