Virus erreicht Altersheim
26.03.2020 BaselbietSebastian Schanzer
Erstmals ist das Coronavirus bei Bewohnern eines Alters- und Pflegeheims (APH) im Oberbaselbiet nachgewiesen worden. Betroffen sind vier Personen aus dem Zentrum Ergolz in Ormalingen, zwei davon seien daran gestorben, wie Rolf Wirz, Sprecher der ...
Sebastian Schanzer
Erstmals ist das Coronavirus bei Bewohnern eines Alters- und Pflegeheims (APH) im Oberbaselbiet nachgewiesen worden. Betroffen sind vier Personen aus dem Zentrum Ergolz in Ormalingen, zwei davon seien daran gestorben, wie Rolf Wirz, Sprecher der Baselbieter Gesundheitsdirektion, gegenüber dem SRF-«Regionaljournal» bestätigte. Gemäss einer Umfrage der «Volksstimme» bei den Leitern der vier weiteren APH im Oberbaselbiet, ist das Zentrum Ergolz derzeit das einzige Heim mit Corona-Infizierten Bewohnerinnen und Bewohnern. Die Heime in Sissach, Gelterkinden, Thürnen und Läufelfingen sind – Stand gestern Morgen – coronafrei. Das könne sich erfahrungsgemäss aber sehr schnell ändern, wie Mireille Dimetto, Leiterin des «Mülimatt» in Sissach, sagt.
Wie und wann genau das Virus ins Zentrum Ergolz gelangte, weiss man derzeit nicht. Zu den konkreten Fällen im Heim will sich Heimleiter Raymond Caduff wegen des Persönlichkeitsschutzes nicht äussern. Man befolge die Sicherheitsmassnahmen und Hygienevorschriften, wie sie vom Bundesamt für Gesundheit und der Baselbieter Regierung verfügt wurden, seit zwei Wochen strikt: Keine Veranstaltungen, stark eingeschränktes Besuchsrecht und Schutzkleidung sowie Gesichtsmasken beim Personal. Die Bewohnerinnen und Bewohner gingen untereinander auf Distanz und der Speisesaal wurde geschlossen. Darüber hinaus gibt es im Zentrum Ergolz nur Einzelzimmer. Entsprechend könnten Betroffene problemlos isoliert werden, sagt Caduff.
Der Arzt entscheidet
Laut «Regionaljournal» wurden die beiden Verstorbenen in Ormalingen bis zum Schluss im Heim gepflegt. Aber wäre es für die übrigen Heimbewohner und das Pflegepersonal nicht sicherer, infizierte Personen ins Referenzspital auf dem Bruderholz zu bringen? «Den Entscheid über einen Übertritt ans Spital treffen die behandelnden Ärzte», so Caduff. Hat eine Person Symptome, entscheidet der Arzt oder die Ärztin zunächst, ob ein Corona-Test gemacht werden soll. Falle ein solcher Test positiv aus, werde die Person entsprechend isoliert gepflegt. «Es gibt ja auch bei älteren Menschen unproblematische Krankheitsverläufe.» Dann unterscheide sich die Pflege kaum von jener bei gewöhnlichen Grippefällen, die Schutzvorkehrungen hingegen schon.
Klar ist aber: Eine Intensivbehandlung mit Beatmungsgeräten ist wegen der fehlenden Einrichtung in keinem Altersheim möglich. Sei eine solche nötig, so überweise der Arzt die betroffene Person ans Spital – sofern sie nichts anderes wünscht.
Den ausdrücklichen Wunsch, von einer möglicherweise lebensrettenden Intensivbehandlung im Spital abzusehen, können Heimbewohner nämlich in einer Patientenverfügung festschreiben. In allen befragten Heimen werden die Personen vor dem Eintritt auf die Möglichkeit einer solchen Patientenverfügung hingewiesen. Der Anteil von Bewohnern und Bewohnerinnen mit Patientenverfügung ist in den meisten Heimen denn auch hoch.
Im Sissacher Zentrum für Pflege und Betreuung Mülimatt ist man derzeit allerdings daran, die Dokumente gemeinsam mit den Bewohnern zu aktualisieren. «Das Coronavirus stellt einen Spezialfall dar», sagt die «Mülimatt»-Leiterin Mireille Dimetto. Viele Patientenverfügungen seien unter anderen Bedingungen entstanden und nicht ohne Weiteres auf die jetztige Situation übertragbar.
Würdevolles Sterben ermöglichen
Auch im APH Homburg in Läufelfingen habe man die Heimbewohner über ihre Wünsche im Fall einer schweren Corona-Infektion befragt. «Die meisten wünschen keine Intensivpflege», sagt Heimleiter Roger Schnellmann. «Es schreckt schon ab, wenn man die Bilder aus Italien sieht, wie die Leute in den Intensivstationen an irgendwelchen Maschinen hängen.» Viele wollten im Zweifelsfall lieber im Heim und ohne Beatmungsgeräte sterben. Das sei auch bei den meisten Heimbewohnern in Sissach der Fall, wie Dimetto sagt.
Kommt hinzu, dass laut aktualisierten Ethikrichtlinien die Heime bei Ressourcenknappheit an Intensivpflegebetten in den Spitälern sogar gezwungen sind, Bewohner mit geringen Heilungschancen im Heim palliativ in den Tod zu begleiten. «Es entspricht unserem Auftrag, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen», sagt Raymond Caduff. «Wir haben dafür das entsprechende Angebot an Palliativpflege.» Die Leitung des APH Homburg in Läufelfingen hat den Spitälern darüber hinaus seine Bereitschaft signalisiert, Patienten und Patientinnen zu übernehmen, die nicht unbedingt ein Spitalbett benötigen. Sie müssten aber nachgewiesenermassen coronafrei sein. «Wir leisten damit einen Beitrag, um uns gegenseitig im Gesundheitswesen so gut es geht zu entlasten.»