«Respekt vor der Gewalt des Wassers bleibt»
07.02.2020 Baselbiet, Bezirk LiestalOb Eingriffe in Ufergehölz oder Renaturierungen: Stets war es für Rolf Mosimann eine Herausforderung, die richtigen Kompromisse zu finden. Ende Monat geht der Chef Gewässerunterhalt in Pension.
Elmar Gächter
Herr Mosimann, worauf blicken Sie bei Ihrem ...
Ob Eingriffe in Ufergehölz oder Renaturierungen: Stets war es für Rolf Mosimann eine Herausforderung, die richtigen Kompromisse zu finden. Ende Monat geht der Chef Gewässerunterhalt in Pension.
Elmar Gächter
Herr Mosimann, worauf blicken Sie bei Ihrem Abschied besonders gerne zurück?
Rolf Mosimann: Stolz bin ich vor allem darauf, dass wir mit unserer Unterhaltsgruppe die Akzeptanz und auch die Wertschätzung für unsere Arbeiten sowohl innerhalb der kantonalen Verwaltung als auch in der Öffentlichkeit verbessern konnten.
Sie sprechen von «verbessern». Wo dürften Akzeptanz und Wertschätzung noch grösser sein?
Wir arbeiten meist in einer ökologisch sensiblen Zone, sei dies im Bach selber oder an den Ufern – gerade jetzt in der Winterzeit, wenn wir die Ufergehölze entlang unserer Gewässer zurückschneiden. Da kommt uns immer wieder offene oder verdeckte Kritik entgegen. Schnell wird dabei von Kahlschlag gesprochen.
Berechtigt oder unberechtigt?
Unsere Ziele sind uns ganz klar vorgegeben: Sicherstellen des Hochwasserschutzes und ein arten- und abwechslungsreiches Ufergehölz mit Hochstaudenfluren. Beides geht nicht immer ohne grössere Eingriffe. Als neues Problem ist in den vergangenen Jahren das Eschensterben aufgetaucht, bei einer Baumart, die an vielen Bächen stark vertreten ist. Diese Bäume müssen auch im Interesse der Sicherheit entfernt werden.
Hat die Uferbestockung tatsächlich einen grossen Einfluss auf die Abflusskapazität der Gewässer?
Berechnungen an der Birs in Laufen zeigen, dass mit «glatten» Böschungen die Abflussmenge um bis zu 10 Prozent vergrössert werden kann. Im Oberbaselbiet haben wir viele Uferflächen, die bis zur Wasserfläche bestockt sind. Wenn Äste abbrechen und ins Wasser fallen, kann dies Kies und Geröll zurückstauen. Eine der Folgen ist, dass die Bachsohle saniert werden muss.
Wo ist der private Bachanstösser in der Pflicht?
Während der Sohlenunterhalt Sache des Kantons ist, verpflichtet das Wasserbaugesetz die Privaten, das Ufergehölz zu ihren Lasten zurückzuschneiden. Vor einem Eingriff in die Sohle machen wir die entsprechenden Eigentümer auf diese Pflicht aufmerksam. Dies funktioniert in der Regel sehr gut.
Eine Ihrer Hauptaufgaben ist die Revitalisierung von Gewässern. Wie kommen diese Arbeiten in der Öffentlichkeit an?
Gewisse Leute geben dir schon das Gefühl, es werde Geld zum Fenster hinausgeworfen. Hier war es unter anderem auch meine Aufgabe, diesen den Mehrwert für die gesamte Biodiversität darzulegen. Mit der Revitalisierung gestalten wir den Sohlenund Uferbereich so um, dass möglichst ein naturnaher Zustand wiederhergestellt wird. Dies ist sowohl für den Hochwasserschutz als auch die Naherholung sehr wichtig. Dabei zeigt sich meist, dass diese Massnahmen bei einem grossen Teil der Bevölkerung gut ankommen.
Kommen Sie mit Ihrer Unterhaltsgruppe überhaupt dazu, diese Arbeiten selber auszuführen?
