«Im Hockey muss ich mich nicht zurückhalten»
16.01.2020 Bezirk Sissach, EishockeySebastian Wirz
Am Morgen des 26. Dezembers passiert im Oberbaselbiet nichts. Die Menschen schlafen aus, verdauen wohl noch die Reste des Fondue chinoise vom Weihnachtsessen. Nicht so bei Familie Wyser: «5.30 Uhr Meeting Airport Zurich», steht auf dem Aufgebot, das Lukas ...
Sebastian Wirz
Am Morgen des 26. Dezembers passiert im Oberbaselbiet nichts. Die Menschen schlafen aus, verdauen wohl noch die Reste des Fondue chinoise vom Weihnachtsessen. Nicht so bei Familie Wyser: «5.30 Uhr Meeting Airport Zurich», steht auf dem Aufgebot, das Lukas Wyser erhalten hat. Der Sissacher fliegt um 7.25 Uhr nach Bratislava an ein internationales Eishockey-Turnier. Denn seit September zählt er zum Kreis der U16-Nationalmannschaft.
«Das war schon früh», sagt Wyser bei einem Treffen auf der Sissacher «Kunsti». Also dort, wo er seine ersten Schritte im Eishockey gemacht hat. Aufgrund seiner 185 Zentimeter Körpergrösse würde man ihn älter schätzen, aber am Tisch sitzt ein scheuer 15-Jähriger. Kapuzenpulli, selbst bemalte Schuhe, etwas unsicher, weshalb der Journalist etwas von ihm wissen will. Dabei gibt es dafür gute Gründe.
Im September wurde Lukas Wyser zu einem Sichtungsturnier für die U16-Nationalmannschaft eingeladen. Inklusive Pikett-Spieler wurden 113 Schweizer mit Jahrgängen 2003 und 2004 aufgeboten, um vorzuspielen. Sie alle stammen aus Vereinen mit einem Team in der National League oder vom EHC Kloten, der von Struktur und Budget her ebenfalls in die höchste Liga gehört. Alle ausser einem: Lukas Wyser, Verteidiger beim EHC Basel.
«Dort kannte mich niemand und umgekehrt. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen und war sehr nervös. Aber offenbar habe ich einen guten Eindruck hinterlassen», sagt Wyser. Im November absolvierte er in Monthey seine ersten Länderspiele gegen Tschechien. Es sind bleibende Erinnerungen: «Ich war schon beim Aufwärmen so nervös, dass ich kaum meinen Stock ruhig halten konnte.» Und noch etwas war plötzlich anders. Wyser war nicht mehr der grösste Spieler.
Sissach, Rheinfelden, Basel
Seine Körpergrösse hatte dazu beigetragen, dass er überhaupt mit Eishockey begann. Fussball, Judo – überall musste sich der Grossgewachsene zurückhalten, ehe er zum Eishockey fand. «In den Nachwuchsligen wird zwar nicht gecheckt, aber der Körperkontakt ist Teil des Sports», sagt Wyser, «ich musste keine Angst haben, jemanden zu verletzen. Auf den Schlittschuhen wurde ich nicht gebremst.»
Den EHC Zunzgen-Sissach hat Wyser verlassen, als die Kunsteisbahn wegen des einsturzgefährdeten Dachs ihren Betrieb einstellte. Über Rheinfelden gelangte er in der U13 zum EHC Basel, einem Verein, zu dem er in den Direktduellen immer aufgeblickt hatte.
Dort spielt er heute in der U17. Fünf Trainings in der Woche, wovon er eines dank einer Individuallösung der Leistungssportförderung morgens besuchen kann, und ein Spiel – so lautet das Standardprogramm in einer Woche. Abgesehen von einzelnen Lektionen, die er ausnahmsweise freitags verpasst, wenn die Reise an ein frühes Auswärtsspiel ansteht, verpasst er an der Sekundarschule Tannenbrunn so nur den Zeichenunterricht. Ausgerechnet. Denn Zeichnen ist Wysers Hobby, wenn er nicht gerade auf dem Eis steht. Die bemalten Schuhe, in denen er zum Gespräch erscheint, sind nicht das einzige Zeichen seiner kreativen Ader.
Dieser junge Mann traf also im November auf das tschechische Junioren-Nationalteam und merkte: «Meine Gegenspieler sind ja plötzlich auch gross.»
«Jeder will Profi werden»
An die körperlich starken Kontrahenten hat sich Wyser schnell gewöhnt. Nach guten Leistungen beim Turnier über die Festtage in der Slowakei gehört er auch an den Olympischen Jugendspielen in Lausanne zum Kader der Schweiz. Das Team spielt am Sonntag und am Montag gegen die USA und Finnland, ehe am Dienstag und Mittwoch Halbfinals sowie Finals stattfinden.
Auf diesem Niveau ist sich Wyser bewusst, dass er nicht zu den Topshots gehört. «Es gibt immer jemanden, der etwas besser kann. Ich versuche das mit meiner Einstellung und meinem Willen wettzumachen», sagt der Jugend-Olympionike.
Nach den Jugendspielen schliesst er erst einmal die U17-Saison beim EHC Basel ab. Alles andere lässt er aktuell noch offen. «Klar, jeder will Profi werden. Aber ich kann das nicht erzwingen. Ich lasse meine Zukunft auf mich zukommen.»