Schweizer Malz für Schweizer Bier
19.06.2020 Baselbiet, Wirtschaft, LandwirtschaftStandort für Mälzerei gesucht – Gerstenanbau wird erprobt
«Bier von hier» tönt gut, stimmt aber in den seltensten Fällen. Das Malz für die meisten Schweizer Biere wird im Ausland produziert. Die Förderung des Anbaus von Braugerste in der Region und der Aufbau einer Mälzerei ...
Standort für Mälzerei gesucht – Gerstenanbau wird erprobt
«Bier von hier» tönt gut, stimmt aber in den seltensten Fällen. Das Malz für die meisten Schweizer Biere wird im Ausland produziert. Die Förderung des Anbaus von Braugerste in der Region und der Aufbau einer Mälzerei sollen Abhilfe schaffen.
Christian Horisberger
In Schweizer Bier soll mehr Schweiz drin sein als bisher. Das haben sich die Urheber eines Projekts auf die Fahne geschrieben, die unter dem Namen Juramalz den regionalen Malzgerstenanbau fördern sowie eine Mälzerei realisieren wollen. Das Vorhaben ist mit Gesamtkosten von 2,1 Millionen Franken (41 Prozent davon tragen Bund und Kanton) eines der grössten Teilprojekte des Programms «Projekt Regionale Entwicklung – Genuss aus Stadt und Land» (PRE). Die Parlamente der beiden Basel haben dafür kürzlich grünes Licht gegeben (die «Volksstimme» berichtete).
Ein Jahr haben die PRE-Initianten nun Zeit, ihre bisher grob umrissenen Pläne zu verfeinern. Fürs Mälzerei-Projekt bedeutet das: den Markt vertieft abklären, ein Produzenten-/Abnehmernetzwerk aufbauen und Baupläne ausarbeiten. «All das soll uns mehr Sicherheit über die Ertragsmöglichkeiten und Kosten geben», sagt Daniel Spinnler. Der Liestaler Stadtpräsident ist nicht in seiner politischen Funktion in die Mälzerei involviert, sondern als Dozent an der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl). An der Hochschule begleitete er ein ähnliches Projekt der IG Mittellandmalz, das nur zur Hälfte funktioniert: Der Anbau von Malzgerste wurde erfolgreich gestartet, jedoch konnte kein geeignetes Gebäude für die Einrichtung einer Mälzerei gefunden werden. Deshalb muss die in der Schweiz produzierte Gerste für die Vermälzung nach Deutschland transportiert werden. So sieht auch die IG-Mittellandmalz Potenzial im Juramalz-Projekt.
Acht Meter hoher Raum gesucht
Wo die Anlage hinkommen soll, steht noch nicht fest. «Die definitive Standortwahl ist Teil der Grundlagenetappe», sagt Spinnler. Aus Kostengründen stehe die Einmietung in eine bestehende Halle im Vordergrund. Für Landerwerb und Hallenbau würden die in der Planung vorgesehenen Geldmittel nicht ausreichen. Die Suche sei insofern nicht ganz einfach, als die Apparatur eine Raumhöhe von mindestens 8 Metern voraussetze und aufgrund der Geruchsimmissionen ein Gebäude ausserhalb der Siedlungszone Priorität habe. Die Chancen, einen geeigneten Standort zu finden, sind laut Spinnler aufgrund der industriellen Vergangenheit der Nordwestschweiz «vielversprechend».
Während der vergangenen anderthalb Jahre, in denen das PRE der beiden Basel die politischen Mühlen durchlief, blieben Spinnler und seine Mitstreiter am Ball. So wurden weitere Standorte für die Mälzerei geprüft und diverse Vorgespräche geführt. Interesse sei vorhanden, sagt der Projektentwickler, doch hätten sich mehrere Standorte aufgrund der Mietkosten oder der Schwierigkeit beim Einbringen grosser Anlageteile mit 5 Metern Durchmesser oder der Tragfähigkeit der Böden als nicht machbar erwiesen.
Mineralische Böden geeignet
Der Anbau des Rohstoffs ist ebenfalls eine grosse Herausforderung. Braugerste wurde in der Schweiz während sehr langer Zeit nicht mehr im grösseren Stil gepflanzt. Das Know-how musste wieder aufgebaut werden. Vorarbeit leisteten hier die Hafl in der Forschung sowie die Landwirte und Braumeister der IG Mittellandmalz beim Anbau und in der Verarbeitung.
Mit der Auswahl der richtigen Sorte, Stickstoffbestimmung im Boden im Frühling und einer entsprechenden Stickstoffdüngung lasse sich die geforderte Qualität in den meisten Fällen erreichen, erklärt Hans Ramseier, Dozent für Pflanzenschutz und ökologischen Ausgleich an der Hafl. Der Anbau beschränke sich auf mineralische Böden. Aufgrund von Grobschätzungen seien 3000 Hektaren (entspricht 4200 Fussballfeldern) oder ein Siebtel der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Baselbiet geeignet. Details werden im Rahmen des PRE mit weiteren Anbauversuchen geklärt. Die Lage spielt gemäss Ramseier eine weniger grosse Rolle: «Gerste wächst auch in höheren Lagen problemlos.» Das bereits erworbene Wissen soll auch in der Nordwestschweiz die Basis für ein qualitativ hochwertiges Malz legen, sagt Daniel Spinnler.
