Gemeinsam den Schaden begrenzen
27.03.2020 Baselbiet, Bezirk WaldenburgSebastian Schanzer
Die Corona-Risikogruppe: im medizinischen Sinn sind es die über 65-Jährigen und jene Menschen mit gewissen Grunderkrankungen. Im wirtschaftlichen Sinn sind es unter anderem die Gastronomen. Mit der Erklärung der Notlage durch den Bundesrat am 16. März ...
Sebastian Schanzer
Die Corona-Risikogruppe: im medizinischen Sinn sind es die über 65-Jährigen und jene Menschen mit gewissen Grunderkrankungen. Im wirtschaftlichen Sinn sind es unter anderem die Gastronomen. Mit der Erklärung der Notlage durch den Bundesrat am 16. März mussten sämtliche Gastrobetriebe in der Schweiz ihre Lokale schliessen – bis wann, weiss derzeit niemand, mindestens aber bis zum 30. April.
«Was tun?», fragten sich die Betreiber des «Rössli» in Oberdorf, der Lampenberger «Reblaube», des «Le Murenberg» in Bubendorf und des «Leue» in Waldenburg – alles gutbürgerliche bis gehobene Küchen, die in ihren Lokalen seit bald zwei Wochen keine Gäste mehr empfangen dürfen. Ihren Umsatzeinbussen stehen die unveränderten Fixkosten gegenüber; ein Zustand, der die Gastrobetreiber ohne ausserordentliche Massnahmen früher oder später in den Konkurs treibt.
Mehr als Pizzas und Sandwichs
«Wir suchten nach einer Möglichkeit, irgendwie weiterzuarbeiten, ohne uns gegenseitig die Kunden streitig zu machen», sagt Adreas Suter, Wirt des Oberdörfer «Rössli». Denn eines ist für alle Beteiligten klar: «Wir Gastronomen müssen nun noch enger zusammenstehen, als wir es bisher ohnehin schon taten», sagt Suter.
Gemeinsam mit Fabienne Ballmer, der Vizepräsidentin von Gastro Baselland, lancierten die vier Restaurants vor einer Woche einen Oberbaselbieter Take-away-Ticker auf Facebook. «D Chuchi über d Gass» nennt sich die Gruppe. Die Gastrobetriebe – vorwiegend aus den beiden Frenkentälern – sprechen ihr Angebot miteinander ab, um sich nicht in die Quere zu kommen und teilen es über die Facebook-Gruppe der Kundschaft mit. Aufgebaut hat die Seite Suters Freundin Julia Kazis. Mehr als 750 Personen haben den Ticker bereits abonniert. Es hagelt «Likes».
Ein Teil des Umsatzes ist gerettet
Ältere Menschen, die nicht mehr einkaufen können oder das Personal von Firmen, die unverändert produzieren, seien froh, wenn sie nicht jeden Tag Sandwichs oder Pizza essen müssten, so Suter. Sein Mittagsmenü von gestern: Rindshuftwürfeli mit Sauce Café-de-Paris, Butternudeln und frisches Gemüse. «Über unseren Facebook-Ticker sind die Gäste jedenfalls gut über die Alternativen in der Region informiert».
Denn längst sind es nicht mehr nur die ursprünglichen vier Restaurants, die ihr Angebot über die Seite bekanntgeben. Das «Bad Schauenburg» in Liestal, die «Eintracht» in Bretzwil, das Tenniker «Schlössli», die Bäckerei Petit Fours und das «Heidi-Stübli» aus Reigoldswil: Sie alle Nutzen die Plattform mittlerweile auch.
Für den Take-away-Betrieb hat der «Rössli»-Wirt seinen Alltag komplett umgekrempelt. Gekocht wird nur noch ein Menü statt fünf und nur wochentags. Um 7 Uhr morgens steht Suter vor dem Grossverteiler, um einzukaufen. Dann heisst es kochen, Bestellungen entgegennehmen, E-Mails checken, sich mit den anderen Wirten austauschen – und immer wieder ermutigende Gespräche mit der Kundschaft führen. «Das ist fast das Schönste: zu erleben, wie sich die Menschen um unseren Betrieb kümmern. Und wir kümmern uns um sie.» Einen Teil des verlorenen Umsatzes kann Suter über den Take-away wieder zurückholen.
Das Essen kann persönlich auch ohne Voranmeldung abgeholt werden. Einige Dörfer in der Umgebung werden auf Wunsch beliefert. Die Menüs, die am frühen Nachmittag nicht verkauft wurden, gibts beim «Rössli» am Abend für 10 Franken. Von den ursprünglich zehn Angestellten arbeiten im «Rössli» derzeit drei Personen, inklusive Lehrling. «Hatten wir vor der Corona-Zeit jeweils von Dienstag bis Samstag bis spät in den Abend offen, ist jetzt um 19 Uhr Feierabend», sagt Suter. «Und am Wochenende haben wir frei. Für einen Gastronomen ist das durchaus eine schöne Erfahrung.»
Cremeschnitten beim «Leue»
Ebenfalls am Mittag, aber auch abends gibt es in der «Reblaube» in Lampenberg Essen zum Mitnehmen. Bestellungen sind bis 30 Minuten vor dem Abholen möglich. Der «Leue» in Waldenburg betreibt einen Verkaufsshop mit mehreren Speisen zum Mitnehmen und am Samstag gibt es zudem «Leue»-Cremeschnitten.
Grosse Nachfrage bei seinen Kunden und Kundinnen meldet Denis Schmitt vom Restaurant Le Murenberg in Bubendorf. Er arbeitet derzeit allein und bietet auf Vorbestellung ganze Menüs mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert an – alles so verpackt, damit es der Kunde im Ofen zu Hause wärmen kann. Weil das «Le Murenberg» jeweils auch über die Weihnachtstage Speisen zum Mitnehmen anbietet, kann Schmitt bereits auf Erfahrung bauen.
Dankbar für Soforthilfe
Das ist bei dem «Rössli»-Wirt Andreas Suter anders. «Wir mussten in diesen unsicheren Zeiten sogar investieren, um einen Take-away aufzuziehen», sagt er. Da kommen ihm die vom Bund versprochenen zinslosen Darlehen und die Gelder zur Soforthilfe des Kanton Baselland nicht ungelegen.
«Ich bin unglaublich dankbar für diese Hilfsmassnahmen.» Denn immerhin habe er ein Versprechen einzuhalten: «Meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe ich versichert, dass wir nach der Coronakrise den Betrieb wieder öffnen werden. Und das sind wir auch unserer treuen Kundschaft schuldig.» Heute Freitag hätte das «Rössli» eigentlich sein fünfjähriges Bestehen gefeiert. Hätte.