«Unsere Gäste sind Kenner und Geniesser»
12.03.2020 ZiefenDie «Hauptstross 100» schliesst im Juni ihre Türen
Seit der Eröffnung des Whiskyladens «Hauptstross 100» in Ziefen vor zehn Jahren ist es ein eigentliches Kultlokal. Doch am 19. Juni ist endgültig Schluss. Dies werden nicht nur die Whisky-Liebhaber ...
Die «Hauptstross 100» schliesst im Juni ihre Türen
Seit der Eröffnung des Whiskyladens «Hauptstross 100» in Ziefen vor zehn Jahren ist es ein eigentliches Kultlokal. Doch am 19. Juni ist endgültig Schluss. Dies werden nicht nur die Whisky-Liebhaber bedauern.
Elmar Gächter
Herr Stohler, Herr Haas, im Juni soll endgültig Schluss sein an der «Hauptstross 100». Geht Ihnen der Whisky aus?
Guido Stohler: Keine Angst, unser breites Angebot halten wir bis zum 19. Juni aufrecht, wenn wir letztmals geöffnet haben. Aber es wird uns beiden einfach zu viel, uns jeden Freitagabend unserem Hobby zu widmen. Wir kommen praktisch nie dazu, an diesen eigentlichen Ausgehabenden selber etwas zu unternehmen.
Genio Haas: Zudem sind wir hier nur eingemietet und wissen eigentlich nie, bis wann wir bleiben können. So ging es uns ja schon an der ersten Bleibe, als wir uns relativ schnell nach etwas anderem umsehen mussten.
Wo wurde eigentlich die Idee geboren, hier dieses spezielle Lokal zu eröffnen?
G.S.: In Schottland auf einer einwöchigen Whiskywanderung auf dem Speysideway mit Besuch verschiedenster Destillerien – und zusammen mit unseren Frauen. Zwischendurch waren wir zwei auch allein unterwegs, wie an jenem Abend – einem Freitag notabene – im Pub, als die Idee geboren wurde, hier in Ziefen einen Begegnungsort für die Bevölkerung zu schaffen.
Weshalb gerade Whisky? Es hätte ja auch ein Biertempel sein können.
G. S.: Wir waren beide keine Whisky-Kenner. Ich selbst habe meinen ersten Whisky erst rund fünf Jahre vor unserer ersten Reise nach Schottland getrunken. Aber dann hat es mir nach und nach «den Ärmel reingenommen». Gehst du der Sache nach, entdeckst du immer etwas Neues, das macht es spannend. Und das Spezielle daran ist, dass du selber etwas zusammenspinnen kannst, weil du weisst, wie es funktioniert.
G. H.: Vor allem lernst du von Leuten, die den Whisky gerne haben und davon etwas verstehen.
Ist es bei einem Angebot von über 400 verschiedenen Whiskysorten überhaupt möglich, den Gästen den «richtigen» anzubieten?
G. S.: So schwierig ist das eigentlich nicht. Wenn du ihnen fünf Sorten hinstellst, die ganz verschieden hergestellt werden, spürt jeder den Unterschied. Wir fragen unsere Gäste zunächst, ob sie sich einen rauchigen oder einen nicht rauchigen Whisky vorstellen. Dann beobachten wir sie bei ihrem ersten Schluck.
G. H.: Der erste Schluck ist beim Whiskytrinken nicht der beste. Du verletzt schnell den Gaumenbereich, weil der Alkoholgehalt relativ hoch ist. Wenn ein Einsteiger den Whisky degustiert, ihn zu schnell hinunterschluckt und das Gesicht verzieht, dann hat er schon den ersten Fehler gemacht. Darauf machen wir ihn aufmerksam und empfehlen ihm, den ersten Schluck im Mund zu behalten und mit dem eigenen Speichel zu verdünnen.
Besuchen mehr Männer als Frauen die «Hauptstross 100»?
G. S.: Grundsätzlich sind wir männerlastig. Es gibt jedoch auch Abende, da kommen bis zu einem Viertel Frauen. Und neben Stammgästen dürfen wir auch immer wieder neue Gäste begrüssen.
G. H.: Man sieht auch immer wieder Väter mit ihren Söhnen und Töchtern. Hier soll stets die Möglichkeit sein, dass eine Frau auch allein erscheinen kann. Bei uns werden alle ernst genommen. Und es kann schon vorkommen, dass sich Leute, die seit vielen Jahren nebeneinander im gleichen Quartier wohnen, hier das erste Mal kennenlernen.
Haben Frauen einen anderen Gaumen als Männer?
G. H.: Nein, das kann man nicht sagen. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Frauen nach einem «Frauenwhisky» verlangen. Einen solchen gibt es aber nicht.
G. S.: Die Mehrzahl der Frauen bevorzugt einen nicht rauchigen Whisky, es gibt aber auch solche, die trinken nur rauchigen.
