«Hexen sollten nicht barfuss tanzen»
02.07.2020 Bezirk Waldenburg, Bretzwil
David Thommen
Herr Professor Meyer, wie ist die hohe Konzentration von Arsen und Thallium im Gebiet «Häxeblätz» erdgeschichtlich zu erklären?
Christian A. Meyer: Die hohe Konzentration dürfte mit einer Anreicherung während der ...
David Thommen
Herr Professor Meyer, wie ist die hohe Konzentration von Arsen und Thallium im Gebiet «Häxeblätz» erdgeschichtlich zu erklären?
Christian A. Meyer: Die hohe Konzentration dürfte mit einer Anreicherung während der Bodenbildung beziehungsweise der Verwitterung der darunterliegenden Gesteinsschichten zu tun haben. Es ist bekannt, dass beide dieser giftigen Stoffe in erhöhter Konzentration im Meerwasser der Jurazeit vorhanden waren und dann später im Gestein überliefert wurden.
Wie aussergewöhnlich ist die geologische Besonderheit im Gebiet «Häxeblätz» für Baselbieter und Schweizer Verhältnisse?
Ich glaube, überall dort im Nordwestschweizer Jura, wo die oben erwähnten Gesteinsschichten an der Oberfläche vorhanden sind, werden wir auf erhöhte Werte treffen. Es handelt sich um Hauptrogenstein und sogenannte Eisenoolithe von etwas älteren Ablagerungen (Passwang Alloformation) und auch um jüngere Ablagerungen (Bohnerze). Die Kombination von hohen Arsen- und hohen Thalliumgehalten auf dem «Häxeblätz» ist vorerst allerdings einmal bemerkenswert. Vergleichbare Verhältnisse sind aus dem angrenzenden französischen Jura und dem Burgund bekannt, oder auch aus Grossbritannien.
Sind Arsen und Thallium in anderen Weltgegenden mit grossen Eisenerzvorkommen für die Menschen ein grösseres Problem?
Ja, überall dort, wo grosse Abraumhalden mit Schlacke aus der Verhüttung der Verwitterung ausgesetzt sind, können hohe Konzentrationen dieser giftigen Stoffe ins Trinkwasser gelangen.
Im Fall von Bretzwil scheint es keine Hinweise auf Schlacke zu geben. Die Werte von Arsen und Thallium im Trinkwasser sind unauffällig. Sind diese Gifte also kein Problem?
Wenn auf dem «Häxeblätz» moderne Hexen tanzen, wie böse Zungen behaupten, würde ich ihnen davon abraten, dies barfuss zu tun. Ausser, sie möchten in ein paar Jahren denjenigen Hexen aus den Grimm’schen Märchen gleichen: zahnlos, ohne Haare und stark abgemagert. Arsen ist nämlich ein Kontaktgift (siehe Kasten).
Hat auf dem «Häxeblätz» tatsächlich nur die Natur gewirkt, oder wäre zumindest theoretisch auch eine menschliche Einwirkung denkbar?
Ich gehe davon aus, dass es sich dabei um natürliche Prozesse handelt. Einerseits durch die langsame Verwitterung, andererseits kann auch die Anreicherung durch Pilze ins Auge gefasst werden. Röhrlinge sind bekannt dafür, dass sie Schwermetalle anreichern. Da aber aus den Analysen nicht ersichtlich ist, an welche Mineralverbindungen die Schadstoffelemente gekoppelt waren, ist die genau Entstehung so nicht zu klären. Dazu bräuchte es Untersuchungen mit der «Raman-Spektroskopie»; damit lassen sich exakt die verschiedenen Mineralarten bestimmen.
Über Arsen und Thallium in den Baselbieter Böden war bis vor wenigen Jahren kaum jemals etwas in einer Zeitung zu lesen. Würden wir bei flächendeckenden Analysen vielleicht noch so manch böse Überraschung erleben?
Ich gehe davon aus, dass fast alle Bereiche, die in den erwähnten Gesteinsschichten liegen, erhöhte Werte aufweisen, ich bin aber kein Wahrsager.
Gibt es stellenweise auch andere natürlich vorkommende giftige Stoffe in unseren Böden?
Es gibt überall verschiedenste natürlich vorkommende Mineralien, die in den Gesteinsschichten unter unseren Füssen vorkommen. Es ist letztendlich die Dosis, die es ausmacht. Die hohe Salzkonzentration in den Trias-Schichten ist eher zu unserem «Segen», in den Salinen wird Salz ja abgebaut. Und die hohe Konzentration an Magnesium und Kalzium aus ähnlichen Gesteinsablagerungen macht ja auch die Quellen von Eptingen wirtschaftlich nutzbar.
Dr. Christian A. Meyer ist Professor am geologisch-paläontologischen Institut der Universität Basel. Bis 2017 war er Direktor des Naturhistorischen Museums Basel.
Keine Probleme mit dem Trinkwasser
tho. Auf dem «Häxeblätz» oberhalb von Bretzwil gibt es natürlicherweise ausgesprochen hohe Konzentrationen von Schadstoffen. Dies hat eine Untersuchung des kantonalen Amts für Umweltschutz und Energie (AUE) gezeigt (siehe «Volksstimme» vom 25. Juni, Seite 3). Die Gehalte beim Arsen liegen um den Faktor 200 und beim Thallium um den Faktor 2500 über der in den Baselbieter Böden normalen Hintergrundbelastung. Da beide Stoffe hochgiftig sind, müssen nun in diesem Naturschutzgebiet Hinweistafeln angebracht werden. Speziell wird davor gewarnt, kleine Kinder auf dem Boden spielen zu lassen.
Unproblematisch hingegen ist die Belastung im Boden für das Trinkwasser. Kantonschemiker Peter Brodmann: «Das Netzwasser – also das Trinkwasser – wird jährlich auf Arsen untersucht. Die Werte sind weit unterhalb des Höchstwerts.» Für Thallium gebe es keinen gesetzlich definierten Höchstwert, die gemessenen Werte seien in Bretzwil aber «überhaupt nicht auffällig».