AUSGEFRAGT | SACHA KUNZ, AUSWANDERER
03.01.2020 Gastronomie, Läufelfingen«Einen schöneren Job kann man nicht haben»
Christian Horisberger
Die Familie Kunz aus Läufelfingen ist vergangenen Frühling ausgewandert. Ihre neue Heimat ist der norddeutsche Ferienort Dorum, wo die Eltern Sacha und Brigitte einen Imbisswagen ...
«Einen schöneren Job kann man nicht haben»
Christian Horisberger
Die Familie Kunz aus Läufelfingen ist vergangenen Frühling ausgewandert. Ihre neue Heimat ist der norddeutsche Ferienort Dorum, wo die Eltern Sacha und Brigitte einen Imbisswagen betreiben. Ihre 13-jährigen Zwillinge Timo und Noemi gehen nun dort zur Schule, der 20-jährige Sohn Kevin hat sich entschlossen, im Baselbiet zu bleiben. Die Auswanderer-Familie spielt eine Hauptrolle in der neuen Staffel der Sendung «Auf und davon», die ab heute Freitag im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wird.
Herr Kunz, wir erwischen Sie in der Schweiz. Haben Sie schon genug vom Auswandern?
Sacha Kunz: Nein, sicher nicht. Wir sind für zwei Wochen in der Schweiz, um Familie und Freunde zu besuchen. Wir haben aber auch diverse Pressetermine, ausgelöst durch die Fernsehsendung, in der wir mitwirken. Damit hatten wir nicht gerechnet.
Wann werden Sie zurück in die neue Heimat fahren?
Am Sonntagabend.
Wenn man von Auswandern spricht, denkt man an einen Ort, an dem es angenehm warm ist. Sie aber haben sich für den kühlen Norden Deutschlands entschieden. Weshalb?
Wie verbrachten unsere Herbstferien oft an der Nordsee. Es hat uns dort immer gefallen, und wir suchen die Hitze auch nicht. Es gibt natürlich auch hier wärmere Tage.
Weshalb haben Sie sich ausgerechnet diese Ecke ausgesucht?
Wir hatten in der Gegend schon länger nach einer Ferienwohnung oder einem Ferienhaus Ausschau gehalten, mit der Absicht, nach der Pensionierung nach Norddeutschland zu ziehen. Im Oktober vorvergangenen Jahres hat unser Sohn Timo an einem Imbisswagen einen Zettel gesehen, dass dieser zu verkaufen sei. Ich und meine Frau dachten: «Das wär’s!» Im Dezember dann haben wir uns mit dem Verkäufer geeinigt.
Für den Lebensabend auszuwandern ist aber nicht dasselbe, wie es mitten im Erwerbsleben zu tun.
Ohne die Gelegenheit mit dem Grillwagen hätte ich es mir auch nicht vorstellen können. Aber wir arbeiten an einem Ort, wo andere Ferien machen. Einen schöneren Job kann man nicht haben.
Sie arbeiteten zuvor bei einer Strassensignalisationsfirma, Ihre Frau im Verkauf in einem Sportgeschäft. Hatten Sie je einen beruflichen Bezug zur Gastronomie?
Nein.
Haben Sie nie Angst vor Ihrem eigenen Mut bekommen?
Nein, im Gegenteil: Umso grösser ist unser Eifer und die Überzeugung, dass wir das packen. Wir haben in den ersten dreieinhalb Monaten mit dem Imbisswagen gut gearbeitet. Das zeigte uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben bereits einen zweiten Wagen angeschafft, um ein zweites Standbein mit Präsenz an Anlässen und Märkten aufzubauen.
Reden wir übers erste Standbein. Wo befindet sich Ihr Imbisswagen? Wer sind Ihre Kunden?
Standplatz ist der Kutterhafen von Dorum-Neufeld, ein Ferienort an der Nordseeküste zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Unsere Kunden sind mehrheitlich Touristen; die Saison dauert von Mitte März bis Ende Oktober.
Was brutzeln Sie?
Currywurst – das ist der Verkaufsschlager –, Pommes, Chicken Nuggets, weitere Würste, Hähnchenbrust, Kids-Menüs.
