Obstbauern müssen wieder bangen
24.03.2020 BaselbietSteinobst ist derzeit am meisten gefährdet
In den kommenden Nächten sinken die Temperaturen bis auf minus 5 Grad. Das könnte den bereits blühenden Obstbäumen schaden. Franco Weibel vom Ebenrain macht sich bisher vor allem Sorgen ums Steinobst. Die Familie ...
Steinobst ist derzeit am meisten gefährdet
In den kommenden Nächten sinken die Temperaturen bis auf minus 5 Grad. Das könnte den bereits blühenden Obstbäumen schaden. Franco Weibel vom Ebenrain macht sich bisher vor allem Sorgen ums Steinobst. Die Familie Salathé aus Diegten versucht derweil, ihre Apfelbäume mit einer Beregnungsanlage vor Frostschäden zu schützen.
Michèle Degen
In dieser Woche steht den Baselbieter Obstbauern die erste Zitterpartie des Jahres bevor: In den kommenden drei Nächten sinken die Temperaturen auf bis zu minus 5 Grad; in Bodennähe können es laut Prognosen sogar bis minus 8 Grad werden. Und das, nachdem es vergangene Woche frühlingshaft warm war, und viele Obstbäume schon relativ kurz vor der Blüte stehen, oder bereits erblüht sind.
Schon in der Nacht auf gestern Montag sind die Temperaturen unter den Gefrierpunkt gefallen und die Obstproduzenten mussten entscheiden, ob und wie sie ihre Anlagen schützen. Die meisten haben sich schon frühzeitig mit Frostkerzen und -öfen eingedeckt, sagt Franco Weibel vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. Bei Hochstammbäumen lohnt sich dieser Aufwand nicht. Sie haben ja die Blütenknospen auch nicht so nah am Boden und sind in dieser Beziehung besser dran als die kurz gehaltenen Bäume in den Anlagen, meint Weibel.
«Das könnten harte Nächte werden»
Um das Kernobst mache er sich keine grossen Sorgen, sagt er. «Das Steinobst ist derzeit frostempfindlicher.» Gefährlich sei es vor allem für die Steinobstanlagen im unteren Kantonsteil, wo die Knospenentwicklung schon weiter fortgeschritten ist beziehungsweise diverse Zwetschgensorten sich in der aufgehenden Blüte befinden. Ein Sorgenkind ist laut Weibel die Kirschensorte Kordia – eine der Hauptsorten im Baselbiet. «Sie ist bereits sehr empfindlich, auch wenn sie – wie jetzt – noch in der Knospe steht.» Auch bei den Zwetschgen müssen die Bauern auch im oberen Kantonsteil mit Schäden rechnen, insbesondere bei den Sorten Jojo und Dabrovice. Weniger zu befürchten haben die Rebbauern: Grund dafür ist unter anderem, dass bei den Reben noch kein Austrieb stattgefunden hat, wie Andreas Buser vom Ebenrain mitteilt. Beim Kernobst, vermutet Weibel, seien hauptsächlich die schon in die Blüte gehenden Birnensorten gefährdet.
Während Kernobst derzeit erst ab etwa minus 7,5 Grad Schaden nimmt, ist dies bei Steinobst schon ab minus rund 3,7 Grad der Fall. In den kommenden Nächten sollen die Temperaturen laut Wetterbericht auf unter minus 4 Grad fallen. Diese Temperatur wird jedoch auf 2 Metern über dem Boden gemessen. Die für den Tafelobstbau relevante Höhe beginnt schon bei 70 Zentimetern über Boden. Dort kann es weitere 1 bis 3 Grad kälter werden.
Er wolle den Teufel nicht an die Wand malen, sagt Weibel, «doch das könnten harte Nächte werden für die Obstkulturen der Region». Ein Vorteil sei jedoch, dass es trocken bleibe. Denn wenn die Knospen und Blüten nass sind, kühlen sie bei trockener Kaltluft zusätzlich ab. Das mache einen Unterschied von 1 bis 2 Grad im Pflanzengewebe. «So war es am 19. April 2017 bei schon weiter entwickelten Pflanzen, und das wurde eine Riesenkatastrophe», so Weibel.
Diese Woche könnte also bereits ein Teil der Blütenknospen erfrieren. Theoretisch vertrage es jedoch relativ grosse Einbussen, sagt Weibel. Wenn in einem Jahr mit gutem Knospenansatz wie heuer auch nur rund 15 Prozent der Blüten zu guten Früchten werden, könne trotzdem der volle Ertrag erreicht werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass den Bäumen noch weitere Frostnächte bevorstehen. Im vergangenen Jahr mussten die Bauern einige Male zittern: Die letzte Frostnacht war erst am 6. Mai.
Schützen können die Bauern ihre Anlagen-Bäume, indem sie in den Fahrgassen und unter den Bäumen das Gras kurz mulchen oder die Baumstreifen hacken, damit der Boden tagsüber möglichst viel Wärme speichern kann. Auch den Boden zu bewässern kann gemäss dem Ebenrain helfen. Ansonsten hilft nur der Einsatz von Frostschutzkerzen oder -öfen. Allein schon die Materialkosten für den Einsatz von Frostkerzen belaufen sich pro Nacht jedoch auf 3000 bis 4000 Franken pro Anlage und erhöhen die Produktionskosten enorm.
Mit Eis gegen den Frost
Die Familie Salathé aus Diegten setzt für eine rund 1 Hektar grosse Anlage mit Apfelbäumen in Itingen auf ein anderes System. Sie hat eine Anlage zur Frostschutzberegnung installiert. Dabei werden die Knospen und Blüten kontinuierlich mit Wasser besprüht, sobald die Temperaturen unter den vom Vegetationsstand abhängigen kritischen Punkt sinken. Dies wird so lange fortgeführt, bis die Temperatur wieder über 0 Grad ansteigt. Das stetig neu versprühte Wasser gefriert um die Blüten und Knospen und setzt dabei Wärme frei. So sinkt die Temperatur innerhalb der Eishülle nicht unter den für die Pflanzen schädlichen Wert.
Salathés betreiben die Anlage seit dem vergangenen Jahr. In der Nacht auf gestern haben sie die Apfelbäume zum ersten Mal in diesem Frühjahr beregnen lassen. «Auf Dauer ist das die effektivste und kostengünstigste Frostschutzmethode», sagt Pascal Salathé. Sie müssten zwar noch mehr Erfahrungen sammeln, um wirklich einschätzen zu können, bei welcher Temperatur der optimale Einschaltzeitpunkt für die Beregnung liegt. Im vergangenen Jahr erbrachten die Bäume vollen Ertrag, trotz des späten Frostes Anfang Mai. 2017 hingegen – ohne die Beregnungsanlage – sei die Ernte komplett ausgefallen. Zu den Anschaffungskosten für die Beregnungsanlage kommen die Kosten für das Wasser. Und die Anlage verbraucht einiges an Wasser: 35 bis 40 Kubikmeter pro Stunde und Hektare.
Am liebsten würde die Familie auch ihre Kernobst-Kulturen in Diegten per Beregnungsanlage vor dem Frost schützen. Doch sei es eine Herausforderung, dort die benötigte Menge Wasser sicherzustellen, so Salathé.