Ein «Breesi», der Debatte und Harmonie schätzt
02.07.2020 Baselbiet, Lupsingen
Elmar Gächter
Drei volle Amtszeiten diente Stefan Vögtli der Gemeinde Lupsingen, davon 2 Jahre als Gemeinderat und ein Jahrzehnt als ihr Präsident. Dutzende Sachgeschäfte liefen durch seine Hände – und praktisch alle erfolgreich. «Meine ...
Elmar Gächter
Drei volle Amtszeiten diente Stefan Vögtli der Gemeinde Lupsingen, davon 2 Jahre als Gemeinderat und ein Jahrzehnt als ihr Präsident. Dutzende Sachgeschäfte liefen durch seine Hände – und praktisch alle erfolgreich. «Meine Gemeinderatstätigkeit begann gleich mit einem Paukenschlag, brannte doch ein paar Tage nach meinem Amtsantritt der gemeindeeigene Dorfladen ab. Als zuständiger Ressortchef Bau musste ich innerhalb kurzer Zeit eine Lösung finden», erinnert er sich.
Nicht weniger prägend in seiner Amtszeit war die Gesamtsanierung des Mehrzweckgebäudes aus den 1970er-Jahren, für dessen Finanzierung der Gemeinderat den Verkauf von gemeindeeigenem Bauland vorgeschlagen hatte. Das Geschäft wurde an Vögtlis erster Gemeindeversammlung als Gemeindepräsident zwar klar angenommen, gegen den Entscheid wurde jedoch das Referendum ergriffen, das bisher einzige in der Geschichte von Lupsingen. «Die Urnenabstimmung ging dann deutlich nochmals im gleichen Sinn wie die Gemeindeversammlung aus. Dies zeigte uns einmal mehr, wie gut die direkte Demokratie in der Schweiz funktioniert», so Vögtli.
«Der richtige Weg»
Sein politisches Wirken im 1450-Seelen-Dorf war stets gesamtheitlich und auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Es müssen das Soziale, die Ökologie und die Wirtschaftlichkeit zusammen stimmen, so sein Credo. «Ich habe meine Argumente stets darauf gerichtet, dass unser Handeln zukunftsfähig sein muss.»
Unter Vögtlis Präsidentschaft hat Lupsingen das Label Energiestadt erhalten, ein Schritt, den er auch heute noch als erfolgreich bezeichnet. Dieser sei zwar nicht überall unumstritten gewesen, aber immerhin habe die Gemeinde in den vergangenen 10 Jahren rund 120 000 Franken an Energiekosten sparen können. Ein Beweis, dass sich der sorgsame Umgang mit der Umwelt durchaus auch finanziell auszahlen könne. Es habe in der Bevölkerung einzelne Stimmen gegeben, die ihn als Grünen abgestempelt hätten. «Aber damit konnte ich gut leben, da es ja zutrifft. Wenn man die Entwicklung auf dieser Welt bezüglich Umweltzerstörung und Klimawandel anschaut, dann hat die Gemeinde mit der Strategie der Nachhaltigkeit die richtige Richtung eingeschlagen», ist Stefan Vögtli überzeugt.
Er bedauert zwar, dass Lupsingen wie andere Gemeinden auch finanziell stark fremdbestimmt sei, besonders im Bildungsbereich. «Aber bei der Infrastruktur haben die Gemeinden nach wie vor grossen Handlungsspielraum. Wir können bestimmen, in welcher Qualität unsere Gemeindebauten und Infrastrukturen erstellt respektive erhalten werden», so Stefan Vögtli. Ein Gemeinderatsmandat in einer kleinen Gemeinde wie Lupsingen sei auf jeden Fall äusserst spannend und kreativ.
Stefan Vögtli legt grossen Wert auf die Teamarbeit und lobt die Zusammenarbeit in der Kollegialbehörde. «Wir haben in den 12 Jahren manchmal auch lange um Entscheide gerungen, schliesslich jedoch meist einstimmige Beschlüsse gefasst.» Er verschweigt dabei nicht, auch ein wenig harmoniebedürftig zu sein. Deshalb bezeichnet er eine gute Atmosphäre im Team als etwas vom Wichtigsten. «Dann funktioniert eine Gemeinde auch in schwierigeren Zeiten.»
Für ihn ist klar, wer ein Gemeinderatsmandat übernimmt, muss sich mit dem Dorf und seiner Bevölkerung identifizieren. Diese Verankerung sei unabdingbar, doch müsse man sich diese auch erschaffen. Für Stefan Vögtli zählt dazu beispielsweise die Mitgliedschaft in Vereinen und sich an öffentlichen Anlässen im Dorf zu beteiligen. Er selber spielt seit seinem Zuzug vor über 20 Jahren in der Musikgesellschaft Lupsingen Cornet, einerseits als wichtigen Ausgleich zur beruflichen Tätigkeit und insbesondere für die Integration in der Dorfgemeinschaft. Nicht zuletzt aus dieser Sicht sei der Gemeinderat stets bemüht, die Vereine mit guten Rahmenbedingungen zu unterstützen.
