Die Liebe entstauben
14.02.2020 Baselbiet, LausenDie App «Pairfect» soll für mehr Romantik sorgen
Eine App aus dem Oberbaselbiet will Paare dabei unterstützen, zufrieden zu bleiben. Es geht um den spielerischen Umgang mit der Beziehungspflege mittels tiefgründiger Gespräche und kleiner Aufmerksamkeiten – und das nicht nur zum ...
Die App «Pairfect» soll für mehr Romantik sorgen
Eine App aus dem Oberbaselbiet will Paare dabei unterstützen, zufrieden zu bleiben. Es geht um den spielerischen Umgang mit der Beziehungspflege mittels tiefgründiger Gespräche und kleiner Aufmerksamkeiten – und das nicht nur zum Valentinstag.
Remo Schraner
Mit der Beziehungspflege verhalte es sich ähnlich wie mit dem Gehalt, meint Florian Müller aus Lausen – man rede nicht darüber. Der 38-jährige Informatiker machte sich vor fünf Jahren selbstständig und führt bis heute zusammen mit seinem Kollegen Domenic Benz eine Softwarefirma. Bei all dem beruflichen Erfolg vermisste Müller die gemeinsame Zeit mit seiner Frau. «Was dann passierte, könnte man als schizophren bezeichnen», sagt Florian Müller und lacht. Anstatt mehr Zeit mit seiner Partnerin zu verbringen, begann er sich für Paarpsychologie zu interessieren und aus der privaten «Notlage» entstand ein weiteres Start-up. Seit 2018 betreibt Müller die Firma «Pairfect», wiederum mit seinem Geschäftspartner Domenic Benz. Der Firmenname ist eine Kombination aus den englischen Begriffen für «Paar» und «perfekt».
Neue Beziehungsimpulse
Müller erinnert sich, dass seine Frau nicht sonderlich begeistert war, als er eine weitere Firma gründete. «Aber schnell sah sie den Nutzen darin», sagt er. Denn die App hilft Paaren, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Das funktioniert so: Beide Partner installieren die kostenpflichtige App auf dem Handy und mithilfe verschiedener Optionen kann die Beziehungspflege angegangen werden.
Da ist zum Beispiel das Quiz. Beantworten beide die Fragen, sieht man jeweils die Antwort des anderen. Eine Frage lautet: «Glaubst du, dass du und dein Partner bis an das Ende eurer Tage zusammen sein werdet?» Wer hier mit einem Nein antwortet, sorgt für regen Gesprächsstoff. Und genau das ist das Ziel.
Zwischendurch sendet die App sogenannte Impulse, also Tipps. So soll man zum Beispiel bewusst das Handy weglegen oder dem Partner etwas Gutes tun. Auch Florian Müller und seine Frau nutzen diese Funktion. Er warnt aber davor, über die Impulse zu reden: «Ansonsten ist man schnell in der unangenehmen Situation, dass der andere Partner den Vorwurf macht, man hätte die Geschirrspülmaschine nur ausgeräumt, weil es die App vorgeschlagen hatte.»
Wer öfter redet, hat öfter Sex
Florian Müller betont, dass die App keine Paartherapie ersetzen könne. Sie soll aber dem «schleichenden Beziehungszerfall» entgegenwirken. Laut Pairfect kommt diese früh genug: Nach den ersten sechs Monaten des Verliebtseins folgt der Beziehungsalltag mit den ersten Tiefs. «Nach der ersten gemeinsamen Wohnung und den Kindern wird der Alltag ziemlich grau, wenn man nicht aktiv etwas dagegen macht», sagt Müller. An diesem Punkt setzt die App an, damit die Beziehung ihren Schwung beibehält.
Ein weiteres Versprechen von Pairfect ist, dass man durch die Nutzung häufiger Sex mit dem Partner hat. Die Theorie: Sobald man gemeinsam über die Beziehung spricht, wird die Sexualität zum Thema. «Sexualität ist genauso wichtig wie die Kommunikation. Sobald beiden bewusst wird, dass Sex zur Beziehungspflege gehört, kommt es auch zu mehr Sex», erklärt Müller. Wie häufig das ist, kann Müller aber nicht festlegen.
Partner versus Handy
Hinter Pairfect stecken zwölf Mitarbeiter. Florian Müller arbeitet im Homeoffice in Lausen, während die anderen von Zürich, Schaffhausen und von Deutschland aus arbeiten. Ein Team von Psychologen der Universität Bonn schreibt für Pairfect Artikel wie «Eifersucht überwinden» und validiert neue Funktionen für die App. So wurde zum Beispiel eine Chat-Funktion von den Experten verhindert, obwohl sich die User eine ebensolche gewünscht hätten. «Die App soll nur so lange genutzt werden, bis es neuen Gesprächsstoff oder Impulse für die Beziehung gibt», erklärt Müller.
Es bleibt also die Frage, warum Paare überhaupt Technologie brauchen, um letztlich weniger Technologie zu nutzen. Florian Müller: «Auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch. Aber das Handy geniesst meist eine höhere Aufmerksamkeit als der eigene Partner.» Weiter sagt er, dass die ältere Generation noch wusste, dass gemeinsame Hobbys und Erlebnisse wichtig sind, «aber heute behandeln die meisten ihre Beziehung wie ein Möbelstück, das sie alle drei Jahre einmal entstauben».
Die Herausforderung
Die App ist seit Anfang 2019 im Google Play Store und im Apple Store erhältlich. Im vergangenen Jahr wurde sie 100 000 Mal runtergeladen. Die beiden Gründer Müller und Benz freuen sich über diese Zahl. Sie hatten mit weniger Zuspruch der User gerechnet, da das Thema Beziehungspflege schambehaftet ist. «Unsere grösste Herausforderung ist die Entstigmatisierung der Beziehungspflege. Ob sich ein Paar mittels eines Beziehungsratgeber-Buchs, regelmässiger Gespräche oder unserer App zu helfen weiss, spielt für mich keine grosse Rolle. Unsere Hauptmission ist, das Thema Beziehungspflege salonfähig zu machen.»
Die App empfi ehlt zum Valentinstag:
Machen Sie heute früher Schluss auf der Arbeit und überraschen Sie Ihren Partner, indem Sie früher nach Hause kommen. Kein Meeting der Welt kann wichtiger sein als Ihre Partnerschaft! Setzen Sie die Prioritäten aber nicht nur am heutigen Valentinstag richtig, sondern auch in den kommenden Wochen– zugunsten Ihrer Partnerschaft.