«Wir werden bald eine positive Bilanz ziehen können»
07.01.2020 Baselbiet, Wirtschaft, PolitikStandortförderer Thomas Kübler freut sich auf den Effekt der kantonalen «SV 17»
Thomas Kübler arbeitet seit vier Jahren daran, die Standortbedingungen für Unternehmen im Kanton Baselland zu verbessern. Er ist überzeugt, dass die Attraktivität des Standorts dank der kantonalen ...
Standortförderer Thomas Kübler freut sich auf den Effekt der kantonalen «SV 17»
Thomas Kübler arbeitet seit vier Jahren daran, die Standortbedingungen für Unternehmen im Kanton Baselland zu verbessern. Er ist überzeugt, dass die Attraktivität des Standorts dank der kantonalen Unternehmenssteuerreform auf einen Schlag stark zunimmt.
David Thommen
Her Kübler, was macht man als Baselbieter Standortförderer?
Thomas Kübler: Unser Auftrag lautet, für die Unternehmen möglichst gute Bedingungen zu schaffen. Ziel ist, dass die Firmen wachsen können, Arbeitsplätze schaffen und damit Steuersubstrat generieren.
Und wie macht man das?
Wir helfen mit, günstige wirtschaftspolitische Strukturen zu schaffen. Wir mischen uns dafür in die Arbeitsgesetzgebung ein, in die Raumplanung, in die Steuer- und selbst in die Bildungsgesetzgebung. Wir sind innerhalb der Kantonsverwaltung die Fürsprecher für die Wirtschaft. Und wir betreuen und begleiten die Unternehmen bei ihren Behördengängen.
Einseitige Lobbyisten für die? Ist man da beliebt bei Regierung und Verwaltung?
Unser Auftrag ist es nicht, maximal beliebt zu sein. Aber die Zusammenarbeit funktioniert gut und ist nicht auf Konfrontation ausgerichtet. Wir wecken das Verständnis für die Wirtschaft über alle Direktionen hinweg. Dafür kommunizieren wir viel mit allen kantonalen Stellen und schärfen das Bewusstsein dafür, worauf die Wirtschaft angewiesen ist. Und wir gehen mit Fällen aus der Praxis auf die zuständigen Ämter zu. Wenn also ein Unternehmen ein grosses Bauvorhaben hat, schalten wir uns früh ein, setzen uns mit den Beteiligten an einen Tisch und versuchen, den Weg so zu ebnen, dass Vorhaben möglichst reibungslos umgesetzt werden können.
Sie sind seit vier Jahren im Amt. Einen Standortförderer gab es zuvor in dieser Art nicht. Erkennt man Ihre Handschrift schon?
Ich denke schon. Wir haben ein neues, wirtschaftsfreundliches Standortförderungsgesetz geschaffen. Wir haben auch ganz konkrete Akzente gesetzt wie beispielsweise den Switzerland Innovation Park in Allschwil, wo es uns gelungen ist, neue Unternehmen anzuziehen. Auch in der Bestandespflege haben wir uns den Ruf erarbeitet, Firmen bei der Lösung von Problemen wie etwa bei Standorterweiterungen oder -verlegungen zu helfen.
Was sind die grössten Probleme, mit denen unsere Unternehmen zu kämpfen haben?
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Baselbieter Wirtschaft gesund ist. Klar, der starke Franken ist nach wie vor ein grosses Problem, das die Unternehmen zwingt, sich ständig neu zu erfinden und immer weiter zu spezialisieren. Das gelingt ihnen aber gut. Ein Baselbieter Problem ist, dass wir nicht mehr viele Flächen für Neuansiedlungen und Erweiterungen haben, was zu hohen Landpreisen führt. Und stark beschäftigt die Firmen der Fachkräftemangel.
Baselland rückt laut einer CS-Studie mit der nun angenommenen «SV 17» in der Standortgunst von Rang 10 auf Rang 5 unter den Schweizer Kantonen vor. Was passiert jetzt?
Unser Standort ist heute schon gut. Ein grosses Problem war bisher tatsächlich die hohe Steuerbelastung. Den hier ansässigen Firmen gibt die nun bereinigte Situation Planungssicherheit: Wer zuvor aus steuerlichen Gründen mit einem Wegzug geliebäugelt hat, dürfte sich von solchen Plänen verabschieden. Und potenzielle Zuzüger können sich darauf verlassen, hier auch in steuerlicher Hinsicht dauerhaft gute Bedingungen vorzufinden. Wir werden jetzt zusammen mit «BaselArea.swiss», unserer Vermarktungsorganisation, überlegen, wie wir diesen neuen Vorzug unserer Region breit kommunizieren können. Ich bin mir sicher, dass wir dank der «SV 17» in einigen Jahren eine sehr positive Bilanz ziehen können.
Gibt es bereits neue Branchen, die sich für den Standort Baselland interessieren?
Das kann ich so nicht sagen. Das Schöne am Baselbiet – oder anders formuliert, eine seiner Stärken – ist, dass wir heute eine breite Branchenstruktur haben und es mehrere Schwerpunkte gibt.