Wertvolle Begegnungen im Dorf
Zu den Highlights seiner Amtszeit gehören die vielen wertvollen Begegnungen mit den Einwohnerinnen und Einwohnern und das insgesamt gute Einvernehmen im Dorf. «Erfreulich für mich ist, dass es immer wieder engagierte Gruppierungen gibt, und dass so viele Menschen sich ehrenamtlich für das Wohl der Gemeinde engagieren», sagt Stefan Vögtli. Jüngstes Beispiel sei der schöne, neue Spielplatz neben dem Gemeindehaus, der auf Initiative von Privatpersonen zustande kam.
Diese hätten sogleich einen grossen Teil der Finanzierung durch Sponsoren organisiert. Zu den bleibenden positiven Projekten zählen für ihn auch der Wärmeverbund, der die Gemeindeliegenschaften und 90 Privatwohnungen mit Wärme aus lokalem Holz versorgt und damit Jahr für Jahr viele Tausend Liter Heizöl ersetzt.
Mit Stolz zeigt er auf den neuen Dorfladen im ehemaligen Feuerwehrmagazin, der zusammen mit der Gemeindeverwaltung, dem Spielplatz und dem Restaurant ein Teil des Dorfzentrums geworden sei. Zudem spricht er lobend über die faire Streit- und Diskussionskultur der Bevölkerung an den meist gut besuchten Gemeindeversammlungen.
«Ich werde die Debatten an den Gemeindeversammlungen vermissen»
Herr Vögtli, mit welchen Gefühlen treten Sie als Gemeindepräsident zurück?
Stefan Vögtli: Ich kann sehr gut loslassen, weil die Gemeinde ausgezeichnet dasteht und ich überzeugt bin, dass das neue Gemeinderatskollegium gut funktioniert. Da ich mit dem Aufbau einer noch jungen Firma eine neue verantwortungsvolle Aufgabe übernommen habe – was mein volles Engagement benötigt –, ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, als Gemeindepräsident aufzuhören. Am meisten vermissen werde ich die Debatten an den Gemeindeversammlungen sowie die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderatskollegium und den Gemeindeangestellten.
Gab es auch Enttäuschungen?
Wie wohl in allen Gemeinden gibt es Menschen, die nicht sachbezogen argumentieren, sondern auf Personen abzielen. Dies kann schon mal zu Frustrationen führen, vor allem, wenn man sich mit Herzblut für die Gemeinde einsetzt. Aber solche unangenehmen Situationen waren doch eher selten.
Welches sind für Lupsingen die grössten Herausforderungen?
Sorge müssen wir zu unseren Finanzen tragen. Lupsingen hat eine gute Ausgangslage ohne Nettoschulden und mit einer Infrastruktur, die laufend erneuert worden ist. Wir sind zudem gut unterwegs mit unserer Siedlungsplanung, die ich gerne noch abgeschlossen hätte, was aber wegen der Corona-Pandemie nicht möglich war. Dem gesamten Gemeinderat war der Blick über die Gemeindegrenzen hinaus immer sehr wichtig. So war Lupsingen Mitinitiant der regionalen Zusammenarbeit, die vor zwei Jahren mit dem «Verein Region Liestal Frenkentäler plus» institutionalisiert wurde.
Welche Ratschläge geben Sie Ihrer Nachfolgerin Sibylle Wanner mit?
Ratschläge erteilen ist nicht mein Ding. Ich denke aber, es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben und zu versuchen, im Dialog – auch mit Gegnern – gute Kompromisse zu finden. Denn bei allem, was man macht oder entscheidet, soll der Nutzen für das Dorf und die Bevölkerung im Auge behalten werden. Da gibt es ja noch das berühmte Sprichwort: «Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.»
STEFAN VÖGTLI
emg. Der 57-jährige Stefan Vögtli ist als Bauernsohn in Büren aufgewachsen und wohnt seit 24 Jahren in Lupsingen. Er ist gelernter Forstwart und Holzkaufmann. Nach mehrjähriger Selbstständigkeit ist er heute als Leiter Marketing und Vertrieb in einem jungen, innovativen Betrieb im Jura tätig, der sich mit der Förderung und Verarbeitung von einheimischem Buchenholz befasst. Zu seinen Hobbys zählen das Musizieren in der Musikgesellschaft Lupsingen sowie Velotouren durch die vielfältige Natur.