MEINUNG
19.03.2020 RegionWas angesichts von Corona «verrückt» ist
Replik auf die «Logenplatz»-Kolumne «Corona macht alle verrückt» in der «Volksstimme» vom 12. März, Seite 7 (Bund Zwei)
«Zwei Dinge sind unendlich, das Universum ...
Was angesichts von Corona «verrückt» ist
Replik auf die «Logenplatz»-Kolumne «Corona macht alle verrückt» in der «Volksstimme» vom 12. März, Seite 7 (Bund Zwei)
«Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.» Dieses Zitat von Albert Einstein kam mir in den Sinn, als ich den Artikel von Meinrad Stöcklin im «Logenplatz» gelesen habe.
Seit Wochen ist absehbar, was sich epidemiologisch anbahnt. Die Entwicklung in Asien bis zu unserem Nachbarn Italien und nun in ganz Europa hat inzwischen hoffentlich auch Herrn Stöcklin überzeugt, dass hier nicht von einem Hype gesprochen werden kann. Aussagen wie «Hype», «zunehmende Hysterie», «Überforderung der Behörden» entsprechen nicht den Tatsachen. Sie sind absolut unprofessionell, kontraproduktiv und gefährlich. Dass ein ehemaligen Polizeisprecher dazu einlädt, präventive Massnahmen zu ignorieren, ist in der aktuellen Phase der Pandemie nicht tolerierbar und kann fatale Auswirkungen haben.
Jemand mit gesellschaftlicher Vorbildfunktion sollte seine Aussagen auf Evidenzen stützen. Oder schweigen. Und Herrn Stöcklin fehlt offensichtlich die notwendige Evidenz. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten wird von Fachexperten, Epidemiologen eine weltweite Pandemie erwartet. An diesem Punkt sind wir nun angekommen. Beobachtungen, Fakten und Daten beweisen leider die Sachlage. Ebenso Gesundheitssysteme, die bereits mit grossen Herausforderungen konfrontiert sind. Personal, das mit hohem Engagement arbeitet, um für Betroffene und die ganze Bevölkerung ethisch wertvolle Arbeit zu leisten. Und Behörden, die gute und mutige Entscheide treffen. Auch wenn diese Entscheide nicht von allen verstanden werden oder leider nicht immer ganz perfekt sind. Das liegt in der Natur der Sache, denn Risikoabwägungen für Entscheide bringen dies mit sich. Auch das sollte Herr Stöcklin wissen.
Die Art, wie der Bund Massnahmen eingeleitet hat, ist definitiv nicht mit der eines totalitären Staats vergleichbar. Sie beruht auf besonnener Abwägung von Schaden und Nutzen in Anbetracht der sich laufend verändernden Sachlage (bisher in Rücksicht auf die kantonalen Zuständigkeiten). Ganz anders als in Wuhan also. Auch die Aussage, unsere Gesellschaft sei extrem manipulierbar, trifft nicht zu. Glücklicherweise setzt unsere Bevölkerung die Massnahmen mehrheitlich um, weil sie der Regierung, den Fachleuten zu Recht vertraut. Gleichzeitig zeigt sie Solidarität gegenüber Betroffenen und Risikogruppen – wie etwa jene jungen Menschen, die Hausdienste für ältere Menschen organisieren. Das ist gelebte Humanität.
Die nun nötigen Massnahmen gegen das Coronavirus haben für die Wirtschaft bedauerliche bis tragische Auswirkungen. Gleichzeitig bin ich sicher, dass der Bund die bestmöglichen Massnahmen zur Unterstützung von Härtefällen einleitet. Die von Herrn Stöcklin erwähnten Absagen von Sportanlässen scheinen mir angesichts einer sich global ausbreitenden Pandemie und deren Auswirkungen eher sekundär, obwohl ich dem Sport nicht abgeneigt bin.
Polemik und kontraproduktive Aussagen brauchen wir nicht. Wir brauchen jetzt Solidarität, Zusammenhalt, kein Bashing von Behörden oder Politikern. Wer jetzt an der Front in bester Absicht Entscheide in diesem Ausmass treffen muss, verdient grossen Respekt. Wer jetzt Solidarität zeigt, immer auch den Nachbarn im Auge hat und allenfalls unterstützt, verdient Respekt. Alle, die im Gesundheitswesen arbeiten, verdienen Unterstützung und Respekt. Und wenn ein ehemaliger Polizeisprecher dies beherzigen und situationsgerecht schreiben würde, dann hätte dies wohl eine konstruktivere Wirkung. Ansonsten möge er die Kolumne effektiv leer lassen.
Heinz Schuhmacher, Riehen