Des Metzger-Präsidenten Kehrtwende
14.05.2020 Baselbiet, Wirtschaft, LandwirtschaftMartin Zimmermann trägt bei Projekt für Regio-Schlachthaus zwei Hüte
Metzgermeister-Präsident Martin Zimmermann hat sich mit einer Beteiligung an einem in Lausen geplanten Schlachthaus in einen Interessenkonflikt manövriert. Das Förderprojekt für landwirtschaftliche Regio-Produkte ...
Martin Zimmermann trägt bei Projekt für Regio-Schlachthaus zwei Hüte
Metzgermeister-Präsident Martin Zimmermann hat sich mit einer Beteiligung an einem in Lausen geplanten Schlachthaus in einen Interessenkonflikt manövriert. Das Förderprojekt für landwirtschaftliche Regio-Produkte steht auf der Kippe.
Christian Horisberger
Für ein neues Schlachthaus in Lausen und weitere Projekte zur Förderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Region geht es morgen um die Wurst. Der Landrat berät die Vorlage «Projekt Regionaler Entwicklung (PRE) – Genuss aus Stadt und Land». Dabei geht es um Kantons- und Bundesbeiträge für insgesamt 23 eingereichte Projekte. Das Spektrum reicht von der Stärkung des Regio-Labels «Genuss aus Stadt und Land» über eine Fruchtmanufaktur in Wenslingen, eine Mälzerei bis hin zu einem Schlachthaus in Lausen. Letzteres gilt mit einem Förderbeitrag von 1,34 Millionen Franken als das Kernstück der Vorlage – und mit ihm könnte die bikantonale Vorlage stehen und fallen.
Denn in der zuständigen Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission (VGK) hatte das mit einer Gesamtinvestition von rund 4 Millionen Franken grösste PRE-Vorhaben im zweiten Anlauf für einen Meinungsumschwung gesorgt: Zunächst war Projektentwickler und Metzger Peter Andrist (Nusshof) alleiniger Träger. Dessen Berufskollege und Metzgermeisterverbandspräsident Martin Zimmermann aus Gelterkinden sah Andrist gegenüber den Mitbewerbern bevorzugt und spies seine Bedenken via Landrat Stefan Degen (FDP) in die Politik ein. Tatsächlich lehnte die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission die PRE-Vorlage wegen dieser Ungleichbehandlung in ihrer ersten Beratung knapp ab.
Metzger im Clinch
Als die Trägerschaft des Schlachthauses um die Metzgereien Jenzer (Arlesheim) und Zimmermann erweitert wurde, kam es zum Meinungsumschwung in der VGK. Mit 7 zu 4 Stimmen empfiehlt sie dem Landrat die Vorlage und die Baselbieter Fördergelder, die Gesamtinvestitionen von mehr als 16 Millionen Franken auslösen sollen. Heute stimmt der Landrat an seiner Sitzung in Basel darüber ab.
Es sah gut aus für die Vorlage aus der Küche des «Ebenrain». Bis sich die Metzger einschalteten: Für Irritation an mehreren Fronten sorgte der am Projekt beteiligte Metzgermeisterpräsident Martin Zimmermann mit einem Schreiben an alle Landräte, in dem er im Namen seines Verbands die Vorlage zur Ablehnung empfahl. Ein solcher Betrieb (Metzgerei und Schlachthaus) verzerre den Markt; die Förderung dürfe nicht auf einen Einzelbetrieb begrenzt werden, schreibt er.
Zudem weist der Präsident auf die Mengenbegrenzung gemäss Schlachtviehverordnung hin: Für Kleinschlachtanlagen gilt die jährliche Obergrenze von 1500 Grossvieheinheiten (GVE), also Rinder, Kälber und Schweine. Diese Kapazität würde jedoch alleine schon mit den Schlachtmengen der drei beteiligten Metzger überschritten. Somit müsste mindestens einer von ihnen ausscheiden oder alle müssten ihre Mengen reduzieren. Die beabsichtigte Öffnung des Schlachthauses für alle Landwirte und Metzger der Region könne also gar nicht erfüllt werden, folgert der Präsident in seinem Brief vom 4. Mai.
Kapazitäten nicht ausreichend
Um dem Anspruch eines Regio-Schlachthauses gerecht zu werden, müsste das auf Metzger Andrist zugeschnittene Projekt durch ein auf grössere Kapazitäten ausgerichtetes ersetzt werden, führt Zimmermann auf Nachfrage der «Volksstimme» weiter aus. Allerdings seien die baulichen Auflagen für die Schlachthaus-Kategorie ab 1500 GVE deutlich strenger und die Betriebskosten höher. Als Alternative zu einem Grossbetrieb schlägt Zimmermann zwei kleine vor – beispielsweise einen im oberen und einen im unteren Kantonsteil. Den Landrätinnen und Landräten beantragt er die Ablehnung und die Ausarbeitung einer neuen Vorlage, die mit den direkt betroffenen Branchen abgestimmt ist.
