«Es gab Wartelisten von bis zu zwei Jahren»
17.07.2020 Bezirk Sissach, Ormalingen, GesellschaftBernhard Hug hat das Zentrum Ergolz zwei Jahrzehnte als Stiftungsrat begleitet
Während 20 Jahren war Bernhard Hug als Stiftungsrat für Infrastruktur und Hotellerie des Alters- und Pflegeheims (APH) in Ormalingen verantwortlich. Mehr und mehr verschiebt sich der Fokus von Pflegefällen auf ...
Bernhard Hug hat das Zentrum Ergolz zwei Jahrzehnte als Stiftungsrat begleitet
Während 20 Jahren war Bernhard Hug als Stiftungsrat für Infrastruktur und Hotellerie des Alters- und Pflegeheims (APH) in Ormalingen verantwortlich. Mehr und mehr verschiebt sich der Fokus von Pflegefällen auf Demenzkranke. Hug hat diesen Prozess begleitet.
Paul Aenishänslin
Herr Hug, mit welchem Gefühl blicken Sie auf die vielen Jahre als Stiftungsrat des Zentrums Ergolz zurück?
Bernhard Hug: Mit einem positiven Gefühl. Am 1. Juli 2000 wurde ich als Gemeinderat von Zeglingen in den damals 14-köpfigen Stiftungsrat gewählt. Schon im November 2000 kam ich in die sechsköpfige Heimkommission, die im Jahr 2012 durch den neuen sechsköpfigen Stiftungsrat abgelöst wurde, der zusammen mit dem Heimleiter und der Vertreterin der 14 Oberbaselbieter Gemeinden, denen das Zentrum Ergolz gehört, alle wichtigen Entscheidungen fällt. Als Immobilienverwalter des Kantons Baselland von 1989 bis 2013 passt das Ressort Infrastruktur und Hotellerie genau zu meiner Berufserfahrung und zu meinen Befähigungen.
Welches war Ihre grösste Herausforderung als Stiftungsrat?
In meine Zeit als Stiftungsrat fiel vor allem der Bau des Demenzhauses mit 35 Betten, neben anderen, kleineren Bauprojekten. Die Planung startete 2004, der Grundsatzentscheid für den Bau dieses zweiten Hauses fiel 2005. Die Fertigstellung konnte im Juli 2011 gefeiert werden. Es kostete um die 15 Millionen Franken – das Budget konnte sogar unterschritten werden.
Wie hat sich das Zentrum Ergolz von 2000 bis 2020 verändert? War es immer ausgelastet gab es in dieser Zeit sogar Wartelisten?
Das APH Ergolz startete 1995 mit 72 Alters- und Pflegeplätzen. Heute bietet das Zentrum Ergolz Platz für 46 Pflegebedürftige und 54 Demenzkranke. Es war seit Anfang bis heute immer gut ausgelastet. Vor Eröffnung des Demenzhauses gab es Wartelisten von bis zu zwei Jahren. In den vergangenen Jahren hat es eine Verschiebung von mehrheitlich Pflegefällen zu mehrheitlich Demenzkranken gegeben. Das eigentliche Altersheim ist verschwunden. Wer heute im hohen Alter noch leidlich gesund ist, bleibt in den eigenen vier Wänden, so lange es geht. Die Bewohner des Zentrums Ergolz sind in der Regel zwischen 80 und 100 Jahre alt, sie kommen nicht alle aus dem Oberbaselbiet.
Können Sie etwas näher auf die diversen Bauprojekte eingehen, die in Ihrer Zeit als Stiftungsrat realisiert wurden?
Das Demenzhaus war sicherlich das Hauptprojekt. Daneben gab es weitere Bauvorhaben wie eine Fassadenerneuerung im Haupthaus, den Umbau von zwei Pflege- in zwei Demenzwohngruppen des ersten Hauses, das Anlegen eines Gartens für Demenzkranke, den Bau von Parkplätzen für Besucher und das Personal – heute rund 150 Mitarbeitende auf Voll- und Teilzeitbasis – sowie den Bau und die Ausrüstung einer neuen Küche, auch ein Projekt für 2,5 Millionen Franken.
Wie haben sich die Erwartungen der Heimbewohner an die Hotellerie und Betreuung entwickelt?
Im Jahr 2000 waren die Heimbewohner noch mehrheitlich alte Menschen mit oder ohne besonderen Pflegebedarf, die im Speisesaal assen. Heute, mit einer Mehrheit von Demenzkranken, ergibt sich ein anderes Bild. Viele Bewohner des Zentrums Ergolz essen in ihrer Wohngruppe. Demenzkranke brauchen auch beim Essen Pflegeunterstützung und manche haben einen besonderen Speiseplan – als Veganer zum Beispiel – oder möchten auch mitten in der Nacht verpflegt werden. Die Küche kann auf alle Bedürfnisse eingehen. Es gibt kein Einheitsmenü mehr wie früher. Ein eigentliches Hotel ist das Zentrum Ergolz jedoch nicht, da alle Bewohner entweder pflegebedürftig sind oder dement und damit Tag und Nacht unter Aufsicht bleiben. Es ist auch wichtig, den Demenzkranken besondere Programme zu bieten, um sie aus ihrer inneren Isolation zu holen, sei es Bewegungsgymnastik in der Gruppe, Chorsingen oder Pflege ihres Gartens.
Wie hat sich die Tätigkeit des Stiftungsrats des Zentrums Ergolz über die Jahre verändert?