Beispiele?
Die Investitionsgüterindustrie – also etwa die Maschinenindustrie – ist im Birstal stark präsent, das Stichwort ist «Industrie 4.0» oder Robotik. Wir haben einige von den Branchenbesten, und die Entwicklung zeigt steil nach oben. Ein anderer Cluster ist natürlich in Allschwil mit den Life Sciences; wir haben aber auch den Chemiecluster rund um Schweizerhalle oder einen Logistikcluster bei Pratteln und in den Rheinhäfen. Im Laufental sind wir stark in der Wertstoffverarbeitung, rund um Liestal haben wir einen Gesundheitsund Dienstleistungscluster und im Oberbaselbiet gibt es ebenfalls einige Hightechstandorte, beispielsweise in Bubendorf mit Bachem, Tenniken mit Rego-Fix oder Hölstein mit der Oris. Wo es gute Unternehmen gibt, siedeln sich auch andere Firmen gerne an.
Gerade in Schweizerhalle sind Novartis und Roche auf dem Rückzug mit der Produktion, die in der Schweiz zu teuer geworden ist. Ist Schweizerhalle Ihre neue Baustelle?
Schweizerhalle ist und bleibt als hochpotenter Chemiestandort ein absolut wichtiges Arbeitsgebiet für uns. Man kann dort Produktentwicklungen mit einem gewissen Störfallpotenzial machen, die sonst in der ganzen Schweiz nicht möglich sind. Wer das nächste solche Gebiet sucht, muss bis nach Mannheim oder Frankfurt. Novartis oder Clariant haben sich dort zwar tatsächlich teilweise aus der Produktion zurückgezogen, aber andere kommen nach. Zuletzt nun beispielsweise Syngenta, womit wir ein weiteres global tätiges und führendes Unternehmen aus der Chemie dort präsent haben. Schweizerhalle wird künftig vor allem der frühen Produktion dienen. Hier kann man Pilotanlagen entwickeln und betreiben, bis die Prozesse so gesichert und skalierbar sind, dass sie im grossen Stil dann möglicherweise in China oder Indien betrieben werden können.
In Schweizerhalle darf es also auch einmal «chlöpfen»?
Dank der vorhandenen Sicherheitsund Umweltinfrastruktur verträgt es Betriebe mit einem gewissen Störfallpotenzial unter strenger Kontrolle der Aufsichtsbehörden. Dafür gibt es einen grossen Bedarf. Denken Sie an die Entwicklung alternativer Treibstoffe, von Materialien für 3D-Drucker, an die Nanotechnologie und so weiter.
Der Uni Basel ist kürzlich sehr viel Geld vom Nationalfonds für die Erforschung von Nanocomputern zugesprochen worden. Eine Chance für einen neuen ICT-Cluster?
Einen solchen würden wir uns wünschen. Jura, Basel-Stadt und Basel-Landschaft arbeiten daran, dass die Region auf die digitale Landkarte kommt. Wir stellen fest, dass wir hier eine Knappheit an ICT-Talenten haben. Einerseits bilden wir noch zu wenige Spezialisten selber aus, andererseits kommen Fachkräfte von ausserhalb kaum zu unseren Betrieben, sondern bevorzugen Zürich, wo Google, Apple und so weiter sind. Dabei hätten wir in der Region beste ICT-Arbeitsplätze: Die Life-Sciences-Forschung ist heute stark datenbasiert oder auch alle technischen Firmen in der Industrie benötigen ICT-Kompetenz. Der neue ICT-Forschungsschwerpunkt der Uni Basel könnte zum Magneten für Spezialisten in diesem Bereich werden.
Eine Studie zeigt, dass sich die im Laufental derzeit gut entwickelt. In den Bezirken Sissach und Waldenburg stellt man das nicht fest. Was macht das Laufental besser?
Im Laufental war vor wenigen Jahren noch von einer Desindustrialisierung die Rede. Mittlerweile gibt es dort einige positive Investitionsentscheide von grösseren Firmen. Aber auch im Oberbaselbiet herrscht nicht Stillstand, ich habe Tenniken, Bubendorf oder Hölstein erwähnt.
Insgesamt hat man dennoch nicht den Eindruck, dass die Wirtschaft im Oberbaselbiet «brummt» …
Was uns tatsächlich etwas Sorgen macht: Neu zuziehende Unternehmen lassen sich nicht leicht für Räume begeistern, die etwas weiter von Liestal oder Basel entfernt sind. Wenn wir Firmen Areale zeigen wollen, die weiter als 10 Minuten Fahrt von Liestal entfernt sind, dann wird die Zurückhaltung gross. Die Firmen befürchten, dass die Rekrutierung von Arbeitskräften dadurch noch schwieriger wird.
Welches ist der grösste Konkurrenzstandort für Baselland? Basel-Stadt?
