Die Reserven reichen nicht weit
20.03.2020 Bezirk Sissach, Wirtschaft, Gesellschaft, SissachCoiffeur Franco Mannino steht ohne Einkommen da
Keine Kunden, kein Einkommen, kaum Reserven. Der Sissacher Coiffeur Franco Mannino weiss nicht, ob sein Geschäft das Coronavirus überlebt. Er hofft, dass er die Arbeit bald wieder aufnehmen kann, und wünscht sich Hilfe vom ...
Coiffeur Franco Mannino steht ohne Einkommen da
Keine Kunden, kein Einkommen, kaum Reserven. Der Sissacher Coiffeur Franco Mannino weiss nicht, ob sein Geschäft das Coronavirus überlebt. Er hofft, dass er die Arbeit bald wieder aufnehmen kann, und wünscht sich Hilfe vom Staat.
Christian Horisberger
Für dieses Jahr hat sich Franco Mannino eigentlich aufs Feiern eingestellt: Vor 25 Jahren hat er seinen Coiffeursalon an der Sissacher Bahnhofstrasse eröffnet. Im August wollte er das Jubiläum mit seiner treuen Kundschaft angemessen feiern. «Aber jetzt wird das Jahr 2020 nicht wegen des Jubiläums in Erinnerung bleiben, sondern wegen Corona.»
Mannino ist zur Untätigkeit verdammt. Seit der Bundesrat am Montag vielen Branchen zur Eindämmung der Epidemie ein vorübergehendes Berufsverbot auferlegt hat, sind die Stühle in seinem Salon leer. Auch Hausbesuche bei Kunden hat die Landesregierung den Coiffeuren untersagt: keine Kontakte, kein Ansteckungsrisiko – so lautet die Devise.
Der Kleinunternehmer mit vier Angestellten hat für die verfügten Massnahmen volles Verständnis. Er halte sich auch eisern daran, versichert er. Er hadert auch nicht damit, dass es den Friseuren nicht gestattet ist, unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen Kunden zu empfangen oder ihnen zu Hause die Haare zu schneiden. «Das hätte höchstens einen Minimalbetrieb erlaubt – nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein», erklärt Mannino. Ausserdem hätten Coiffeure damit Schutzkleidung und -masken in Anspruch genommen, die in Spitälern dringender benötigt werden. «Die Gesundheit der Patienten und des medizinischen Personals hat für mich absolute Priorität.»
Fixkosten laufen weiter
Mannino appelliert an all seine Berufskollegen, sich solidarisch zu verhalten und ihren Beitrag dazu zu leisten, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Aber: Das Berufsverbot bedroht die Existenz von Manninos Coiffeursalon. Fixkosten wie Miete, Sozialleistungen, Wasser oder Strom liefen weiter, die Kasse jedoch bleibe leer, sagt der 48-Jährige. Er sei erleichtert, dass wenigstens seine langjährigen Mitarbeiterinnen dank Kurzarbeitsentschädigung vorerst finanziell abgesichert seien. «Hier geht es um die Existenz von vier Familien.» Die Anträge auf Kurzarbeit habe er beim Kiga gestellt, sofort nachdem der Bundesrat das Berufsverbot ausgesprochen hatte.
Den Chef selber jedoch trifft der Notstand mit voller Wucht. Als selbstständigerwerbender Einzelunternehmer ist sein Einkommen nicht versichert. Wenn er keine Haare schneiden kann, kommt nichts herein und er kann nur von den Reserven zehren. Diese seien in der Branche jedoch nicht eben üppig: «Als Unternehmer kalkuliert man die Preise so, dass man ein gutes Auskommen hat, nicht aber, um gross Reserven zu bilden.» Sein Polster reiche bestenfalls für einige Monate, sagt Mannino. Er betont, dass es sich bei seinem Salon um einen sehr gesunden Betrieb handle. «Wenn es meinem Geschäft an den Kragen geht, dann hat es zuvor bereits sehr viele andere getroffen», ist er überzeugt.