Die Tätigkeit des Stiftungsrats ist wesentlich professioneller geworden. Jedes Mitglied muss auf seinem Fachgebiet besondere Kompetenz Pflege- und Demenzzentrums ist heute viel komplexer geworden, mit vielen involvierten Playern wie den Trägergemeinden, dem Kanton, dem Bund und den Krankenkassen, um nur die wichtigsten zu nennen.
Wie sind die Beziehungen zu den 14 Trägergemeinden? Gibt es Gemeinden, die aus heutiger Sicht froh wären, sie wären nicht dabei?
Die Beziehungen zu den 14 Trägergemeinden sind heute als gut zu bezeichnen. Dabei hilft auch, dass alle Trägergemeinden im Stiftungsrat mit einer Person ohne Stimmrecht vertreten sind. Einmal im Jahr gibt es eine Orientierungsveranstaltung im Zentrum Ergolz, zu der die 14 Trägergemeinden eingeladen sind, die sich alle am ursprünglichen Stiftungskapital von 12 Millionen Franken beteiligt haben. Es werden der Jahresbericht, die Jahresrechnung, die aktuelle Situation und die Perspektiven des Heims präsentiert. Die Trägergemeinden können bei dieser Gelegenheit Wünsche oder Anregungen einbringen. Sofern aus ihrem Dorf niemand gerade im Zentrum Ergolz als Pflegebedürftiger oder Demenzkranker einen Platz beansprucht, kostet das Zentrum Ergolz diese Gemeinde nichts.
Wie sehen Sie die Zukunft des Zentrums Ergolz, das dieses Jahr 25 Jahre alt geworden ist?
Ich glaube, dass das Zentrum Ergolz gut für die Zukunft gerüstet ist. Es ist modern und steht unter professioneller Leitung. Künftig dürfte es primär als Kompetenzzentrum für Demenzkranke Bestand haben.
Sie selbst sind jetzt mit 70 Jahren voll im Ruhestand. Wie verbringen Sie die viele freie Zeit?
Seitdem ich mich mit 63 Jahren beim Kanton habe pensionieren lassen und seit Juli dieses Jahres nicht mehr im Stiftungstat des Zentrums Ergolz tätig bin, ist es mir noch nie langweilig geworden. Ich kümmere mich mit meiner Frau um unser schönes Haus mit dem grossen Garten. Ich leite die administrativen Belange der Wandergruppe Zeglingen-Kilchberg und Umgebung, die ab August wieder alle 14 Tage unterwegs sein wird. Ich nehme am Seniorenturnen in unserem Dorf teil. Ich bleibe vielseitig interessiert. Meine Frau und ich haben zwei erwachsene Kinder und sieben Enkelkinder. Für Abwechslung und Kontakte ist also gesorgt.
Sie leben mit Ihrer Frau im eigenen Haus in Zeglingen. Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann in das Zentrum Ergolz umzuziehen?
Solange meine Frau und ich noch gesund sind, werden wir in unserem Haus bleiben. Aber ich schliesse nicht aus, eines Tages selbst zum Bewohner des Zentrums Ergolz zu werden, das ich bereits sehr gut kenne und schätzen gelernt habe.
Wie sieht die Altersbetreuung in 20 Jahren aus?
Eine gute Frage. Es wird auch in zwanzig Jahren noch APH geben. Was aber sicherlich wichtiger werden wird, ist das betreute Wohnen im Alter, wie es zum Beispiel in Liestal und Basel heute schon möglich ist. Auch das Zentrum Ergolz hat bereits ein derartiges Projekt geprüft, es aber aus finanziellen Erwägungen wieder verworfen. Ein externes Betreuungsangebot rund um die Uhr durch das Zentrum Ergolz kommt einfach sehr teuer zu stehen, auch wenn es wünschenswert ist. Die Zukunft wird zeigen, ob sich dieses betreute Wohnen im Alter noch weit stärker durchsetzen wird.
Zur Person
ae. Bernhard Hug wurde 1949 geboren. Er wuchs in Schaffhausen und im Aargau auf. Er war in seiner beruflichen Laufbahn zuletzt von 1989 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2013 als Immobilienverwalter des Kantons Baselland tätig. Seine Frau stammt aus Zeglingen. Dort war er 16 Jahre, von 2000 bis 2016, im Gemeinderat. Von 2000 bis 2020 wirkte er im Stiftungsrat des Zentrums Ergolz mit, zuständig für die Infrastruktur und die Hotellerie.
25 Jahre APH Ergolz
ae. Die Stiftung «Regionales Altersund Pflegeheim Ergolz» wurde 1991 von den 14 Gemeinden des Gerichtsbezirks Gelterkinden gegründet. Im Mai 1995 konnte das neu erstellte Haus mit 72 Einzelzimmern in Betrieb genommen werden. 2011 folgte ein wiederum neu erstelltes Gebäude mit 35 Betten, ausgerichtet auf die Betreuung und die Pflege von Menschen mit Demenz. Seit 2012 trägt das Altersund Pflegeheim in Ormalingen den Namen «Zentrum Ergolz – Betreuung und Pflege im Alter». Es wird seit Frühling 2016 vom Raymond Caduff geleitet. Der Stiftungsrat hat sechs Mitglieder. Momentan (Juli 2020) betreut das Zentrum Ergolz um die 100 Heimbewohner und der Personalbestand beträgt auf Ganzzeit- und Teilzeitbasis rund 150 Personen.