Sie hatten in diesen 10 Jahren Tausende von Gästen. Welches war das schönste Kompliment, das Sie erhalten haben?
G. S.: (lacht) Du hast eine verdammt schöne Frisur.
G. H.: Das Bleibende ist, wenn Einheimische und Auswärtige uns die Ehre geben und sagen: «Das musst du gesehen und erlebt haben.» Die meisten, die zu uns kommen, sind schon mal in einer guten Stimmung. Es kam hier noch nie jemand mit einer richtig miesen Laune zur Tür rein.
G. S.: Und die meisten Gäste sind Geniesser und auch Kenner. Sie schätzen es, miteinander über ihr Lieblingsgetränk zu diskutieren.
Wie ist es eigentlich mit Ihren persönlichen Whisky-Vorlieben? Haben sie sich im Laufe der Jahre verändert?
G. S.: Das ist sehr stimmungsabhängig. Und im Sommer trinkst du beispielsweise eher einen leichten, fruchtigen Whisky als einen rauchigen.
G. H.: Gestern meinte Guido zu einer Sorte, sie sei salzig und verband dies mit angenehmen Erinnerungen an einen Meeresstrand, ich hingegen eher mit versalzenen Kartoffeln.
Und welchen würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen?
G. S.: Für mich müsste eine alter Glendronach zwingend mit. Da spürst du noch prägnant den Geschmack nach Sherry.
G. H.: Diesen Entscheid müsste ich zu jenem Zeitpunkt treffen, wenn die Frage aktuell würde. Whisky müsste schon mit, aber keinen Wein, der wäre zu schnell leer getrunken (lacht).
Wie wichtig war es Ihnen, Kultur in dieses Lokal zu bringen?
G. H.: Dazu hat uns ebenfalls Schottland inspiriert. Bei einem unserer Pub-Besuche kamen Junge aus dem Training, fingen mit den Älteren an zu diskutieren und dann miteinander zu singen. Wir durften hier viele tolle Musik-, aber auch Theaterabende verbringen. Und in ganz besonderer Erinnerung bleibt uns der spontane Besuch des Schweizer Fernsehens. Da war unser Lokal proppenvoll, die Leute hielten sich sogar im Lager, im Gang und in der Küche auf.
Sie bezeichnen sich selber als Dream-Team. Hatten Sie zusammen nie «Lämpe»?
G. S.: Es hat jeder von uns ein bisschen seinen eigenen Vogel. Klar haben wir immer wieder über dies und jenes diskutiert, aber nie so, dass sich einer von uns gekränkt gefühlt hätte.
Was passiert Ende Juni mit all dem Whisky, der noch übrig bleibt?
G. H.: Wir werden sicher nicht dazu aufrufen, alle Flaschen leer zu trinken, denn wir brauchen davon auch weiterhin in unserem Laden in Liestal.
G. S.: Und selber trinken wir ihn nur im Worst Case fertig.
Am 19. Juni ist es aus und vorbei – mit grosser Wehmut?
G. S.: Nein, absolut keine Wehmut.
G. H.: Wir hatten viele tolle Begegnungen, durften viele interessante Leute kennenlernen und erinnerungswürdige Anlässe erleben. Aber jetzt beginnt wieder etwas Neues, es geht mit anderem weiter, das war bei uns beiden immer so.
Aber dem Whisky bleiben Sie treu?
G. H.: Wir haben ja nach wie vor unseren Laden in Liestal, gehen weiterhin an Messen und werden den einen oder anderen Event organisieren, beispielsweise in Richtung Dschungelbar.
G.S.: Eines ist sicher: An Ideen mangelt es uns auch künftig nicht.
Zu den Personen
emg. Guido Stohler ist 62 Jahre alt, Drogist und Laborant, geht zusammen mit seiner Frau gern auf Veloreisen und will sich in Zukunft vermehrt dem Rebberg und dem Weinanbau widmen.
Genio Haas hat vor ein paar Tagen seinen 65. Geburtstag gefeiert. Er ist handwerklicher Allrounder und bleibt zusammen mit Guido dem Whisky mit all seinen vielen Facetten auch weiterhin treu. Als Dream-Team führen sie zusammen seit 2010 das Lokal «Hauptstross 100» in Ziefen, das nicht nur bei Whisky-Liebhabern eine absolute Muss-Adresse ist. Vergangenen Freitag feierten sie mit grossem Erfolg ihr 10-Jahre-Jubiläum. Ihr Kultlokal ist weiterhin an Freitagabenden offen, am 19. Juni jedoch unwiderruflich zum letzten Mal. Die Whisky-Liebhaber dürfen sich jedoch nach wie vor freuen, ihr Lieblingsgetränk im Laden von Genio Haas und Guido Stohler am Zeughausplatz 29 degustieren und erwerben zu können.