Böden stärken und das Klima schützen
06.02.2020 Baselbiet, LandwirtschaftLukas Kilcher
Wieder fegt ein Wintersturm über unser Land in der Nacht auf Dienstag, mit unheimlichen Februar-Temperaturen über 15 Grad. Bereits liefert das junge Jahr 2020 Temperaturrekorde und schliesst damit an die Vorjahre an. Immer noch leiden unsere Böden und ...
Lukas Kilcher
Wieder fegt ein Wintersturm über unser Land in der Nacht auf Dienstag, mit unheimlichen Februar-Temperaturen über 15 Grad. Bereits liefert das junge Jahr 2020 Temperaturrekorde und schliesst damit an die Vorjahre an. Immer noch leiden unsere Böden und Wälder vom Rekordsommer 2018.
Im jüngsten Erdzeitalter verursacht der von Menschen verursachte Klimawandel immer mehr Wetterextreme wie Hitze, Trockenheit, Stürme und Starkniederschläge. Landwirtschaft und Natur haben auch mit milden Wintern zu kämpfen, neue invasive Schädlinge wie die Kirschessigfliege und die Marmorierte Baumwanze können sich ausbreiten. Weil die Vegetation früher startet, richten späte Fröste empfindliche Schäden an Kulturen an. Auf diese Weise hat das Baselbiet 2017 einen Grossteil seiner Kirschen, Zwetschgen und Weintrauben verloren.
Verletzliches Baselbiet
Keine andere Branche ist derart vom Klimawandel betroffen wie die Landwirtschaft. Die Nahrungsmittelproduktion wird risikoreicher, anspruchsvoller und teurer. Unsere Region ist besonders verletzlich für die Folgen des Klimawandels: Es ist wärmer und trockener als in anderen Regionen der Schweiz und es gibt kaum natürliche Gewässer für die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen. Es ist daher umso wichtiger, dass sich die Landwirtschaft mit dem Klimawandel befasst und nach Wegen sucht, bestmöglich damit umzugehen und Mitverantwortung für die Lösung des Problems zu übernehmen. Es geht auch darum, künftige Ernten für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus der Region zu sichern.
Die Landwirtschaft ist in dreifacher Hinsicht vom Klimawandel angesprochen: als Verursacherin, als Betroffene und als Teil der Lösung.
Am weltweiten Ausstoss von Klimagasen ist die Landwirtschaft mit 13 Prozent beteiligt. Verkehr (32 Prozent), Industrie (20 Prozent) und Gebäude (27 Prozent) machen aber viel mehr aus. Deshalb kann die Landwirtschaft das Problem nicht alleine lösen.
Die Verursachertätigkeit der Landwirtschaft beginnt beim Boden: Durch intensive Bearbeitung wird der Boden stärker durchlüftet, was zum Abbau organischer Substanz und damit zur Abgabe von Kohlendioxid in die Atmosphäre führt. Oder: Hohe Stickstoffdüngung hat Lachgasemissionen zur Folge.
Auch die Tierfütterung mit Kraftfutter und der Methanausstoss der Kühe sowie der Einsatz von Diesel sind Quellen von Klimagasen. Die Landwirtschaft muss alle möglichen Wege suchen, den Klimagas-Ausstoss zu minimieren. Der Bund hat deshalb das Ziel gesetzt, die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft bis 2030 um 22 Prozent zu reduzieren.
Es braucht neue Werkzeuge
Die Landwirtschaft ist auf vielfältige Weise von zunehmenden Wetterextremen betroffen. Sie ist aber auch betroffen, weil heute die Mittel der sogenannten guten landwirtschaftlichen Praxis nicht mehr ausreichen. Zur Erhaltung der Ertragssicherheit in einem Klima mit extremer Witterung sowie höherem Druck durch Schädlinge muss im Anbau immer mehr investiert werden, zum Beispiel in Bewässerungs- und Frostschutzanlagen, in den Schutz der Kulturen vor Witterungseinflüssen, in Netze gegen Insekten und generell in intensiveren Pflanzenschutz.
Das wiederum verteuert die Produktion und stellt viele Landwirtschaftsbetriebe nicht nur vor grosse finanzielle Herausforderungen, sondern nagt auch an ihrem Zukunftsvertrauen in die Landwirtschaft.
Bei der Problemlösung hofft der Mensch gerne auf Technik.Tatsächlich können moderne Techniken wie sparsame Hightech-Bewässerung, Nanoapplikation von Pflanzenschutzmitteln, Einsatz von Robotern und Digitalisierung einen Beitrag leisten. Doch diese Techniken sind teuer und komplizieren die Produktion.
Suchen wir doch Lösungsansätze beim wichtigsten Produktionsfaktor der Landwirtschaft: beim Boden. Ziel ist, dem Boden nicht Kohlenstoff zu entziehen, sondern in Umkehrung des Prozesses über eine CO2-Bindung im Humus gezielt Kohlenstoff wieder zuzuführen.