Natürlich hofft der Coiffeur, dass es nicht so weit kommt. Er hat beispielsweise bei seinem Vermieter angeklopft, um ihm seine Notlage darzulegen. Dieser habe ihm auch ein gewisses Entgegenkommen signalisiert. Im Weiteren vertraut Mannino darauf, dass der Bund auf die Forderungen seines Branchenverbands für das Einfrieren von Gläubigerforderungen eingeht.
Nicht weit genug geht in den Augen des Sissachers die Forderung nach zinslosen Darlehen, damit die Coiffeure während der Zwangsschliessung ihre Fixkosten weiter bezahlen können. «Dann schleppen wir nach der Krise einen Schuldenberg mit, den wir nicht abtragen können», befürchtet er. Denn eine Erhöhung der Preise – selbst temporär –, um die Folgen der Krise für seinen Coiffeursalon abzufedern, schliesst er aus. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Kunden dies akzeptieren würden.
Deswegen hofft der Unternehmer, dass der Bund für Härtefälle nicht rückzahlbare Finanzhilfe leistet. «Es geht mir nicht darum, den Staat auszunehmen», beteuert er. Doch sei der Notstand nicht durch Misswirtschaft verursacht worden, deshalb habe er Vertrauen, dass der Staat für das Volk da ist – «mit Taten, nicht bloss mit Worten».
Glück im Unglück
Der Unternehmer hat schwere Tage hinter sich und es liegen noch viele schwere vor ihm – wie vor vielen anderen Unternehmerinnen und Unternehmern auch. Im Gespräch mit der «Volksstimme» wirkt Mannino gefasst und er ist bemüht, so etwas wie Optimismus zu verströmen. Er versuche, nach vorne zu blicken, sagt er. «Ich habe den Neustart nach der Krise vor Augen; den Moment, in dem ich und meine Mitarbeiterinnen wieder unsere treuen Kundinnen und Kunden begrüssen dürfen.»
Während der Zwangspause hütet der Figaro zu Hause die Zwillinge. Fürs Familieneinkommen sorgt nun seine Ehefrau. Da sie im Gesundheitswesen tätig ist und ihr Pensum wegen der Epidemie aufstocken konnte, verliere seine Familie wenigstens nicht vollends den Boden unter den Füssen. «Ich bin in einer privilegierten Situation», sagt Mannino im Wissen, dass es längst nicht allen Selbstständigen so geht. Andere Selbstständige hätten schwere Existenzängste und hätten sich krankschreiben lassen müssen.
«Coiffure Suisse» fordert rasche finanzielle Unterstützung
ch. Der Branchenverband der Schweizer Coiffeusen und Coiffeure sieht seine Mitglieder von der Coronakrise ins Mark getroffen. 13 000 Betriebe mit rund 11 000 Angestellten seien auf einen Schlag ohne Arbeit.
Die Auswirkungen auf die Coiffeurbetriebe seien besonders gravierend, da deren Liquidität kaum ausreiche, um Löhne und Festkosten zu begleichen. Dies schreibt Verbandspräsident Damien Ojetti in einem Offenen Brief an die Direktion des Bundesamts für Wirtschaft (Seco).
«Es muss um jeden Preis verhindert werden, dass Salons in Konkurs gehen und es ist unabdingbar, dass sie sofort wieder öffnen dürfen, sobald die derzeit geltenden Massnahmen aufgehoben werden», verlangt Ojetti.
Wenn die Behörden die Schliessung der Geschäfte anordneten, sei «nur logisch», dass die vorliegende «höhere Gewalt» auf alle Akteure ausgeweitet werde: Gläubiger von Festkosten. Der Bund müsse sicherstellen, dass die Coiffeursalonbesitzerinnen und -besitzer dank zinsloser Finanzierungshilfen weiterhin ihre Festkosten wie Miete, Sozialversicherungen, Aufwände und so weiter bezahlen können und ihnen die Hilfe innerhalb kürzester Frist und unter minimalem administrativem Aufwand zur Verfügung gestellt werde. Sämtliche Forderungen gegenüber Coiffeuren während der Schliessung der Geschäfte seien auszusetzen.