Nein. Ich sehe das Fricktal und das Mittelland nahe des Bölchentunnels in dieser Rolle. Basel-Stadt und Basel-Landschaft sind eher komplementär. In die Stadt geht, wer die Dichte und das Urbane sucht, wer Fläche und Raum braucht, kommt aufs Land. Wir ergänzen uns also. Das Fricktal hingegen weist ähnliche Eigenschaften auf wie das obere Baselbiet, bietet zum Teil aber zusätzliche Vorteile: Dort bekommt man noch grosse Flächen zu günstigeren Preisen, zudem ist die Erschliessung top. Deshalb ist die «SV 17» für uns auch so wichtig: Wir können mit den vergleichbaren Standorten nun besser Schritt halten oder sind sogar im Vorteil. Wir dürfen die Konkurrenzfähigkeit unserer Firmen nun einfach nicht mit neuen Gesetzen und einschränkenden Vorschriften einseitig schwächen.
Hat man als Standortförderer Schweissausbrüche, wenn man die Zugewinne für die Grünen sieht?
Da habe ich weniger Angst. Umweltanliegen sind vielfach berechtigt, was auch die Wirtschaft anerkennt. Umgekehrt gilt, dass es nur dank und mit der sich entwickelnden Wirtschaft möglich ist, die Umwelt immer besser zu schützen. Die moderne Industrie produziert nicht mehr mit rauchenden Schloten. Wer den Trend zur Modernisierung der Wirtschaft unterstützt, tut auch etwas für die Umwelt. Das sehen die meisten Akteure in der Politik so.
Die Grünen wollen aber beispielsweise die Betriebszeiten des Flughafens einschränken. Und sie sind wohl auch gegen den Ausbau der verstopften Autobahnen.
Ich bin im Verwaltungsrat des Flughafens und habe einiges Verständnis für die Anliegen der lärmgeplagten Anwohner. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass der gute internationale Anschluss auf Strasse, Schiene und in der Luft weiterhin so gut funktioniert. Wir werden mit der Zeit Lösungen finden, die für die Anwohner, aber auch für den Flughafen gut sind.
Prognosen besagen, dass die im 2020 weltweit abflauen wird. Was bedeutet das für uns?
Der Tiefpunkt dürfte nach unserer Einschätzung noch im Verlauf des Winters erreicht sein. Ab Frühling oder Sommer könnte es wieder eine Belebung geben. Insgesamt rechnen wir für 2020 mit etwas weniger Wachstum. Zusammen mit dem immer noch sehr starken Franken bedeutet dies für unsere Unternehmen, dass sie voraussichtlich an die Reserven gehen müssen. Andererseits gibt es auch einen positiven Aspekt: Nach etwa 10 Jahren des fast atemlosen Wachstums gibt es für unsere Unternehmen nun auch wieder einmal eine etwas ruhigere Phase. Sie können ihre Strukturen überprüfen und bereinigen. Von wachsenden Arbeitslosenzahlen oder gehäuften Konkursen gehe ich für das Jahr 2020 nicht aus.
Das Rahmenabkommen mit der EU sowie die Personenfreizügigkeit werden nun immer mehr zum Thema. Wie stark könnten Veränderungen unsere Wirtschaft beeinflussen?
Wir in der Nordwestschweiz sind exportorientiert und in das europäische Umfeld stark eingebunden. Rechtssicherheit im Verhältnis zur EU ist für uns wichtig und ich meine, dass wir ein Rahmenabkommen unter Berücksichtigung der flankierenden Massnahmen – Stichwort Löhne – auch abschliessen können. Die Wirtschaft ist ohne Wenn und Aber auf den friktionsfreien internationalen Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften aus der EU wie auch aus Drittstaaten angewiesen. Dabei ist wesentlich, dass der freie Arbeitsmarkt, einer der Standortvorteile der Schweiz, nicht unnötig eingeschränkt wird.
Was ist die grösste Gefahr, die 2020 lauert?
Die grösste Gefahr sind die weltweiten Streitereien wie Handelskriege, Einschränkung des freien Handels, oder der Protektionismus, der in grossen Ländern aus machtpolitischen Gründen gerade in Mode ist. Wir als kleines Land, das so stark vom Import und Export lebt, sind auf einen reibungslosen und möglichst freien Welthandel angewiesen. Die zweitgrösste Gefahr ist, dass die europäische Finanzkrise, die noch nicht ausgestanden ist, wieder aufflackern könnte. Sollte in Italien oder Frankreich Sand ins Getriebe kommen, wird es schwierig für uns. Wir sind auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass unsere Abnehmermärkte gut funktionieren.
Zur Person
tho. Thomas Kübler (54) leitet seit Anfang 2016 die Standortförderung Baselland in der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion. Er hat einst Ökonomie an der Uni St. Gallen studiert und danach in der Konjunkturforschung gearbeitet, unter anderem war er stellvertretender Direktor bei der BAK Basel. Später hatte er ein eigenes Beratungsunternehmen und war in mehreren Verwaltungsräten aktiv. Er lebt in Büsserach, ist verheiratet und Vater dreier erwachsener Kinder.