Mit seinem Brief fällt Zimmermann in seiner Funktion als Verbandspräsident sich selber als Unternehmer, der seit längerer Zeit nach einer Alternative für sein eigenes Schlachtlokal mitten in Gelterkinden Ausschau hält, in den Rücken. Ebenso seinen Schlachtlokal-Partnern Andrist und Jenzer. Als Unternehmer sei er an einer Möglichkeit, am Schlachthaus zu partizipieren, interessiert, sagt Zimmermann; «das Verbandsauge» habe er daher zugedrückt. Aber «als Verbandspräsident musste ich handeln», begründet er den Briefversand.
Als vor zwei Jahren bekannt wurde, dass der Neubau von Peter Andrist mit Steuergeldern unterstützt werden soll, habe die Mehrheit der Metzger an einer Versammlung dagegen opponiert, sagt der Verbandschef. Der Vorstand sei beauftragt worden, die Position der Metzger in die politische Diskussion einzubringen. Nun stehe die Debatte im Landrat an, deshalb habe er den vor Jahresfrist formulierten Brief aus der Schublade geholt, sagt Zimmermann. Der Vorstand habe den Brief kürzlich so abgesegnet.
Hoffen auf Ausnahmebewilligung
«Ich habe mich damit bei einigen Mitgliedern wohl unbeliebt gemacht», sagt Zimmermann zur «Volksstimme». Bei seinen Mitstreitern ganz bestimmt: Peter Andrist möchte sich vor der Landratsdebatte zur Affäre nicht äussern. Das in der Vorlage federführende Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung darf nicht. Metzger Christoph Jenzer dagegen ist in die Offensive gegangen: Er bittet die Landräte in einer am Samstag versandten E-Mail, der Vorlage zuzustimmen. Aus dem Brief geht Jenzers Ärger über das Verhalten des Verbandspräsidenten hervor: Keiner verstehe, warum Zimmermann «plötzlich eine 180-Grad-Drehung» gemacht habe. Auch habe dieser der Arbeitsgruppe nie seine Zweifel mitgeteilt, nachdem er das Gemeinschaftsprojekt mitentwickelt habe.
Bei den Schlachtmengen setzt Jenzer auf eine Ausnahmebewilligung für bis zu 4000 Rinder, Kälber und Schweine jährlich. «Die alte Bestimmung mit den 1500 Tieren ist eine Schildbürger-Vorschrift», schreibt er. Ob der Vorzeige-Metzger aus dem Unterbaselbiet damit in Bern auf offene Ohren stösst, ist fraglich. Kantonstierarzt Thomas Bürge hält mit Blick auf das Schreiben Jenzers fest, dass die Gesetzgebung keine Ausnahmebewilligungen zur Erhöhung der Schlachtzahlen in Kleinschlachtbetrieben vorsehe. Betriebe mit mehr als 1500 Schlachtungen pro Jahr seien definitionsgemäss Grossbetriebe und als solche zu planen und zu erstellen.
Zimmermann hat das Schreiben Jenzers zur Kenntnis genommen. Anders als dieser behaupte, sei sein Brief keine «Einzelaktion» gewesen, sagt der Präsident. Er haben den Vorstand ja ins Bild gesetzt. Er versichert, dass er das Präsidium nicht zu persönlichen Zwecken missbraucht habe. Bei seinem Vorgehen ist er aber durchaus selbstkritisch: «Allenfalls wäre es klüger gewesen, wenn der Vizepräsident den Brief unterzeichnet hätte.»
«Lieber eine Ehrenrunde»
Unabhängig vom Scharmützel der Metzger ist die Vorlage auch in der angepassten Form nicht unumstritten. So empfiehlt der Baselbieter Obstverband den Parlamentariern die Ablehnung, der Bäuerinnen- und Landfrauenverein sowie der Bauernband beider Basel bitten um deren Zustimmung. VGK-Mitglied und Landwirt Markus Graf (SVP) wird den roten Knopf drücken. Die Stossrichtung der PRE-Vorlage gefalle ihm, in der Ausführung enthalte sie aber grosse Mängel. Unnötig findet Graf die kostspielige Stärkung eines Regio-Labels und den Bürokratiezuwachs. Zudem sei die einzelbetriebliche Unterstützung der falsche Weg: «Der grösste Teil der Bauern hätte davon nichts.» Stattdessen sollten die Projekte gemeinschaftlich getragen sein.
Ein Regio-Schlachthaus begrüsst Graf. Denn immer mehr Metzger gäben das Schlachten auf, weil sie verschärfte Auflagen für ihre Schlachtlokale nicht mehr erfüllen könnten. Doch müsste die Trägerschaft breiter sein und eine ausreichende Kapazität geschaffen werden, damit der Grossteil der Bauern und Metzger von der Einrichtung profitieren kann.
Daher empfiehlt Graf, die Vorlage zur Überarbeitung zurückweisen. «Wir drehen lieber eine Ehrenrunde, dafür haben wir dann aber etwas Schlaues.»