Haben Sie vor, das Angebot schweizerischer zu gestalten?
Das hatten wir einmal im Sinn. Zum Beispiel mit Schweizer Würsten. Aber die Leute hier sind nicht bereit, 6 oder 7 Franken für eine Wurst zu bezahlen. Wir wollen auch gar nicht schweizerisch auftreten und damit den Eindruck erwecken, wir hielten uns für etwas Besonderes.
Aber die Leute hören Ihnen an, woher Sie stammen. Wie reagieren die Menschen auf die Schweizer von der Currywurstbude?
Wir werden oft darauf angesprochen – im positiven Sinn. Wir haben es auch schon in die Lokalpresse geschafft mit der Schlagzeile «Ein Schweizer übernimmt den Imbiss».
Nicht irgendein Schweizer: Sie sind der Sohn von Ex-FCB-Goalie Marcel Kunz und Enkel von Godi Dienst, der 1966 im Fussball-WM-Final das «Wembley-Tor» für England gab und Deutschland um den Titel brachte. Das werden Sie kaum an die grosse Glocke hängen …
Das machte in der hiesigen Presse bereits die Runde. Ich habe sogar ein Bild von meinem Grossvater im Wagen aufgehängt. Bisher gab es darauf nur positive Reaktionen. Manche Leute suchen deswegen das Gespräch und machen auch Fotos. Die Leute hier sind sehr offen und direkt. Das passt zu uns.
Nicht mit ausgewandert ist Ihr 20-jähriger Sohn Kevin. Weshalb?
Er macht Sport und hat seinen Job. Als der Umzug nahte, merkte er, was er alles zurücklassen müsste. Wir sind ihm nicht böse, sondern freuen uns, dass er glücklich ist.
Wie fühlen sich Ihre beiden anderen Kinder an der Nordsee?
Unsere 13-jährigen Zwillinge Timo und Noemi wurden in der Schule gut aufgenommen und haben sich gut eingelebt. Dies nicht zuletzt dank meiner Schwiegermutter, die während der Saison bei uns ist, um sich um die beiden zu kümmern, während wir arbeiten.
Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Absichten reagiert?
Der eine oder andere war skeptisch, ob das funktioniert. Uns war ja auch bewusst, dass es ein mutiger Schritt ist, aber wir wussten, woran wir sind: Wir hatten Einsicht in die Bücher unseres Vorgängers und kamen zur Überzeugung, dass der Wagen ein Selbstläufer ist, wenn Qualität, Preis und Freundlichkeit stimmen.
Vermissen Sie die alte Heimat?
In den ersten dreieinhalb Monaten, die wir arbeiteten, hatten wir keine Zeit für solche Gedanken. Nach Saisonschluss gab es schon Momente des Vermissens: Eltern, Grosseltern, unseren Sohn, klar. Aber auch Kulinarisches wie unsere Lieblings-Salatsauce, Fondue oder Raclette. Das haben wir jetzt eingekauft und werden es mit nach Deutschland nehmen.
Heute wir der erste Teil der Sendung «Auf und davon» mit der Familie Kunz in der Hauptrolle ausgestrahlt: Wie kam es dazu?
Wir haben die Sendung im Fernsehen oft verfolgt. Ich kam aus heiterem Himmel auf die Idee, mich beim Fernsehen zu melden. Eigentlich aus einem Jux heraus. Dann kam die Sache ins Rollen.
Wie lange wurden Sie begleitet?
Über einen Zeitraum von acht Monaten war das Fernsehen während 500 bis 600 Stunden an uns dran.
In so einer Sendung macht man viel Persönliches öffentlich. Wurde Ihnen das nie zu viel?
Man gibt viel von sich preis, aber schlimm war es nie. Dies auch, weil wir mit den Fernsehleuten eine offene Kommunikation hatten.
Den ersten Teil haben Sie bereits gesehen. Gefällt er Ihnen?
Wir sind sehr zufrieden. Die eine oder andere Szene, die herausgeschnitten wurde, hätten wir gerne gesehen, aber es ist ja nicht möglich, alles zu zeigen, was gedreht wurde.
«Auf und davon», ab heute jeweils freitags um 21 Uhr auf SRF 1.