Anwohner befürchten Mehrverkehr
17.01.2020 Bauprojekte, Böckten, Gemeinden, Gesellschaft, Bezirk SissachReferendum gegen Quartierplan Gemsacker mit 29 Wohneinheiten
Darüber, ob im Gebiet Gemsacker eine Überbauung mit 29 Wohneinheiten realisiert werden kann, müssen die Böckter an der Urne entscheiden. Gegen den entsprechenden Beschluss der Gemeindeversammlung wurde erfolgreich das ...
Referendum gegen Quartierplan Gemsacker mit 29 Wohneinheiten
Darüber, ob im Gebiet Gemsacker eine Überbauung mit 29 Wohneinheiten realisiert werden kann, müssen die Böckter an der Urne entscheiden. Gegen den entsprechenden Beschluss der Gemeindeversammlung wurde erfolgreich das Referendum ergriffen.
Christian Horisberger
Das letzte Wort zu einer grossen Wohnüberbauung im Herzen von Böckten ist noch nicht gesprochen. Gegen den Gemeindeversammlungsbeschluss zum Quartierplan Gemsacker und den zugehörigen Kredit über 775 000 Franken für neue Wasser- und Abwasserleitungen ist das Referendum ergriffen worden. Am Montag wurde dieses mit 112 Unterschriften eingereicht. 59 wären nötig gewesen, um den Quartierplan an die Urne zu bringen.
Der Quartierplan legt die zonenrechtliche Basis für eine Überbauung mit 29 Wohneinheiten in fünf Einfamilien-, acht Doppeleinfamilien- sowie zwei Mehrfamilienhäusern auf einem seit Jahrzehnten brachliegenden Baugrundstück.
Die meisten Unterzeichnenden wehrten sich wegen des zu erwartenden Mehrverkehrs gegen die Überbauung, sagt Donat Oberson, Initiant des Referendums und direkter Anwohner des Gemsackers. Anderen würde das Gelände zu dicht überbaut, Dritten sei der finale Entscheid zu flott über die Bühne gegangen. «Mindestens zwei Jahre hat man von dem Projekt nichts mehr gehört», sagt Oberson, «viele Menschen dachten, das Projekt sei gestorben.» Diese Leute möchten nun mehr Bedenkzeit.
Wohngenossenschaft bevorzugt
Diese Aussage überrascht Gemeindepräsident Elmar Gürtler. Die Gemeinde habe laufend über den Stand des Projekts informiert, sagt er. Im Sommer 2018 sei im Hinblick auf die Quartierplanung ein Weglein in den Bauund Strassenlinienplan aufgenommen worden. Jener Weg ist ein Dorn im Auge Obersons: Das sei eine schlechte Lösung.
Oberson selber stellt sich nicht grundsätzlich gegen die Überbauung, wie er sagt. Er störe sich vorab an der grossen Zahl Ein- und Doppeleinfamilienhäuser. Diese könnten nur Menschen mit einem gewissen Vermögen bezahlen. Als Sozialarbeiter sei er oft mit Obdach- und Wohnungslosen konfrontiert, mit Menschen, die wegen ihres tiefen Einkommens grösste Schwierigkeiten hätten, ein Dach über dem Kopf zu finden.
Er selber ist Mitglied von Kordia, einer Wohngenossenschaft mit Sitz in Sissach, und würde es begrüssen, wenn in der neuen Überbauung ein gemeinnütziger Wohnungsbau ins Auge gefasst würde. Das Thema sei aktueller denn je: Am 9. Februar wird das Volk über die eidgenössische Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» abstimmen.
Wie der Wohnraum vermarktet wird, sei Sache der Eigentümer, sagt Präsident Gürtler. Er finde den Mix aus Ein- und Mehrfamilienhäusern gut und das Gesamtprojekt durchdacht. Für die Gemeinde sei die Überbauung insgesamt sinnvoll: Böckten wolle gemäss Leitbild noch etwas wachsen, das Vorhaben im Gebiet Gemsacker biete die Möglichkeit dafür.
Auf der Zielgeraden gebremst
Gürtler anerkennt das Referendum als politisches Recht. Doch bedauert er, dass sich die Unterzeichner nicht im Vernehmlassungsverfahren verlauten liessen und sich erst auf der Zielgeraden zu Wort melden. «Der Planer hat in allen Punkten versucht, auf die Anliegen verschiedener Interessengruppen einzugehen, hat den Konsens gesucht und Konzessionen gemacht.»
Die Zukunft des Gemsackers ist in Böckten seit rund zehn Jahren ein Thema. Letztmals war das Bauvorhaben im Dezember 2014 und im Januar 2015 Gegenstand der öffentlichen Debatte, als die Bevölkerung zum Bebauungskonzept für das rund 9000 Quadratmeter grosse Grundstück und zur Verkehrsführung Stellung nehmen konnte. Dann wurde es relativ still um die Überbauung am Bahndamm – offenbar wurde vorab im Hintergrund weitergearbeitet.
Im vergangenen November orientierte die Gemeinde zusammen mit den Planern vom Liestaler Architeam über das Bauvorhaben, am 13. Dezember hat die Gemeindeversammlung mit 38 gegen 22 Stimmen bei 7 Enthaltungen dem Quartierplan und dem Kredit für die Erschliessung über 775 000 Franken zugestimmt. Diese Gelder werden zum grossen Teil via Erschliessungs- und Anschlussbeiträge in die Gemeindekasse zurückfliessen.
Gemäss Gemeindepräsident Gürtler wird die Referendumsabstimmung so rasch wie möglich auf einen offiziellen Abstimmungstermin gelegt. Auf den vom 9. Februar reiche es keinesfalls. Ist das Referendum erfolglos, verzögere es das Projekt allenfalls um einige Monate, lehnen die Böckter den Quartierplan ab, liege der Ball bei den Grundeigentümern und ihrem Planer.