«Wir brauchen Aufforstung und Walderhalt»
13.12.2019 Bezirk Waldenburg, Gesellschaft«Wir brauchen Aufforstung und Walderhalt»
Auf einer 7000 Kilometer langen PR- und Spendentour von Berlin nach Marokko warb die deutsche Aktivistin Camilla Kranzusch für ihre Ideen, wie man die Klimaerwärmung stoppen kann. Sie besuchte auch das Ökozentrum in ...
«Wir brauchen Aufforstung und Walderhalt»
Auf einer 7000 Kilometer langen PR- und Spendentour von Berlin nach Marokko warb die deutsche Aktivistin Camilla Kranzusch für ihre Ideen, wie man die Klimaerwärmung stoppen kann. Sie besuchte auch das Ökozentrum in Langenbruck.
Joshua Moser
«Pflanzen für den Planeten», so lautet die ungefähre Übersetzung der Schülerinitiative «Plant for the Planet» aus dem Jahr 2007. Gegründet wurde die Initiative in Deutschland. Die Botschaft: Wenn wir Bäume pflanzen, retten wir uns vor der drohenden Klimakatastrophe. Ihren Durchbruch erlebte die Jugend-Organisation mit der Kampagne «Stop talking. Start planting». Persönlichkeiten wie der US-Schauspieler Harrison Ford oder Fürst Albert von Monaco unterstützen die Kampagne.
Heute sind über 100 000 Kinder und Jugendliche weltweit für «Plant for the Planet» aktiv. Auch die 24-jährige Camilla Kranzusch unterstützt die Ziele der Organisation. Sie organisierte ihr eigenes Projekt «Go for Climate». Am 6. Septemer startete sie in Berlin, wo sie lebte und erreichte am 19. November ihr Ziel Ouarzazate in Marokko. Ende Oktober besuchte Kranzusch das Ökozentrum in Langenbruck. Als Spendenwanderin reiste sie zu Fuss, mit dem Zug und dem Schiff – und warb für ihre Lösungen, um den Klimawandel zu stoppen.
Frau Kranzusch, was ist das Ziel von «Go for Climate»?
Camilla Kranzusch: Wir wollten Lösungen zur globalen Klimakrise kommunizieren. Auf das Problem aufmerksam gemacht haben Bewegungen wie «Fridays for Future» zur Genüge. Viele Leute denken, dass wir keine Möglichkeiten haben, um dieses globale Problem zu lösen. Dem ist aber nicht so. Deshalb reiste ich nach Ouarzazate, wo eine der grössten solarthermischen Anlagen der Welt im Bau ist.
Sie retten die Welt also im Alleingang?
Selbstverständlich nicht, dafür braucht es uns alle. Die Lösungen sind alleine nicht umsetzbar.
Wie sehen die Lösungen denn aus?
Ein Teil der Lösungen geht in Richtung Aufforstung und Walderhalt: Bäume haben ein unglaubliches Potenzial. Eine Studie der ETH Zürich besagt, dass wir auf der Erde Platz für 1000 Milliarden weitere Bäume haben – exklusive Nutzflächen und Wüsten. Wir alle wissen, dass ein Baum CO2 aus der Luft entnimmt, den Kohlenstoff abspeichert und den Sauerstoff wieder freigibt. Entscheidend ist, dass der Kohlenstoff gespeichert wird. Wir haben noch etwa 25 Jahre, bis wir an die kritische 2-Grad-Celsius-Grenze stossen, wenn wir unsere Emissionen nicht reduzieren.
Was ist, wenn wir an diese Grenze stossen?
Dann können wir Menschen nichts mehr tun, um die Klimakatastrophe aufzuhalten, da sich die Erderwärmung exorbitant beschleunigen würde. Wenn wir die 1000 Milliarden Bäume aber in den nächsten zehn Jahren pflanzen, gewinnen wir 15 weitere Jahre dazu. Bäume sind für uns ein unabdingbarer Zeitjoker, den wir einsetzen müssen, um unsere Emissionen auf null zu bringen. Ohne geht es nicht.
Warum haben Sie das Ökozentrum besucht?
Im Ökozentrum in Langenbruck habe ich mir eine Maschine angesehen, die aus Biomasse – also aus Holz- und Pflanzenresten – Holzkohle herstellt. Am Ende kommt dabei Kohlenstoff raus, den wir wiederum als Dünger im Boden einlagern können. So bekommen wir den Kohlenstoff aus der Luft, können ihn im Boden speichern und sogar unsere Böden verbessern. Kohlenstoff ist ein super Dünger.
Sie sagten, dass nur ein Teil der Lösungen Bäume beinhaltet. Welche Ansätze gibt es noch?
Auf die Wüsten strahlt jeden Tag enorm viel Sonnenlicht. Könnte man dies in Energie umwandeln, würde ein Tag genügen, um alle Menschen der Welt ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Grundsätzlich haben wir also kein Energieproblem. Eine Idee ist, wie in Ouarzazate, solarthermische Kraftwerke in der Wüste zu bauen. Die funktionieren 24 Stunden am Tag. Die Sonnenenergie wird dann als Wärme gespeichert. Marokko ist Vorreiter im Bereich Ökostrom und will 42 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken.
Wie soll das alles finanziert werden?
Die Aufforstung kostet 10 000 Milliarden Euro, wenn wir pro gepflanzten und gepflegten Baum 10 Euro berechnen. Wenn sich Unternehmen und Privatpersonen freiwillig klimaneutral stellen, können diese ihren CO2-Fussabdruck ausrechnen und einen gewissen Betrag bezahlen, um an einer anderen Stelle CO2 aus der Luft zu nehmen. Ein Unternehmen hat zur Bereinigung der CO2-Bilanz bereits 1 Milliarde Euro einbezahlt, was unglaublich ist. Da aber leider nichts gesetzlich festgelegt ist, müssen wir auf freiwillige Hilfe hoffen. Der durchschnittliche Deutsche müsste um die 150 Euro pro Jahr einbezahlen.
Was machen Sie nun mit diesen Lösungen?
Ich hatte verschiedene Events organisiert, die als Plattform dienen sollten, um die Lösungen bekannt zu machen. Diese Veranstaltungen haben zum Teil bei klimaneutralen Unternehmen stattgefunden. Ich habe Workshops organisiert, Wissenschafter getroffen, an Demonstrationen teilgenommen und Vorträge an Schulen gehalten. Die Route meiner Reise hatten wir anhand der Veranstaltungen geplant.
Warum investierten Sie so viel Energie dafür?
Ich wollte schon lange etwas Sinnvolles machen und hatte gerade Zeit dafür: Ich hatte mein Studium für Mediengestaltung beendet und einige Zeit als Videoproduzentin gearbeitet. Ich bin dann an einige «Fridays for Future»-Demonstrationen gegangen und auf «Plant for the Planet» gestossen und wollte da mitmachen. Die Diskussionen mit Wissenschaftern und Aktivisten und die körperliche Herausforderung haben es mir angetan.
www.goforclimate.org/">http://www.goforclimate.org/
Zur Person
jm. Die 24-jährige Deutsche Camilla Kranzusch hat ein Studium in Mediengestaltung in München absolviert und als Kamerafrau und Videoproduzentin gearbeitet. Da sie das Thema Klimakrise immer mehr beschäftigte, kündigte sie ihre Anstellung und reiste von Berlin nach Marokko – zu Fuss, mit der Bahn und dem Schiff. Von ihrem siebten Lebensjahr an nahm Kranzusch an Mountainbike-Wettkämpfen teil und wurde Deutsche Meisterin.