Die Sicherung der Qualität der hier produzierten, hochwertigen Braugerste habe Priorität. Erst dann solle die Verarbeitung von Gerste zu Malz ermöglicht werden. «Zuerst eine Mälzerei aufstellen und dann schauen, was hinten herauskommt, ohne zu wissen, was vorne hineingeht, wäre nicht Erfolg versprechend.»
Preis höher als für Futtergerste
Und die Bauern? Machen sie mit? Erste Vorgespräche haben gemäss Spinnler bereits stattgefunden und auf bisherige Medienberichte hin hätten Produzenten bei ihm ihr Interesse deponiert; die IG führe eine Warteliste. Die Landwirte mit den Braumeistern zusammenzubringen sei ein Ziel der Grundlagenetappe.
An der Attraktivität soll es für die Bauern nicht mangeln: So erhielten die Landwirte in der IG Mittellandmalz für Braugerste einen deutlich höheren Preis als für Futtergerste, da die Erträge klar geringer seien und für den Produzenten ein erhöhtes Risiko bestehe, falls die Braugerste die Qualitätskriterien nicht erfüllt.
Mit den Preisen riesiger Industrieanlagen im Ausland kann das «Juramalz» niemals mithalten. 40 bis 60 Rappen pro Kilo werden gemäss Spinnler für ausländisches Malz bezahlt, das aus der Schweiz werde das Drei- bis Vierfache kosten. Dennoch glaubt er an dessen Chance auf dem Schweizer Markt: Braumeister seien sehr daran interessiert, ein durch und durch schweizerisches Produkt herzustellen. Denn beim Konsum gehe der Trend hin zu Regionalität und Nachhaltigkeit, und dafür seien die Kunden bereit, mehr zu bezahlen. Spinnler schätzt, dass der höhere Malzpreis den Endpreis des ausgelieferten Biers um rund 10 Prozent erhöht. «Das ist für Konsumenten vertretbar, denen Swissness am Herzen liegt.» Jedoch müsse man sich keine Illusionen machen: «Schweizer Malz wird ein Nischenprodukt bleiben.»
Brauerei-Verband ist interessiert
Beim Schweizer Brauerei-Verband (SBV) sieht man das auch so. «Für Nischenprodukte könnten beim Preis Abstriche gemacht werden», erklärt dessen stellvertretender Direktor Christoph Lienert auf Anfrage. Sobald es aber um grosse Mengen gehe, müsse der Preis stimmen. Dazu seien eine leistungsfähige Mälzerei und entsprechende Mengen an Braugerste erforderlich.
Der SBV sei an den Ergebnissen des Mälzereiprojekts interessiert, sagt Lienert. Es sei vorstellbar, dass der Verband den Anbau von Schweizer Rohstoffen unterstütze, doch seien die Kosten-Nutzen-Abwägungen ausschlaggebend. Der Branchenvertreter merkt an, dass grosse Player wie Feldschlösschen, Heineken, Locher oder Schützengarten einheimische Rohstoffe bereits förderten und sie für ihre Biere nutzten – in bescheidenem Massstab.
Der Malz-Jahresbedarf der Schweizer Brauereien liegt gemäss Verband bei rund 66 000 Tonnen, was etwa 80 000 Tonnen Braugerste entspricht. Dafür ist eine Anbaufläche von rund 10 000 Hektaren oder 14 000 Fussballfeldern erforderlich.
Weichen, keimen, rösten
vs. Braumalz wird aus Getreide, üblicherweise aus Gerste, gewonnen. Gerste ist perfekt für das Bierbrauen, da es viel Stärke enthält, die in fermentierbaren Zucker umgewandelt wird. Um Gerste für den Brauprozess verwenden zu können, muss sie vorher vermälzt werden. Der Sinn der Vermälzung ist die Bildung und Aktivierung von Enzymen, welche die Stärke in Zucker umwandeln. Zusätzlich entstehen durch das Rösten von Gerste verschiedene Farben, Geschmäcker und Aromen im Malz – und damit später auch im Bier. Beim Vermälzen wird das Getreide geweicht und nimmt Wasser auf. Das Getreide beginnt zu keimen. Stärkeabbauende Enzyme werden aktiviert und neu gebildet. Durch «Darren» wird das Getreide getrocknet/geröstet.
Es werden verschiedene Malzsorten produziert, indem die Röstzeit und -temperatur variiert wird. Die bekanntesten Malzsorten sind Pilsner Malz, Münchner Malz, Cara Malz und Röstmalz. Verschiedene Malzsorten werden kombiniert, abhängig von der Biersorte, die gebraut werden soll. Die verwendeten Malzsorten bestimmen die Farbe des Biers und neben dem Hopfen auch den Geschmack.
Vermälzen lassen sich auch andere Getreidesorten wie Weizen, Mais, Dinkel oder Reis, die teilweise ebenfalls auf der gleichen Anlage vermälzt werden können.