Der Besuch der alten Kumpane
13.02.2020 Bezirk Waldenburg, Waldenburg«Irrwisch», eine der ältesten Schweizer Pop-Rock-Gruppen, spielte einst auf den ganz grossen Bühnen. Jetzt gastierte die Solothurner Band auf kleiner Bühne in Waldenburg. Unser Mitarbeiter «Pek» Peter Krattiger hörte zu. Er war in den erfolgreichen Zeiten Gitarrist der ...
«Irrwisch», eine der ältesten Schweizer Pop-Rock-Gruppen, spielte einst auf den ganz grossen Bühnen. Jetzt gastierte die Solothurner Band auf kleiner Bühne in Waldenburg. Unser Mitarbeiter «Pek» Peter Krattiger hörte zu. Er war in den erfolgreichen Zeiten Gitarrist der Band.
«Pek» Peter Krattiger
Eigentlich wollte ich diesen Konzertbericht mit einer Besprechung des neusten Werks meiner früheren Weggefährten verbinden. Nun wurde aber vergangenen Sonntag kein einziger Song davon in der prall gefüllten reformierten Kirche Waldenburg gespielt. Denn es handelte sich um ein Gedenkkonzert für Fredy Maissen, einen Freund der Gruppe und passionierten Konzertveranstalter aus dem und für das Waldenburgertal, der ziemlich genau vor einem Jahr nach langer Krankheit verstorben war.
So erarbeitete «Irrwisch» speziell für «Friede», wie Fredy von seinen Freunden genannt wurde, ein Konzertrepertoire aus dessen Lieblingssongs. Das bedeutete, dass ich bei der Mehrzahl dieser Lieder mein Gitarrenspiel vor mehr als dreissig Jahren im Tonstudio beigesteuert und hundertfach an Konzerten aufgeführt hatte.
Nun, das war einmal was anderes. Aber irgendwie heimelig. Trotz meines Zuschauer-Blickwinkels.
In der heutigen Formation spielen noch drei Musiker der Urformation: Steff Bürgi, Sänger,Tastenmann und Komponist, Chris Bürgi, Gitarrist, Co-Arrangeur und Texter, und Josef Kissling, Schlagzeuger. Andi Hürzeler, heute Mitglied, liess, zwar ohne damals der offiziellen Urformation anzugehören, bereits während meiner Mitgliedschaft sporadisch sein Saxofon bei Konzerten von «Irrwisch» mit kraftvollem Klang mitjubilieren, -klagen und -grooven. Ich kann bezeugen, dass er das heute noch tut.
Vervollständigt wird die aktuelle Besetzung – nun auch schon seit vielen Jahren – durch Sängerin Sabine Hasler und den aus Gelterkinden stammenden Bassisten Adrian Wirz.
Die ersten vier Songs des Spätnachmittags in der Waldenburger Kirche stammten alle aus den Jahren 1981 und 1982: «Where Is Your Love», «Living In A Fool’s Paradise», «Far Away» und «Princess On Your Cloud» von den Alben «In Search Of» und «Living In A Fool’s Paradise», die in München in den Rainbow-Studios aufgenommen worden waren. Da kamen Bilder auf – vom Flipperkasten im Aufenthaltsraum des Studios, wo man nochmals das Gitarrensolo geübt hatte, während der Bassist in der Tonregie minutiös und detailversessen die Tonspur des Basses ersetzte, die er vorher mit der ganzen Band zusammen für die «Basic Tracks» eingespielt hatte. Oder Erinnerungen an die von uns gemieteten Backgroundsängerinnen, den «Munich Voices», zu deren Gage zwingend eine Flasche Champagner gehörte. Da wir so ein Glas Champagner auch für uns als gute Idee befanden – natürlich nur, um mit den drei Damen anzustossen – war es dann jeweils ungefähr eine Flasche mehr pro Hintergrundgesangssitzung …
Alte Songelemente
Zurück in der Gegenwart beinhaltete das nun folgende musikdramaturgisch wirkungsvoll zusammengesetzte Medley Songelemente aus mehr als 20 Jahren «Irrwisch». «Another Day in A Big City Life» aus «The Fish Came To The Surface» (1989), «Down Down» aus «Chestwood» (1996), «Solitary Serenade» aus «Time Will Tell» (2002) und «In Search Of» aus «In Search Of» (1981). Dem Umstand zum Trotz, dass ich die Band 1992 verlassen hatte, verspürte ich plötzlich Lust nach einem Cüpli oder etwas Ähnlichem, das nach den Zeiten mit den «Munich Voices» roch. Vielleicht auch wegen des Wiedererkennens von musikalischen Ideen, die bereits im «Irrwisch»-Fundus schmorten, als ich noch dabei war. Und irgendwann nach meinem Ausscheiden hatte ein Refrain seine Strophe oder eine Strophe seinen Refrain gefunden.
Der reduziert und intim vorgetragene Song «Still A Light» hatte am vergangenen Sonntag Premiere. Zu Ehren von und im Gedenken an «Friede».
Lärm im Treppenhaus
«Turn Around the Way» (1981) folgte und bei «Wanna Share My Tenderness» (1981) erinnerte ich mich an genau den einen Schlag von allen Schlägen auf die kleine Trommel des Schlagzeugs, der im Treppenhaus vom Rainbow-Studio aufgenommen wurde. Wir wollten an einer speziellen Stelle im Lied ein spezielles Geräusch. Und tatsächlich: Die Leute vom Restaurant im Parterre fanden es in der Tat ziemlich speziell. Man staunt auch manchmal, wie lange es dauern kann, bis so ein Schlag sitzt. Danach benützten wir das Treppenhaus noch für einen weiteren Song, wo wir neben einem drehenden Raddeckel Teile der Tonstudio-Kücheneinrichtung auf den Treppenhausboden geworfen hatten, um einen Autocrash zu simulieren. Es war o.k. Wir bestellten danach den besten Wein zum Nachtessen. Den Rest des Albums haben wir innerhalb des Studios aufgenommen. Ehrenwort.
Der letzte Song auf der Setliste des Waldenburger Gedenkkonzerts «No More Than I Can Say», 1986 von Phil Carmen produziert, provozierte stehende Ovationen und noch weitere drei Zugaben: «Irrwischs» aktuelle Single «Love Hurricane», eine Straight-forward-Poprock-Nummer sowie «Lonesome Nights Of Rock ’n’ Roll» (1982) und das vor ein paar Jahren für «Die grössten Schweizer Hits» nominierte «First Time» (1989) mit dem von Sabine Hasler toll gesungenen Duett-Part.
Die Band lässt nichts zu wünschen übrig, Steff Bürgis Stimme ist druckvoll und intonationssicher wie eh und je, Chris Bürgi drückt in gewohnter Weise auf seiner Gitarre ab, sei es bei melodischen und sphärischen Soli oder auch bei funky oder heavy Rhythm-Guitar. Adrian Wirz am Bass und Josef Kissling am Schlagzeug liefern den soliden Boden, auf dem die Mitmusiker sicher wie in Mutters Schoss die gesamte Fülle ihrer Fertigkeit abrufen dürfen.
Also (fast) genau wie in den 80ern.
Der Autor «Pek» Peter Krattiger (1957) war zwischen 1975 und 1992 Gitarrist bei der Rockgruppe Irrwisch, mit der er fünf Alben aufgenommen hat und damals zwischen dem Konzertlokal «Onkel Pö» in Hamburg und Gruissan Plage in Südfrankreich auch schon mal im Hallenstadion Zürich oder der Westfalenhalle Dortmund auftrat.