Ferien bei den Fledermäusen sind beliebt
15.05.2020 Gemeinden, Gesellschaft, Natur, RegionWegenstetten | Sommerferien sind bereits ausgebucht
Ein Jahr nach dem Start hat die Nachfrage für Übernachtungen im Wegenstetter «Flederhaus» stark angezogen. Das Angebot wird von der Stiftung Ferien im Baudenkmal und Pro Natura Aargau ...
Wegenstetten | Sommerferien sind bereits ausgebucht
Ein Jahr nach dem Start hat die Nachfrage für Übernachtungen im Wegenstetter «Flederhaus» stark angezogen. Das Angebot wird von der Stiftung Ferien im Baudenkmal und Pro Natura Aargau bereitgestellt.
Ronny Wittenwiler
Am 20. Juli 2019 kamen die ersten Touristen «angeflattert». Sie hatten eine Woche Wegenstetten in einem über 200 Jahre alten Gast- und Bauernhaus gebucht. Das denkmalgeschützte Gebäude ist wegen tierischer Bewohner bekannt geworden: Im Dachstock des dazugehörenden Stalls lebt eine Kolonie der Grossen Hufeisennase, eine in der Schweiz bedrohte Fledermausart.
Das Gebäude, mittlerweile im Besitz von Pro Natura Aargau, bietet seit einem Jahr Touristen ein Ferienerlebnis, das ein klein wenig an Gotthelfs Zeiten erinnert. «Natürlich ist Wegenstetten jetzt nicht als klassische Tourismusdestination bekannt», sagte Regula Murbach von der Stiftung Ferien im Baudenkmal in Zürich, kurz bevor im vergangenen Sommer die ersten Touristen erwartet wurden. Die Stiftung nimmt jeweils die Buchungen entgegen. Jetzt, bald ein Jahr später, zieht die Stiftung eine erste Bilanz.
23 Übernachtungen im Startjahr
Der Anfang sei wie erwartet mässig verlaufen, sagt Murbach. 2019 verzeichnete man im Ferienhaus in Wegenstetten 23 Logiernächte. Seit dieser Saison sei die Auslastung aber sehr gut. «Bis heute sind 100 Nächte gebucht und die Saison dauert noch bis Mitte Oktober. Die Saison 2020 dauert insgesamt 190 Nächte.» Eine Auslastung von bereits jetzt 50 Prozent sei ein tolles Ergebnis. «Und wir hoffen auf noch mehr.»
Vor dem Hintergrund von Corona dürften gerade dieses Jahr Sommerferien im eigenen Land stärker gefragt sein. Wenn auch der Aspekt des Repräsentativen fehlt, so erklärt Regula Murbach für die Stiftung Ferien im Baudenkmal: «Der Sommer sieht sehr Erfolg versprechend aus. Die Sommerferien sind total ausgebucht. Nicht nur in Wegenstetten, sondern in allen unseren Häusern finden sich keine freien Tage mehr für die Sommerferienzeit.»
Die Tatsache, dass im Wegenstetter Ferienhaus eine Fledermauskolonie der sogenannten Grossen Hufeisennase beheimatet ist, scheint im Zuge der Corona-Diskussion negative Auswirkungen auf die Nachfrage zu haben. «Kein einziger Gast hat bezüglich der Fledermäuse Bedenken geäussert», sagt Regula Murbach aber und schiebt nach: «Warum auch? Die Fledermäuse leben in der Scheune im Dachstock und der Gast ist gebeten, diese dort in Ruhe zu lassen.» Und dann sagt Murbach, wohl auch ganz im Sinne eines Wegenstetter Standortmarketings: «Die Fledermäuse können beim Eindunkeln wunderbar vom Garten aus beobachtet werden.» In einem Garten, in dem der Tourismus Wegenstetten gerade eine wahre Blüte erlebt.
Diesen Artikel publizieren wir in Zusammenarbeit mit der «Neuen Fricktaler Zeitung».
Kein Corona-Nachweis bei einheimischen Arten
rw. Bei seinen Angaben zu den Fricktaler Fledermauskolonien verweist Andres Beck auf ein 2019 lanciertes Projekt der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit der Stiftung Fledermausschutz. Projektleiter ist Professor Cornel Fraefel. Das Projekt untersucht einheimische Fledermausarten auf Viren. In einer aktuellen Mitteilung schreibt die Stiftung: «Es sind noch keine abschliessenden Resultate vorhanden. Grundsätzlich sind Fledermäuse aber Träger vieler verschiedener Viren, einschliesslich spezifischer Fledermaus-Coronaviren.» Gemäss Fraefel dürften deshalb auch bei unseren einheimischen Fledermausarten Coronaviren auftreten. «Sars-Cov2 wurde bisher trotz mehrerer Tausend Proben bei einheimischen Arten jedoch nicht nachgewiesen.» Die aktuelle Coronavirus-Pandemie habe nichts mit unseren einheimischen Fledermausarten zu tun, kommen Fachleute zum Schluss.
Fledermäuse sind bedroht und deshalb bundesrechtlich und in ganz Europa geschützt. Die Stiftung Fledermausschutz schreibt: «Sie begeistern uns nicht nur mit ihren akrobatischen Flugkünsten, sondern erfüllen durch den Verzehr riesiger Insektenmengen für unsere Landund Forstwirtschaft wichtige Ökosystemdienstleistungen. Diese werden für die Schweiz auf mehrere 100 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.»
NACHGEFRAGT | ANDRES BECK, FLEDERMAUSSCHUTZ-BEAUFTRAGTER
«Der Mensch ist das Problem»
Als Fledermausschutz-Beauftragter des Kantons Aargau beschäftigt sich Andres Beck intensiv mit diesen Tieren. Mit dem «Umgang» der Menschen mit dem Wildtier hat er seine liebe Mühe.
Ronny Wittenwiler
Herr Beck, könnte auch die Grosse Hufeisennase, wie sie in Wegenstetten vorkommt, Träger jenes Coronavirus sein, das auf den Menschen übergesprungen ist?
Andres Beck: Nein. Es wurde Kot von dieser Kolonie gesammelt und analysiert und es wurde rein gar nichts an gefährlichen Viren gefunden. Auch in den Fricktaler Fledermauskolonien des Grossen Mausohrs in Sulz, Wegenstetten und Zuzgen wurde nichts gefunden und auch nicht bei den Wasserfledermäusen in Eiken.
Ferien in der alten Trotte stellen also kein Gesundheitsrisiko dar.
Jawohl, das ist absolut kein Problem. Zudem befinden sich die Tiere im Dachstock, wo keine Gäste hinkommen.
Wie oft wurden Sie in den vergangenen zwei, drei Monaten mit solchen und ähnlichen auf Corona bezogene Fragen konfrontiert?
Unerwartet selten. Etwa drei, vier Hausbesitzer mit Fledermäusen haben sich gemeldet.
Hat das «Image» der Fledermaus unter Corona gelitten?
Fledermäuse geniessen bei uns eine hohe Sympathie. Man könnte endlos Exkursionen und Vorträge anbieten. Zudem sind wir eine aufgeklärte und gebildete Gesellschaft, die sich informiert. Den meisten dürfte klar sein, dass man Tiere nicht ohne Handschuhe anfasst oder sie gleich «fressen» soll. Das Problem sind die Chinesen. Das Image der Fledermaus dürfte bei uns nicht gelitten haben. Den meisten ist vermutlich klar, dass das Problem der Mensch selber ist.