«Unsere Mitglieder sind sehr solidarisch»
20.03.2020 Baselbiet, Lausen, Bezirk Liestal, LandwirtschaftImmer mehr Frauen wollen Bäuerin sein, sagt Myriam Gysin vom Landfrauenverein
Myriam Gysin, Bäuerin mit eidgenössischem Fachausweis, leitet den Bäuerinnen- und Landfrauenverein beider Basel seit sechs Jahren. Sie setzt sich mit ihren Vorstandskolleginnen unter anderem das Ziel, den ...
Immer mehr Frauen wollen Bäuerin sein, sagt Myriam Gysin vom Landfrauenverein
Myriam Gysin, Bäuerin mit eidgenössischem Fachausweis, leitet den Bäuerinnen- und Landfrauenverein beider Basel seit sechs Jahren. Sie setzt sich mit ihren Vorstandskolleginnen unter anderem das Ziel, den Rückgang des Mitgliederbestands aufzuhalten.
Elmar Gächter
Frau Gysin, das Thema Coronavirus beschäftigt bestimmt auch Sie. Was bedeutet die Pandemie für Sie und Ihren Betrieb?
Myriam Gysin: Unser Landwirtschaftsbetrieb mit der Milchwirtschaft läuft – zumindest im Moment – normal weiter. Hingegen spüren wir bei unseren Nebenprodukten schon einen Wandel. So fällt der Absatz von Kartoffeln an Restaurants praktisch aus, im Gegenzug können wir an verschiedene Hofläden der Region liefern.Auch kommen vermehrt Kundinnen zu uns auf den Hof, um Eier oder Milch zu kaufen.
Die Generalversammlung Ihres Vereins musste abgesagt werden.
Das ist so. Der Vorstand hat sich entschieden, die zwingenden statutarischen Geschäfte, unter anderem die Wahlen, schriftlich durchzuführen. Das ist laut juristischer Auskunft möglich, jedoch mit einem grösseren zusätzlichen Aufwand verbunden.
Der Verein ist heuer 90-jährig. Wie hat er sich im Lauf dieser Zeit verändert?
Der Verein steht für 90 Jahre Frauenbewegung. Für die Bäuerinnen und Landfrauen war es vor allem auch wichtig, ausserhalb von ihren Familien und Betrieben zusammen etwas zu unternehmen; der gesellschaftliche Aspekt spielte eine grosse Rolle. Dies ist zwar heute noch so, aber wir sind längst der Berufsverband der Bäuerinnen. Zusammen mit dem schweizerischen Dachverband setzen wir uns stark für die Weiterbildung ein. Wir bringen uns auch vermehrt in politischen Fragen ein.
Was steht zurzeit zuoberst auf der Prioritätenliste?
Grundsätzlich wollen wir das Traditionelle weiterhin pflegen. Dazu gehört der Gedankenaustausch unter uns Frauen. Man soll sich zwischendurch auch gegenseitig das Leid klagen können. Dann bieten wir in verschiedenen Bereichen Kurse an und beschäftigen uns nicht zuletzt mit sozialen Aspekten der Bäuerinnen und Landfrauen.
Wie stark beschäftigen die Themen angemessener Lohn, Anrecht auf Arbeitslosenentschädigung und IVund Pensionskassenrente den Verein?
Dies ist ja ein grosses Thema im Agrarprogramm 22+ des Bundes. Von der Absicht, diese Themen mit Direktzahlungen an die Betriebe zu verknüpfen, ist er inzwischen abgewichen. Aus unserer Sicht sind diese Aspekte sehr betriebsspezifisch zu betrachten. Aber eines ist klar: Viele Bäuerinnen sind finanziell zu wenig gut abgesichert, sei dies bei der Rente oder wenn es zu einer Trennung oder Scheidung kommt. Die meisten meiner Vorstandskolleginnen, die im eigenen Betrieb mitarbeiten, beziehen heute ihren Lohn. Unser Verein hat das klare Ziel, die Mitglieder bei entsprechenden Fragen zu unterstützen.
Wie hat sich das Bild der Bäuerin geändert?
Sie ist im Lauf der Jahre viel selbstständiger geworden. Sie führt allenfalls selber einen Betrieb oder einen eigenen Betriebszweig, sei dies in der Direktvermarktung oder im Agrotourismus.
Und wie steht es bei Ihnen?
Zunächst bin ich überzeugte Bäuerin mit eidgenössischem Fachausweis. Ich arbeite im Betrieb mit, habe jedoch mit dem Obstbau oder den Kirschen und Zwetschgen mein eigenes Metier. Zudem bin ich als gelernte Krankenschwester mit einem Teilpensum bei der Spitex im Einsatz.
Sie haben die Aus- und Weiterbildung erwähnt. Wie steht es mit Nachwuchs an jungen Bäuerinnen?
Das Interesse hat in den vergangenen Jahren zugenommen, gerade auch auf gesamtschweizerischer Ebene. Allein für diesen Frühling haben sich gegen 100 Frauen für die Prüfung als Bäuerin angemeldet. Aus dem Baselbiet haben diesen Winter fünf Frauen die bäuerlich-hauswirtschaftliche Fachschule am Wallierhof abgeschlossen.
Gerade in speziellen Zeiten wie diesen spricht man vermehrt von Solidarität. Wie solidarisch sind die Bäuerinnen und Landfrauen?
Wir kennen seit vielen Jahren die Landfrauenhilfe. Diese wird vermehrt genutzt, sei dies für die kurzfristige Unterstützung bei Geburt oder Unfall oder auch längerfristige Einsätze. Aus meiner Sicht sind unsere Mitglieder sehr solidarisch. Sie tragen alle mehr oder weniger das gleiche «Rucksäckli» und erleben Ähnliches in ihren Familien, mit ihren Eltern oder Schwiegereltern. Es ist für eine Frau nicht immer einfach, wenn sie neu in einen Betrieb kommt. Wenn man sich dann untereinander austauschen kann, ist dies für das Seelenwohl sehr wichtig.
Ihr Verein kämpft seit Jahren mit sinkenden Mitgliederzahlen. Was machen Sie dagegen?
Wir sind gegenwärtig rund 850 Mitglieder, waren aber schon mehr als 1000. Und der Trend ist immer noch sinkend, Stichwort Überalterung. Die sinkenden Zahlen gehen auch einher mit dem Verschwinden von Landwirtschaftsbetrieben. Deshalb wollen wir zusammen mit dem Dachverband vermehrt Anstrengungen unternehmen, die Zahlen mindestens zu halten. Wir sprechen dabei auch vor allem die Landfrauen an. Sie können bei uns mitmachen, auch wenn sie nicht auf einem Bauernbetrieb arbeiten. Sie sollten einfach Interesse am ländlichen Leben haben.
Macht Ihnen die Leitung des Vereins nach wie vor Freude?
Ja, das Amt macht mir nach vor Spass. Ich spüre, dass wir Frauen am gleichen Strang ziehen und schätze die Harmonie im Vorstand, auch wenn wir über dieses und jenes intensiv diskutieren.