Es ist schon so, dass wir uns in den vergangenen Jahren vor allem auf das Beheben von Hochwasserschäden konzentrieren mussten. Die Renaturierungen und Revitalisierungen plant zwar unser Bereich Wasserbau, die Arbeiten vor Ort werden jedoch meist ausgeschrieben und von Dritten ausgeführt.
Stichwort Hochwasser. Welches war für Sie in Ihrer Amtszeit prägend?
Dies war sicher das Hochwasser 2007 an Birs, Birsig und Ergolz. Ganz Laufen stand unter Wasser, betroffen war aber auch der obere Kantonsteil wie Frenkendorf und weitere Gemeinden. Wenn man dies eins zu eins vor Ort erlebt und sieht, wie das Wasser selbst Steine in Bewegung setzt, die mehrere Tonnen wiegen, wird man den Respekt vor dieser Kraft nie mehr verlieren.
Welche Rolle kommt der Unterhaltsgruppe bei einem solchen Ereignis zu?
Unsere Handwerker sind nicht in einen Ereignisdienst eingebunden. Selbstverständlich helfen wir auch personell, wenn Not am Mann ist und wir angefragt werden. Wir kommen jedoch in der Regel erst zum Zug, wenn das Wasser abgeflossen und ersichtlich ist, welche Schäden entstanden sind.
Wo rekrutieren Sie Ihr Personal?
Im Gegensatz zu Deutschland kann der Beruf des Wasserbauers bei uns nicht erlernt werden. Gefragt sind Zimmerleute, Landschaftsgärtner, Forstwarte oder Landwirte. Um die nötigen Fachkenntnisse für alle typischen Wasserbauten zu erwerben, dauert es mehrere Jahre. Deshalb sind wir froh, dass uns auch die jüngeren Kräfte meist längere Zeit die Treue halten.
Kamen nie Forderungen auf, die Wasserbauunterhaltsgruppe zu privatisieren?
Natürlich standen auch wir in Zeiten von Sparübungen und Strukturanalysen im Fokus solcher Fragen. Aber alle hinterfragten Konzepte kamen zum Schluss, dass der Wasserbau als eigentliche «Spezialdisziplin» nicht privatisiert wird und beim Tiefbauamt am richtigen Ort beheimatet ist. Dies nicht zuletzt, weil sich Geräte und Maschinen einfach und ohne administrativen Aufwand mit den Strassenunterhaltsdiensten austauschen lassen.
Nun übergeben Sie auf den 1. März offiziell die Leitung des Gewässerunterhalts an Ihren bisherigen Stellvertreter Michael Schaffner aus Anwil. Welche Empfehlungen geben Sie ihm?
Michael kennt den «Laden» sehr gut. Er weiss, dass es wichtig ist, seinen Handwerkern gut zuzuhören, denn sie erledigen ihren nicht einfachen Job sehr gut. Und dass er sich bei allen Entscheidungen bewusst sein muss, dass es in dieser Funktion nicht ohne Kompromisse geht.
Zur Person
emg. Rolf Mosimann tritt Ende Februar mit 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand. Er hat eine klassische Ausbildung im Baugewerbe als Tiefbauzeichner, Strassenbaupolier und Bauleiter absolviert und nach Tätigkeiten in Ingenieurbüros in Zürich 1991 beim Tiefbauamt angeheuert. 2006 hat ihn der Regierungsrat zum Leiter des Gewässerunterhalts ernannt. Mosimann ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn und seinen Wohnsitz abwechslungsweise in Basel und Berlin.
Für Bäche und Naturschutzweiher
emg. Die kantonale Gewässerunterhaltsgruppe wurde Anfang der 1970er-Jahre aus der Taufe gehoben. Mit ihren zehn Mitarbeitenden ist sie für den Sohlenunterhalt der rund 840 Kilometer Fliessgewässer im Kanton Baselland zuständig. Zu ihren Aufgaben gehören zudem der Unterhalt und die Pflege der Böschungsflächen, jedoch nur dort, wo der Kanton auch Eigentümer des Areals ist. Verantwortlich ist sie zudem für den Unterhalt der rund 150 Naturschutzweiher.