Wenn die Tambouren mit den Füssen wirbeln
25.02.2020 Bezirk Liestal, Fasnacht«Rotstab-Cabaret» vom illuminierten Törli bis zu Thunberg und Trump
Das diesjährige «Rotstab-Cabaret» baut auf das bewährte Erfolgsrezept. Die «Stedtli-Singers» mit ihrem wie immer fulminanten Schlussfurioso, davor überzeugende Auftritte der Cliquen, starke Dichtkunst und – ...
«Rotstab-Cabaret» vom illuminierten Törli bis zu Thunberg und Trump
Das diesjährige «Rotstab-Cabaret» baut auf das bewährte Erfolgsrezept. Die «Stedtli-Singers» mit ihrem wie immer fulminanten Schlussfurioso, davor überzeugende Auftritte der Cliquen, starke Dichtkunst und – leider teils zu zotige – Kabarett-Nummern.
Jürg Gohl
Die «Stedtli-Singers» wissen um ihre Popularität. Ihre Kunst, aktuelle Ereignisse aus Liestal, aus der Region und aus der ganzen Welt bestens gereimt und auf thematisch passende Melodien («Great Pretender» wird zu «alles gender») gesungen auf die Bühne zu bringen, überrascht selbst Stammgäste des Rotstab-Cabarets immer wieder aufs Neue. So haben sie nach dem alljährlichen Schluss-Song des «Rotstab-Cabarets» – natürlich gereimt auf die Melodie von Liza Minellis «Life is a cabaret» – eine Zugabe auf Lager. «Me waiss, dass me vyyl ändere sött, aber keine das so richtig wött», wird dieses Supplement angekündigt. Dann setzen sich die befrackten Sänger noch musikalischdichterisch mit dem Klimawandel auseinander, nachdem sie sich davor bereits mit Flug, Fluh und Flut befasst haben: den Irrungen der Patrouille Suisse, der Schweizer Fahne an einer Liestaler Felswand und dem Herumirren chinesischer Touristen in Luzern.
Gerade die Schweizer Flugstaffel-Piloten haben bereits vorher dafür gesorgt, dass im Gegensatz zu ihnen manche Pointe zielsicher landete.
Treffsichere Fasnachtspoeten
Etwa bei Flugpionier Oskar Bider, der gemeinsam mit Carl Spitteler, 100 Jahre nach dem Todesflug beziehungsweise der Verleihung des Nobelpreises, auf der Bühne des Liestaler KV-Saals ein Comeback gibt. Gemeinsam mit ihren starken Versen verschaffen sie der diesjährigen Auflage so etwas wie einen Rahmen.
Nicht alle Fasnachtspoeten reimen so erfolgreich, etwa die Schnitzelbänkler. S spitzig Ryssblei steuert doch den einen oder anderen Treffer bei. Der Papageno aber, der die Mühe scheut, den schwarzen Baslerstab auf seiner Larve fürs «Cabaret» durch einen roten Stab zu ersetzen und deshalb «Bändeliherre»-Mentalität ausstrahlt, kann nicht punkten, weil er eine Faustregel missachtet: Je tiefer unter der Gürtellinie, umso höher muss die Qualität sein.
Daran krankt phasenweise auch die Kabarett-Nummer, die im Altersheim spielt: Humor auf Kosten greiser Mitmenschen schmeckt schal, zumal der Gag mit dem Schwerhörigen, der immer alles falsch versteht, mindestens so viele Jahresringe trägt wie die älteste Baselbieter Vorfasnachts-Veranstaltung selber.
Ausgerechnet die Nummer, in der sich der Tambourmajor mit zwei Handys darum bemüht, für die Clique ein Sujet zu finden, das allen passt, und die sich am stärksten vom gewohnten Kabarett weg bewegt, überzeugt am meisten. Dass gleich anschliessend der traditionelle Zeedel nicht wie gewohnt von einer klassischen Fasnachtsfigur, sondern von verschiedenen Cliquen- und «Stedtli»-Promis per Einspielung verlesen wird, ist nur konsequent. Sie führt uns eine Fasnachtsvision vor Augen, die sich sicher niemand wünscht.
Grün-, Blau- und Violettstäbler
Auch der Stamm tritt nach dem Zeedel als Influencer auf, wandelt also ebenso in der Welt der sozialen Medien, verbunden mit einer gehörigen Portion Spott, aber auch Angst vor dem Vereinsamen. Wie gewohnt verdienen die musikalischen Auftritte Bestnoten, weil sie oft auch originell umgesetzt werden. Dass Tambouren mit leuchtenden Schlägeln im Dunkeln wirbeln und so aus den Rotstäblern auch Grün-, Blau- und Violettstäbler werden, das ist nicht neu. Dazu wird die Trommel zusätzlich in allerlei verschiedenen Varianten bearbeitet. Der Stamm ist mit seiner Interpretation von «Lord of the Dance» für einen weiteren musikalischen Höhepunkt verantwortlich. Bewusst werden die Zuhörer anfangs mit sanften Klängen auf die falsche Fährte gelockt. Doch statt in tränenreiche Klänge à la «Amazing Grace» mündet das Stück in eine fröhliche Melodie, und fünf Tambouren stellen dabei ihre Trommel beiseite, um dazu in irischem Stil zu tanzen.
Apropos Musik: Anstelle der traditionellen Guggenmusik trat an derVorpremiere, welche die «Volksstimme» besuchte, ein Bläser-Septett auf. Der starke Applaus, den es einfuhr, muss als Impuls aufgefasst werden, die Guggenmusik künftig dort wirken zu lassen, wo sie hingehört, nämlich im Freien. Aber vorher gilt alle Aufmerksamkeit dem «Rotstab-Cabaret» 2020.