MEINE WELT
07.02.2020 GesellschaftDas WEF – Plauderbühne oder Dialogplattform?
150 Millionen US-Dollar kostete der Einzug Donald Trumps an das WEF. Haben Sie sich geärgert? Haben Sie sich gedacht, es kostet nur Steuergelder, wenn sich die Reichen und Mächtigen in Davos vereinen, um den ...
Das WEF – Plauderbühne oder Dialogplattform?
150 Millionen US-Dollar kostete der Einzug Donald Trumps an das WEF. Haben Sie sich geärgert? Haben Sie sich gedacht, es kostet nur Steuergelder, wenn sich die Reichen und Mächtigen in Davos vereinen, um den Klimawandel und Innovation zu diskutieren? Ausser allgemeinen Statements, Greta und Donald Trumps Selbstinszenierung kommt ja eh nichts dabei heraus? Drei Gründe, um diese Perspektive zu wechseln:
1. Als offenes Forum bietet das WEF Raum für Annäherungen zwischen Konfliktparteien und Entscheidungsträgern verschiedenster Gruppen und Staaten. Und ja, das ist nötig, auch wenn Fehlschläge häufiger sind als Erfolge.
2. Die Klimajugend kommt physisch an die heran, die aus dem Protest der Strasse Gesetzesentwürfe, Umsetzungspläne und Abkommen schmieden sollen.
3. Frieden und Meinungsfreiheit, Wachstum und Wohlstand sind nicht selbstverständlich. Sie müssen permanent vermittelt und verteidigt, beworben und durchgesetzt werden. Politische Pläne werden zum grössten Teil in winzigen Schritten, mühsamen Verhandlungen, mit Rückschlägen und sehr viel Geduld und Diplomatie realisiert. Demokratie hat ihren Preis. Doch wenn der Dialog endet, sprechen schnell die Waffen.
Ohne UNO, Europarat, OSZE, G20 und das WEF gäbe es mehr Migration, mehr Konflikte und weniger Fortschritt. Damit sich Staaten in den grossen Fragen der Zeit aufeinander zu bewegen, braucht es Vertrauen in die Absichten der anderen. Vertrauen entsteht nicht auf Twitter oder Facebook, sondern in persönlichen Gesprächen. Sie vertrauen doch auch nur jemandem, den Sie wirklich gut kennen und mit dem Sie sich in wichtigen Themen schon auseinandergesetzt haben. Vielleicht haben Sie sogar ein gewisses Verständnis für abweichende Meinungen des anderen entwickelt. Denn Sie hatten Zeit zu diskutieren. Auch Staatschefs und Regierungsbeamte brauchen diese Zeit. Nur müssen sie die Beziehungen immer wieder neu entwickeln, denn Trump und Obama, Theresa May und Boris Johnson sind weder persönlich noch politisch deckungsgleich.
Fortschritte auf der Dialogebene geschehen nicht in Echtzeit und sind praktisch nie perfekt. Haben sich noch nicht alle wichtigen Partner auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt, müssen Zusagen vertraulich bleiben: Geraten sie vorzeitig an die Öffentlichkeit, kann ein Staatenlenker aus innenpolitischen Gründen oder wegen seiner aussenpolitischen Abhängigkeiten gezwungen sein, seine Bereitschaft zurückzuziehen. Das macht Arbeit zunichte und ist der Grund, warum Diplomatie von Zurückhaltung lebt und das WEF selten mit konkreten Beschlüssen endet.
Das WEF nutzt die Intelligenz aus vielen verschiedenen Lebenswelten, um Wege in eine gemeinsam verantwortbare Zukunft zu suchen. Solche Vermittlungsforen lassen sich an einer Hand abzählen. Die Schweiz und mit ihr das WEF sind hier feste Grössen. Denn die Schweiz lebt vom Dialog – aussenpolitisch und innenpolitisch.
Petra Huth ist Politikwissenschaftlerin und Ökonomin. Die deutsche Staatsangehörige lebt seit 1993 im Baselbiet und seit 1999 in Anwil.