Als Seidenbänder schwer in Mode waren
06.02.2020 Bezirk LiestalEin Blick in die Musterbücher der Firma Seiler
Die Kuratorin der Ethnologischen Sammlungen, Therese Schaltenbrand, hat an der «Museumsbar» einen Einblick in die Musterbücher der Seidenbandfabrik Seiler aus Basel und Gelterkinden gewährt.
Peter ...
Ein Blick in die Musterbücher der Firma Seiler
Die Kuratorin der Ethnologischen Sammlungen, Therese Schaltenbrand, hat an der «Museumsbar» einen Einblick in die Musterbücher der Seidenbandfabrik Seiler aus Basel und Gelterkinden gewährt.
Peter Stauffer
Wer kannte sie nicht, die «gääli Fabrik» in Gelterkinden. Sie stand dort, wo sich heute der Allmend-Markt befindet. Bis 1974 wurden in jenem Gebäude Seidenbänder produziert. In den Sammlungen von Archäologie und Museum Baselland zeugen zwei umfassende Firmennachlässe von der traditionsreichen Vergangenheit: Die «Seidenband-Sammlung» – vorwiegend der Nachlass der Seidenbandfabrik Seiler Co. AG aus Basel und Gelterkinden – sowie die «Hanro-Sammlung».
In den beiden Fabriken der Firma Seiler in Gelterkinden und Grenzach wurden zwischen 1872 und 1974 rund 35 000 verschiedene modische Seidenbänder hergestellt – gewoben oder bedruckt –, jedes in mehreren Farbvarianten. Der Nachlass der Firma Seiler umfasst Hunderte von Schachteln, gefüllt mit losen Bändern und Produktionsunterlagen, sowie rund 700 Musterbücher. Die Produktionsbücher bezeichnete die Referentin als deren Herzstück. Sie seien ein einzigartiger Fundus für die Forschung zur Mode-, Industrie- und Technikgeschichte.
Festgehalten sind darin unter anderem Informationen zu Produktion, Design, Entwürfen, Druck, Gewebe, Technischem, Ausrüstung und Verkauf. Zusammen mit einer Kollegin ist sie am aufwendigen Aufarbeiten der Hinterlassenschaft.
International gefragt
In ihrem Kurzreferat zeigte Therese Schaltenbrand einen kleinen Ausschnitt aus Trouvaillen dieser Sammlung. Mit Bildern belegte sie die Wichtigkeit der Seidenbänder in der Damengarderobe. Sie zierten Schuhe, Taschen, Ellenbogen, Beine, Arme, Hüte. Ja sogar Unterwäsche der Damen der Mittel- und Oberschicht waren mit Seidenbändern garniert.
Schlaufen konnten oft nicht gross genug sein. So sagte ein Zeitgenosse zu den beeindruckenden Maschen am Rücken der Damenroben: «Grosse Schleifen lenken das Interesse auf den ‹Derrière›». Im Verlauf der Zeit sanken die Bedeutung der Bänder und der Bedarf an ihnen in der Damenmode allerdings immer mehr. Die Firma Seiler – sie hatte ihren Sitz 1959 von Basel nach Gelterkinden verlegt – stellte wegen des nachlassenden Interesses 1974 die Produktion ein.
Die Kuratorin wies darauf hin, dass das Weben von seidenen Bändern, die «Posamenterei», die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der Region seit dem 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert wesentlich geprägt hatte. Die kunstvollen, farbenprächtigen Luxusbänder waren als Schmuck von modischen Damenroben und Hüten auch international gefragt. Übrigens: Die Anfänge der Chemischen Industrie Basel (Ciba) gehen auf die Produktion von künstlichen Farbstoffen für die Seidenbänder zurück.
Guisan top, Papst flop
Mit kleinen Müsterchen lockerte Schaltenbrand ihre Ausführungen auf. So erzählte sie unter anderem, dass der Verkauf des gewobenen Porträts von General Guisan wie der von heissen «Weggli» klappte, die Firma hingegen auf dem Bild von Papst Pius XII. sitzen geblieben sei. Erstaunlich ist auch, wie gut das gewobene Festhalten von Porträts wichtiger Personen oder die Darstellung weltweiten Geschehens gelang. Nach dem Vortrag konnte man – aber nur mit Handschuhen bekleidet – in den Musterbüchern blättern.