Cybercrime – Kampf gegen Kriminalität per Mausklick
06.02.2020 Bezirk Liestal, PolizeiMichèle Degen
Hören wir das Wort Kriminalität, haben die meisten von uns das Bild vom dunkel gekleideten Einbrecher mit Sturmhaube oder den charmanten Hochstapler vor Augen. Diese Art von Kriminellen mag es noch immer geben. Doch viele Verbrechen werden heute im Internet ...
Michèle Degen
Hören wir das Wort Kriminalität, haben die meisten von uns das Bild vom dunkel gekleideten Einbrecher mit Sturmhaube oder den charmanten Hochstapler vor Augen. Diese Art von Kriminellen mag es noch immer geben. Doch viele Verbrechen werden heute im Internet begangen.
Kriminelle müssen also weder tatsächlich in ein Haus einsteigen, um an Geld zu kommen, noch mit ihrer Betrugsmasche an einen realen Menschen herantreten, um ihn über den Tisch zu ziehen. Das geht alles per Mausklick, anonym hinter dem Bildschirm eines PCs übers Internet. Dort werden der Datendiebstahl zum Phishing und der Heiratsschwindel zum Love Scam (kursive Ausdrücke sind im Glossar erklärt).
Dunkelziffer ist extrem hoch
Die Bevölkerung meldet immer mehr Delikte, die sich im Internet ereignet haben. 2018 registrierte die Baselbieter Polizei 471 Fälle. 2015 – dem ersten Jahr, in dem diese Zahl erhoben wurde, – waren es 270. Seither stieg sie jährlich um durchschnittlich 20 Prozent. Über die Hälfte der Delikte sind Betrugsfälle. Danach folgen Phishing, Hacking, verbotene Pornografie und Ehrverletzung.
Experten gehen ausserdem mit 75 bis 90 Prozent von einer extrem hohen Dunkelziffer aus, also Fällen, die der Polizei nicht gemeldet werden. Dieser Entwicklung will sich die Polizei anpassen. Auf Bundesebene gibt es in der Schweiz einige wenige Stellen zur Bekämpfung von Internetkriminalität. Die Strafverfolgung fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone. Die meisten von ihnen hinken in dieser Hinsicht hinterher. Bei der Baselbieter Kantonspolizei kennen sich nur vereinzelt Beamte mit den Möglichkeiten des digitalen Verbrechens aus. Das beginnt mit der Aufnahme einer Anzeige am Schalter der Polizeistelle. Wenn etwa ein Bürger meldet, er werde erpresst, wissen nicht alle Beamten, welche Informationen und Beweismittel sie benötigen. «Mit den momentanen Strukturen ist es nicht möglich, Fälle kompetent und effizient zu bearbeiten», sagt der stellvertretende Chef der Kriminalpolizei, Michel Meier. Das nötige Know-how fehle.
Wie viele andere will auch die Baselbieter Polizei nun einen Schritt zur Reduktion des Problems machen und eine Abteilung gegen Internetkriminalität aufbauen. Dafür hat der Landrat im vergangenen Jahr die nötigen Ressourcen genehmigt.
Prävention als wichtiges Standbein
In den kommenden vier Jahren werden schrittweise dreizehn neue Stellen geschaffen. Bei der Staatsanwaltschaft entstehen drei Stellen für Cybercrime-Experten. Der Landrat hat eine jährlich wiederkehrende Ausgabe von 2,1 Millionen Franken gesprochen. Dazu kommen weitere wiederkehrende Kosten von 849 000 Franken, für die kein Landratsbeschluss nötig war, sowie ein einmaliger Betrag von 3,1 Millionen Franken.
Strafverfolgung ist Sache der Kantone und diese sind damit im Bereich der Internetkriminalität im Zugzwang. Trotzdem lässt sich darüber streiten, ob eine nationale Organisation nicht sinnvoller wäre. Denn das Internet kennt keine Grenzen. Kantonsgrenzen schon gar nicht. Die Verantwortlichen für Mails mit Ransomware, die in Baselbieter KMU landen, oder Kinderpornografie, die von im Kanton wohnenden Personen konsumiert wird, können sich auf einem anderen Kontinent befinden. Und in der Regel ist das der Fall. «Handelt es sich bei den Tätern um organisierte Gruppen, ist es schwierig für uns, gegen sie vorzugehen», sagt Meier.
Trotzdem seien kantonale Abteilungen gegen Cybercrime in der Lage, etwas zu erreichen. «Die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Organisationen ist wichtig», so Meier, «aber es gibt Täter, die sich innerhalb der Kantonsgrenzen aufhalten und gegen die wir vorgehen können. Ausserdem sind die Opfer Einwohnerinnen und Einwohner des Baselbiets.» Denn ein wichtiger Punkt im Programm der Abteilung ist die Prävention. «Und dafür braucht es Nähe zur Bevölkerung», sagt Meier. Es sollen also nicht nur mehr Delikte aufgeklärt, sondern auch verhindert werden.
Bereits seit 2013 gibt es das Kompetenzzentrum Cybercrime in Zürich. Es entstand als Zusammenarbeit von Kantonspolizei, Stadtpolizei und Staatsanwaltschaft. «Ab 2017 wurde erkannt, wie gross das Problem Cybercrime tatsächlich ist», sagt Martin Schumacher, Dienstchef Digitale Ermittlungen der Abteilung Cybercrime bei der Kantonspolizei Zürich. «Danach wurde die Abteilung weiter ausgebaut.» Heute umfasst sie rund 20 Personen und gilt als Vorreiterin in der Schweiz. Ein Rezept zum Aufbau der Abteilung mit Erfolgsgarantie könne er trotzdem nicht geben, sagt Schumacher. «Die gesetzlichen Voraussetzungen, aber auch die finanziellen Mittel sind von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich. Jeder muss selbst herausfinden, wie die Abläufe organisiert sein müssen, damit alles reibungslos klappt.»