HERZBLUT
19.05.2020 GesellschaftNeue Herausforderungen
Sind sie Ihnen schon aufgefallen? Die ganzen Motorradfahrer mit dem blauen L am Nummernschild? Sie tauchen im Frühling zusammen mit all den anderen motorisierten Zweirädern auf. Dieses Jahr, habe ich das Gefühl, sind ...
Neue Herausforderungen
Sind sie Ihnen schon aufgefallen? Die ganzen Motorradfahrer mit dem blauen L am Nummernschild? Sie tauchen im Frühling zusammen mit all den anderen motorisierten Zweirädern auf. Dieses Jahr, habe ich das Gefühl, sind aussergewöhnlich viele Lernfahrer unterwegs. Vielleicht liegt das ja an Corona. Da wir uns Ferien im Ausland in diesem Jahr wohl abschminken können und während des Lockdowns ganz viele andere Aktivitäten ebenfalls nicht möglich waren, schien das vielleicht vielen ein guter Zeitpunkt zu sein, um Motorradfahren zu lernen. Oder aber es liegt daran, dass ich selbst dieses Jahr eine von jenen Lernfahrern und -fahrerinnen bin.
Schon in den vergangenen zwei Jahren hatte ich mir vorgenommen, nicht mehr als Beifahrerin Töff zu fahren, sondern selbst das Steuer zu übernehmen. Aber es kam dann irgendwie immer etwas dazwischen – und ja, ein bisschen Faulheit hat mich wohl auch gehindert. Dieses Jahr gab es keine Ausreden mehr, also bestellte ich mir den Lernfahrausweis. Das Motorrad für mich stand dank meiner Schwester bereits in der Garage. Mein Vater und mein Freund erklärten sich netterweise bereit, mir das Fahren beizubringen.
Darüber, wie das funktionieren sollte, gingen die Meinungen dann aber ein bisschen auseinander: «Du setzt dich einfach auf den Töff und fährst», sagte mein Freund. Eine Aussage, die mich ehrlich gesagt entsetzte. «Ich habe bisher minimalen Einfluss darauf, wohin der Töff fährt. Da stürze ich mich doch nicht gleich in den Strassenverkehr», war meine Antwort darauf und die Idee damit vom Tisch. Ich war eher für die Methode meines Vaters: Erst mal auf der Strasse vor unserem Haus hin und her fahren. Dabei stellte ich mich höchstens mittelmässig begabt an. Vor allem das Abbiegen stellte mich vor ungeahnte Schwierigkeiten.
Motorradfahren ist halt doch anders als Autofahren. Vor allem fühlt es sich deutlich rasanter an. «Ist das schnell!», schrie es in meinem Kopf, als ich zum ersten Mal mit knapp 40 Sachen an unserem Haus vorbeifuhr. Das änderte sich auch die nächsten paar Übungseinheiten nicht. «Für die Hauptstrasse müsstest du aber schon auf 50 km/h kommen …», warf mein Freund irgendwann ein. Pha! So weit war ich noch lange nicht.
Aber ich habe zwei sehr geduldige Fahrlehrer und machte dann doch schneller Fortschritte, als ich selbst gedacht hatte.
Mittlerweile macht das Selber-Motorradfahren richtig Spass. Ich traue mich sogar auf die Strasse und kriege 80 km/h hin, womit kleinere Touren möglich sind. Eine Erleichterung für meine beiden Fahrlehrer, die mittlerweile wohl jede Unebenheit und jeden losen Kieselstein auf der Strasse vor unserem Haus kennen.
Michèle Degen, Redaktorin «Volksstimme»