Der ewige Mäuseschreck
07.11.2019 Bezirk Sissach, BuusEr jagt schon fast sein ganzes Leben lang Mäuse. Früher war die Prämie für ihn ein willkommener Zustupf, heute geht er nur noch hobbymässig auf die Jagd. In einem Monat fängt Bruno Keller gut und gerne 270 Mäuse.
Joshua Moser
Man merkt ihm die Routine sofort ...
Er jagt schon fast sein ganzes Leben lang Mäuse. Früher war die Prämie für ihn ein willkommener Zustupf, heute geht er nur noch hobbymässig auf die Jagd. In einem Monat fängt Bruno Keller gut und gerne 270 Mäuse.
Joshua Moser
Man merkt ihm die Routine sofort an: Gemächlich geht Bruno Keller auf das grüne, nasse Feld hinaus und steuert auf einen langen, dünnen Ast zu, den er vor einigen Tagen in den Boden gesteckt hat. Dieser Ast markiert den Eingang eines Mauselochs – ein scheinbar endloses Tunnelsystem, das sich unter der Erdoberfläche erstreckt.
Er zieht den Ast aus dem Boden und geht zu einem Hügel aus aufgewühlter Erde. Mit dem Ast stochert er in der Erde, um den Eingang des Tunnels zu finden. Sobald er die Öffnung entdeckt hat, legt er sie mit blossen Händen frei. Aus einem Plastikeimer nimmt der 72-Jährige einen rostigen, metallenen Gegenstand hervor. Der Gegenstand gleicht einer Zange mit einem Federmechanismus: eine Mausefalle.
Keller drückt die beiden Stangen auseinander und spannt einen kleinen Gegenstand dazwischen, der mit einer Kette an der Falle befestigt ist. Dann legt er die nun «scharfe» Mausefalle in die frisch gegrabene Öffnung. Sobald eine Maus hier durch läuft und den klobigen Gegenstand nur leicht berührt, schappt die Falle zu: Die Maus wird den Mechanismus in Bewegung setzen, der ihr Todesurteil sein wird. Ob das Nagetier einen schnellen oder einen langen, qualvollen Tod sterben wird, hängt davon ab, wie die Metallstangen sie erwischen: «Wenn es sie am Kopf oder Hals trifft, leiden die Mäuse wahrscheinlich nicht lange», so der Feldmauser.
270 Mäuse im Oktober
Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Buus, kennt Keller die Arbeit in der Natur. Schon als Kinde hat er seinem Vater auf dem Bauernhof geholfen. Im Herbst 1962 begann er eine Ausbildung als Mechaniker. Als sein Vater ein Jahr später tödlich verunglückte, übernahm er den Bauernbetrieb mit erst 15 Jahren parallel zur Ausbildung im Lehrbetrieb. Unterstützt wurde er von seinen beiden Schwestern, seiner Mutter und seinem Götti.
Keller führt den Bauernhof längst nicht mehr. Das «Bauern» sei ihm damals zu kompliziert gewesen: «Unser Land war in Buus überall verteilt, was einen riesigen Aufwand mit sich brachte.» Die Kühe habe er schon 1968, mit 21 Jahren also, verkauft. Nachdem er das «Bauern» aufgegeben hatte, arbeitete er nach seiner Ausbildung als Mechaniker.
Vor 50 Jahren gab es 20 Rappen pro Mausschwanz von der Gemeinde – ein schöner Batzen, wenn man bedenkt, dass ein Liter Milch für 50 Rappen zu haben war. Heute erhält Keller 50 Rappen, wenn er die von den toten Kadavern abgetrennten Mausschwänze dem Gemeindearbeiter bei der Kadaverentsorgung in Buus monatlich abliefert.
In seiner Freizeit bewirtschaftet er 20 Aren Rebstöcke und pflegt ein Stück Land, das ihm gehört und auf dem einige Kirschbäume stehen. Das Jagen der Mäuse beschäftige ihn seit bereits über 60 Jahren ein bis zwei Stunden pro Tag. «Ich mache es nicht wegen des Geldes, diese Beschäftigung ist mir einfach geblieben. Was soll ich denn sonst machen? Fernsehen?», fragt er und lacht.
Der Mäusejäger setzt die Falle vorsichtig am Boden ab und achtet beim Loslassen darauf, dass sie nicht zuschnappt. «Ich halte die Mäusepopulationen in Schach. Wenn man nichts macht, kann man die Felder nicht mehr brauchen», sagt Keller. Die Mäuse fressen die Wurzeln der Pflanzen auf dem Feld – und vernichten so die Ernte der Bauern. Ausserdem sorgen die Nagetiere für unzählige Löcher im Boden und legen immer neue Tunnelsysteme an, um an Nahrung zu gelangen. Die Bauern seien ihm fürs «Mausen» sehr dankbar: «Ich jage an vielen verschiedenen Orten – natürlich immer in Absprache mit den Besitzern der Felder», sagt Keller.
Im Loch verschwunden
Dort liegt die tödliche Falle nun. Keller betrachtet sie noch kurz und beginnt dann, sie wieder mit Erde zu bedecken. Dann erzählt er weiter. Damals, als er die Arbeit auf dem Bauernhof übernehmen musste, sei das Geld für die Mäuseschwänze sein Sackgeld gewesen. In der Lehre verdiente er einen halben Franken Stundenlohn. Nun sei es aber wirklich nur noch ein Zeitvertreib. Er gehöre zu den letzten, die in Buus noch Mäuseschwänze abliefern. «Da ich aber auf den Feldern zweier Gemeinderäte jage und diese mir dafür dankbar sind, muss ich mir keine Sorgen machen, dass die Mausschwanzabgabe abgeschafft wird», scherzt der ehemalige Präsident der Schützengesellschaft Buus und Maisprach.
Als das Loch zugeschüttet ist, steht Keller auf. «Die Kadaver überlasse ich den Füchsen, die lassen nichts liegen.» Er nimmt den Ast wieder zur Hand, der den Mausehügel markiert hat. «Diesen Sommer habe ich wegen des trockenen Bodens fast keine Mäuse gefangen, nun ist es aber wieder besser. Das liegt an der Nässe. Im Oktober habe ich dem Gemeindearbeiter bei der Kadaverentsorgung rund 270 Mäuseschwänze in Bünden zu zehn Stück gebracht.» Die Ausbeute eines Monats.
Keller steckt den Ast in die aufgewühlte Erde zurück. Genau hier wird er am nächsten Tag erneut vorbeikommen um zu sehen, ob die Falle zugeschnappt hat. Dann stapft er in Richtung der nächsten hölzernen Markierung davon.