QUERPASS
28.05.2020 RegionWas tun Sportjournalistinnen?
Was hat Holzhacken mit Sportjournalismus zu tun? Mehr als Sie denken. Ohne das Holzhacken würde ich mich als spröde Juristin in einem Büro ohne Aussicht langweilen.
Doch es gibt keine Zufälle. Für mich spielten ...
Was tun Sportjournalistinnen?
Was hat Holzhacken mit Sportjournalismus zu tun? Mehr als Sie denken. Ohne das Holzhacken würde ich mich als spröde Juristin in einem Büro ohne Aussicht langweilen.
Doch es gibt keine Zufälle. Für mich spielten Annemie und Andreas Schicksal. Es war im September 2011, als Fussballkollegin Annemie mir die «Basler Zeitung» ins Training brachte und nett, aber bestimmt sagte: «Und da meldest du dich!» Sie bezog sich auf eine Kolumne von Andreas mit dem Titel «Was tun Sportjournalisten?» Wer nach der Lektüre Lust auf diese Tätigkeit verspüre, stand da, möge sich bei ihm melden.
Launig beschrieb mein späterer Förderer und Forderer meinen heutigen Beruf: «Wenn du nach einer besonders aufwühlenden Partie nach Hause kommst, stehst du noch eine Weile unter Strom. Die einen gehen in den Keller Holz hacken, andere trinken drei Liter Rotwein, bis sie nach hinten kippen. Jeder hat seine eigene Strategie, um in den Schlaf zu finden. Gesund ist diese hektische Tätigkeit auf alle Fälle nicht: Journalisten zählen zu den Berufsgruppen mit der geringsten Lebenserwartung. Sonst jedoch ist der Beruf des Sportjournalisten supertoll.»
Zwar gehe ich nach einem langen Arbeitstag nicht in den Keller Holz hacken und Rotwein trinke ich kaum. Doch abgesehen davon, dass man sich im Winter an Fussballspielen oder bei Skirennen fast die Zehen abfriert, faktisch jeden Sonntag im Büro statt in den Bergen verbringt und in besonders hektischen Zeiten (also öfter) mal eine kurze Nacht auf dem Redaktionssofa verbringt, ist der Beruf der Sportjournalistin wirklich supertoll.
«Man kann mit Menschen sprechen, die andere nur am Fernsehen bewundern dürfen», schrieb Andreas damals ironisch. In meinem Fall «sympathische» Athletinnen wie Lara Gut und «redselige» Funktionäre wie FCB-Präsident Burgener. Oder gar sympathisch und redselig wie Marco Streller. Vergangenen Frühling, nach meiner vierten Nachfrage, ob der FC Basel die Young Boys im Meisterrennen noch einholen könne, war der damalige Sportchef plötzlich nicht mehr so sympathisch und redselig. Sein «Diese Frage nervt langsam» werde ich nie vergessen.
Genauso wenig aber echte Highlights wie das Interview mit meinem Kindheitsidol Vreni Schneider, den WM-Achtelfinal der Schweizer Fussballerinnen 2015 vor 55 000 Menschen in Vancouver und die Schweizermeisterschaften im Eiskunstlauf in Basel im Dezember 2011. Sie waren, nachdem ich Andreas geantwortet hatte, der erste Sportanlass, über den ich als Sportjournalistin schrieb. Ein kleiner Text mit grosser Bedeutung für mich.
Vergangene Woche hatte ich übrigens frei, auch mal schön. Ich habe Holz gehackt.
Seraina Degen (33) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.