CARTE BLANCHE
19.05.2020 Bezirk Waldenburg, Lauwil, PolitikBevölkerungszahl schrumpft – und nun?
Thomas Mosimann, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Das Baselbiet wächst. In rund 15 Gemeinden hat aber die Wohnbevölkerung in den vergangenen 10 Jahren abgenommen oder stagniert. In Lauwil betrug der ...
Bevölkerungszahl schrumpft – und nun?
Thomas Mosimann, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Das Baselbiet wächst. In rund 15 Gemeinden hat aber die Wohnbevölkerung in den vergangenen 10 Jahren abgenommen oder stagniert. In Lauwil betrug der Rückgang nach längerer Zeit des Gleichbleibens in den vergangenen drei Jahren drei Prozent. Die Gemeinden mit schrumpfender Bevölkerungszahl liegen praktisch alle an der Peripherie unseres Kantons. Im Bezirk Waldenburg betrifft es mit einer Ausnahme alle «gebirgigen», landschaftlich attraktiven Gemeinden im Kettenjura und an dessen Rand.
Was sind die Gründe für diesen Rückgang? Eine abschliessende Antwort ist nicht möglich, zumal wir auf der Mikroebene zum Teil widersprüchliche Beobachtungen machen. Es lassen sich aber einige Trends erkennen:
– Wohnen in Zentrumsnähe oder in Orten mit «perfekter» ÖV-Anbindung und guter Ladeninfrastruktur erfreut sich zunehmender Beliebtheit.
– Kleine Gemeinden haben in den vergangenen 20 Jahren Dorfinfrastrukturen wie Post, Dorfladen, Dorfbeiz verloren. Vor allem ältere, alteingessene oder langjährige Einwohnerinnen und Einwohner verlassen die Dörfer Richtung Tal und Zentren mit guter Infrastruktur. Und sie sagen, das Dorfleben sei halt auch nicht mehr wie früher.
– Für Familien ist das Wohnen in Städten und grossen Agglomerationsgemeinden durch Quartierentwicklung, Verkehrsberuhigung und anderes mehr zum Teil attraktiver geworden. In diesem Segment ging die Nachfrage nach Bauland eher zurück.
– Die betroffenen Gemeinden haben keine so «schicke» Infrastruktur und sind beim Steuerfuss eher im oberen Segment. Die vorhandenen Wohngebäude im Dorfkern und in den älteren Wohnquartieren entsprechen zudem teilweise nicht mehr dem heute gewünschten Standard.
Auf der Mikroebene gibt es jedoch diverse gegensätzliche Beobachtungen. So verzeichnen wir beispielsweise in den vergangenen zwei Jahren einige Zuzüge von Paaren und Einzelpersonen über 50, die für den zweiten oder dritten Lebensabschnitt eine ruhige, naturnahe Wohnumgebung suchen. Familien, die zuerst eine Wohnung mieten, ziehen später bei uns in ein Haus.
Schrumpfen ist in unserer Gesellschaft fast immer negativ belegt. Ist ein Bevölkerungsrückgang also ein Problem? Ein Rückgang von wenigen Prozent über einen begrenzten Zeitraum bringt uns nicht aus der Ruhe. Denn vergessen wir nicht: Wachsen an sich ist kein Wert und bringt auch schnell neue Kosten. Eine grosse Mehrheit unserer Bevölkerung möchte auch gar nicht, dass das Dorf wächst. Dafür lebt man nicht in Lauwil. Ein stärkeres Schrumpfen würde aber schon zu Problemen führen. Deshalb sind zum Beispiel eine gute ÖV-Anbindung, Treffpunkte im Dorf, eine Neuerschliessung und die Erhaltung der kleinen Schule besonders wichtig. Eine äusserst attraktive, gesunde und naturnahe Umgebung ist sowieso ein zeitloser Wert. Und der Trend wird sich wieder ändern. Je stärker die Verdichtung und Verstädterung (Stichwort Hochhausbau) in Basel und im unteren Kantonsteil, desto mehr Leute werden sich wieder die Vorzüge der Peripherie wünschen. Und in der Zu-Hause-bleiben-Zeit ist ohnehin wieder allen klar geworden, wie toll ein Dorf mit viel Platz in wunderbarer Landschaft ist.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.