Klimaschutz durch Humusaufbau
Seit Januar 2019 entwickelt der Ebenrain das Projekt Klimaschutz durch Humusaufbau, in Zusammenarbeit mit Bio-Nordwestschweiz und dem Bauernverband beider Basel sowie mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Gemeinsam verfolgen wir zwei grosse Ziele:
1. Wir wollen Humus aufbauen, damit der Boden mehr Wasser und Nährstoffe speichern kann. Wasser und Nährstoffe stehen so den Pflanzen bei Trockenheit länger zur Verfügung. Landwirtschaftliche Böden werden auf diese Weise anpassungsund widerstandsfähiger gegen Klimaextreme. Diese Massnahme verbessert auch die Fruchtbarkeit der Böden.
2. Die Landwirtschaft bindet CO2 aus der Atmosphäre und leistet damit einen relevanten Beitrag zur Lösung der Klimaproblematik.
Humusaufbau kann durch Zuführen von Biomasse geschehen, in Form von tierischen Hofdüngern, kompostierten organischen Materialien, Gründüngung oder permanenter Bodenbedeckung im Obst- und Weinbau. Ebenso wichtig sind eine ausgewogene Fruchtfolge und schonende Bodenbearbeitung. Das sind zwar bekannte Techniken. Neu ist jedoch, diese Techniken so zu gestalten und zu kombinieren, dass damit gezielt Humus aufgebaut wird und beim Bearbeiten der Böden möglichst wenig Humus wieder verloren geht.
Das Projekt Klimaschutz durch Humusaufbau ermöglicht so einen Nutzen sowohl für die Landwirtinnen und Landwirte als auch für die gesamte Gesellschaft. Der Kanton Basel-Landschaft unterstützt dieses Projekt und stellt dem Ebenrain seit 2020 entsprechende Ressourcen für die Beratung der Landwirtschaftsbetriebe und für die Projektentwicklung zur Verfügung.
Verantwortungsvoller Konsum
Die Schweiz ist mit ihrer Kaufkraft derzeit noch in der Lage, klimatisch bedingte Ausfälle durch Importe zu kompensieren, sodass die Konsumentinnen und Konsumenten kaum negativ betroffen sind. Ja, sie profitieren mitunter gar noch von tieferen Preisen der Importprodukte, die unter weniger strengen Auflagen produziert wurden. Die Frage ist aber: Wie lange haben wir diese Kompensationsmöglichkeit noch?
Denn traditionelle Agrarexportländer sind gleich oder noch stärker von den Folgen der Klimaveränderungen betroffen. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung. Die Forderung nach weniger Importen aus weiter Distanz (steuerbar zum Beispiel über Klimazölle) und mehr Autarkie in der Nahrungsmittelproduktion ist auch im Hinblick auf die Ernährungssicherheit angebracht. Die Schweiz und das Baselbiet müssen hier mehr Verantwortung übernehmen.
Lukas Kilcher ist Leiter des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach.
Kompensationsprojekt der BLKB
lk. Die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) hat die Chancen regionaler Klimakompensation erkannt und bietet hiesigen Landwirtschaftsbetrieben ab 2021 die Möglichkeit, ihre Leistungen für das Klima durch ein regionales Kompensationsprojekt unterstützen zu lassen. Die BLKB möchte so jährlich ihre 1000 Tonnen Klimagas-Emissionen in der regionalen Landwirtschaft kompensieren.
Die Entschädigung erfolgt wirkungsbasiert aufgrund der erreichten Steigerung des Humusgehalts innerhalb von sechs Jahren. Gemessen wird die Steigerung anhand von wissenschaftlich basierten Bodenanalysen. Die Zahlungen erfolgen direkt von der BLKB. Die BLKB entschädigt jede Tonne CO2 mit 100 Franken, was im internationalen Vergleich beachtlich hoch ist. Die finanzielle Entschädigung ist jedoch nur ein Teil des Nutzens. Der grösste Wert dieser Humusstrategie ist die Verbesserung der Speicherfähigkeit der Böden für Wasser und Nährstoffe.
Damit reduzieren die Bauern die Verletzlichkeit ihrer Böden im Klimawandel, was zur Sicherung der Ernte beiträgt. Sie werden vom Ebenrain in der Entwicklung ihrer Humusaufbau-Strategie beraten. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom FiBL, das unter anderem langjährige Forschungsprojekte zum Thema «Landwirtschaft im Klimawandel» führt.
Am Projekt teilnehmen können alle Landwirtschaftsbetriebe beider Basel mit der gesamten Fruchtfolgefläche sowie Obst-, Wein- und Gemüsebau. Humusaufbau ist ein langsamer Prozess. Teilnehmende Betriebe müssen daher bereit sein, humusfördernde Massnahmen für mindestens sechs Jahre umzusetzen.
Information und Anmeldung: www.ebenrain.ch
Klimawandel – was können wir tun?
lk. Der Klimawandel ist für die Landwirtschaft weltweit eine der grössten Herausforderungen. An der Tagung «Klimawandel – was können wir tun?» vom 18. Februar am Ebenrain wollen wir eine breite Auslegeordnung zu regionalen Lösungsansätzen und Perspektiven im Zusammenhang mit dem Klimawandel vornehmen. Dazu werden klimawirksame Aspekte in den Bereichen Tierhaltung, Mechanisierungen und Pflanzenbau thematisiert und durch die Vorführung klimaschonender Maschinen ergänzt.
Information und Anmeldung: www.ebenrain.ch