Von der Fasnachtsmuse geküsst
16.01.2020 Kultur, SissachHeiner Oberer
«Man muss kein Künstler sein», sagt Patrik Eglin. Die Idee und die Umsetzung seien das Entscheidende beim Entwerfen einer Fasnachtsplakette. Nun. Wie ereilt einen die Idee? Ist es der berühmte Kuss der Muse? Eglin schmunzelt. «Nein», sagt er, «ich ...
Heiner Oberer
«Man muss kein Künstler sein», sagt Patrik Eglin. Die Idee und die Umsetzung seien das Entscheidende beim Entwerfen einer Fasnachtsplakette. Nun. Wie ereilt einen die Idee? Ist es der berühmte Kuss der Muse? Eglin schmunzelt. «Nein», sagt er, «ich musste die Muse nicht um Hilfe bitten.» Als er in der «Volksstimme» vom vergangenen Frühling den Bericht über das Restaurant Schwyzerhüsli, besser bekannt als «Stöpli» gelesen habe, war klar: «Das 100-Jahre-Jubiläum des Restaurants an der Postgasse möchte ich auf der Sissacher Fasnachtsplakette 2020 verewigen.»
Gegen sechs Stunden sei er an der Skizze gesessen und habe über ein geeignetes Sujet nachgedacht. Dann, sagt er, habe ihn vielleicht doch die Muse geküsst und das Motto «Langlääbig» sei geboren gewesen. Anscheinend hat er mit seinem Vorschlag auch den Vorstand der Fasnachtsgesellschaft Sissach (FGS) überzeugt. Nach ein paar kleineren Anpassungen technischer Art sei der Plakettenentwurf fertig gewesen. Monate später liegt die frisch gepresste Plakette vor ihm. «Ein schöner Moment, wenn man zum ersten Mal die selbst entworfene Plakette in den Händen hält.»
«Chinderbeluschtigung» prägend
Er sei kein häufiger Gast im «Stöpli», sagt Eglin. Wenn er aber ab und zu einkehre, fühle er sich dort so, als würde er in eine Stube eintreten. Es mache Spass, den hitzigen Diskussionen am Stammtisch zu lauschen oder in familiärer Runde ein Bier zu geniessen. Zudem sei das gemütliche Restaurant eine Fasnachts-«Bäiz» mit langer Tradition. Im kleinen Saal im ersten Stock tage der Vorstand der FGS und dieser beherberge die komplette Sammlung der Sissacher Fasnachtsplaketten. «Was eignet sich also besser, um als Fasnachts-Sujet zu dienen?»
Überhaupt: Patrik Eglin ist üppig mit dem Fasnachtsgen gesegnet. «Richtig», sagt der 55-jährige Plakettenkünstler. «Schon mein Vater war ein begnadeter Fasnächtler. Er hat unter anderem in der Zunzger Wurlizer-Clique als Vorstandsmitglied und Pfeifer-Chef mitgewirkt.» Das eigentliche Fasnachts-Erweckungserlebnis sei aber die «Chinderbeluschtigung» in der Kindheit gewesen. Ein Anlass, wo gestandene Fasnächtler, auf einem Wagen thronend, Süssigkeiten, Glaces und Wienerli an die bettelnden Kinder verteilten. «Da war für mich klar, dass ich dereinst auch als Fasnächtler unterwegs sein will.»
Etwas älter, verkauft er am Sissacher Fasnachtsumzug Plaketten und den «Glöggeliwaagä», um so sein Sackgeld aufzubessern. Nachdem er Vater zweier Kinder geworden ist, wird es so richtig fasnächtlich. Mit seiner Frau und den Kindern und seinem Vater hat er mehrere Jahre mit einem «Läiterwäägeli» als «Schyssdräckzüügli» (Nilge) am Umzug mitgemacht.
Im Jahr 1999, als die Kinder grösser waren und nicht mehr mit dem «Läiterwäägeli» unterwegs sein wollten, gründete er zusammen mit Gleichgesinnten die Millennium-Waggis. «Wir besorgten uns einen alten Leiterwagen, machten ihn fasnachtstauglich und verkleideten ihn mit Stroh. So wie ein richtiger Waggiswagen eben aussieht.» Sie hätten immer als Waggis am Umzug teilgenommen. Etwas anderes wäre nicht infrage gekommen. Patrik Eglin war bis 2011 bei den Millennium-Waggis, die Gruppe besteht heute noch.
Von 2010 bis 2016 sitzt Patrik Eglin im Vorstand der FGS, wo er unter anderem die Ressorts Deko, Plakette und Schnitzelbank betreut. Fabio Fedriga, jetziger Präsident der FGS, erinnert sich: «Mit Patrik zusammenzuarbeiten hat riesig Spass gemacht. Er war ein exakter, um nicht zu sagen pingeliger Mitstreiter, auf den man sich stets verlassen konnte.»
Patrik Eglin rechnet nach: «Mit Vater Hans, Bruder Ralph, Ehefrau Rebecca und mir kommen wir zusammen auf 29 Jahre FGS-Vorstandstätigkeit.» Seit drei Jahren verkauft Patrik Eglin zusammen mit Ehefrau Rebecca wieder Plaketten und den «Glöggeliwaagä» am Sissacher Umzug vom Fasnachtssonntag. Übrigens: Auch Rebecca Eglin hat sich schon als Plakettenkünstlerin versucht. Und das mit Erfolg. Hat sie doch die Fasnachtsplakette aus dem Jahr 2005 mit dem Sujet «Ab uf d Strooss» entworfen.
Eifriger Plakettensammler
Da wäre noch eine zweite vom Vater geerbte Leidenschaft, über die Patrik Eglin nur zögerlich Auskunft gibt. Das Sammeln. Neben zahlreichen, an dieser Stelle geheim gehaltenen Preziosen aller Art, sammelt er Fasnachts-Plaketten von Baselland und Basel. So zieren das Treppenhaus in seinem Wohnhaus in Sissach, schön präsentiert, Plaketten-Sammlungen verschiedenster Gemeinden und der Stadt.
Jetzt freuen sich die beiden auf die kommende Sissacher Fasnacht. Wenn sie am Fasnachtssonntag durch die Strassen ziehen und die Besucher mit dem Ausruf «Glöggeliwaagä» und «Blagette» zum Kauf animieren, ist die Welt für sie in Ordnung. Doch etwas ist nicht wie die Jahre zuvor, bemerkt Patrik Eglin. «Ich bin gespannt, wie die Käufer auf meine Plakette reagieren.» Also doch. Ganz zum Schluss schwingt beim Künstler doch noch so etwas wie Stolz mit. Gut getarnt. Aber immerhin.