Vom Landkauf zum Biosphärenreservat
11.10.2019 Baselbiet, RamlinsburgSeit mehr als 20 Jahren unterstützt die Stiftung für indianische Gemeinschaften in Paraguay indigene Völker im Waldgebiet Chaco. Urs Scheibler, Mitinitiant und Stiftungsratspräsident, tritt ins zweite Glied zurück.
Elmar Gächter
Der Gran Chaco, auch bekannt als ...
Seit mehr als 20 Jahren unterstützt die Stiftung für indianische Gemeinschaften in Paraguay indigene Völker im Waldgebiet Chaco. Urs Scheibler, Mitinitiant und Stiftungsratspräsident, tritt ins zweite Glied zurück.
Elmar Gächter
Der Gran Chaco, auch bekannt als «der Undurchdringliche», ist das grösste Waldgebiet Südamerikas nach dem Amazonas. Doch wie in Brasilien werden auch im paraguayischen Chaco in schwindelerregendem Tempo Waldgebiete abgeholzt – seit dem Jahr 2000 über 4 Millionen Hektaren. Die Region war lange fast ausschliesslich von nomadischen Jäger- und Sammlergruppen bewohnt, bis sie nach und nach entschädigungslos enteignet und von ihrem Land vertrieben wurden.
Der in Ramlinsburg domizilierte Verein und die Stiftung für indianische Gemeinschaften setzen sich seit 1997 dafür ein, die Situation für die indigenen Gemeinschaften der Ayoreo-Totobiegosode und der Nivaclé-Manjui zu verbessern. Seit ihrer Gründung hat die Organisation mehr als 42 000 Hektaren Land erwerben und den Indigenen überschreiben können.
Zusammen mit dem vom Staat Paraguay zur Verfügung gestellten Areal verfügen die beiden Gemeinschaften heute über rund 110 000 Hektaren Land. Dies ist allerdings lediglich die Hälfte ihrer Forderung und nur ein Bruchteil der 2,8 Millionen Hektaren des ursprünglichen Territoriums. Da sich die Landpreise in den vergangenen 20 Jahren von ehemals 40 Dollar auf mittlerweile gegen 1500 Dollar pro Hektare exorbitant erhöht haben, konzentriert die Stiftung ihre Hilfe auf den Schutz vor illegaler Abholzung und Besiedelung.
Auch in Afrika engagiert
Urs Scheibler, wohnhaft in Thürnen, hat mit seinem Bruder Rolf und Freunden Verein und Stiftung gegründet und ist seither Präsident der Stiftung. Als in unserer Region sehr gut vernetzter Unternehmer sah er es von Anfang an als seine Hauptaufgabe an, möglichst viele Spendengelder zu generieren. «Ich bin wohl ein bisschen der geborene Verkäufer», sagt er bescheiden von sich, denn die Resultate sind mehr als beeindruckend. Gegen 3 Millionen Franken sind zusammengekommen, darunter grössere Summen vom Swisslos-Fonds in beiden Basel, von Stiftungen, Gönnern und nicht zuletzt 400 000 Franken von einer nicht namentlich genannt sein wollenden Privatperson.
«Und kürzlich hat uns eine Familie aus dem Oberbaselbiet aus ihrer Erbschaft eine grössere Summe überwiesen», hält Urs Scheibler erfreut fest.
Sich für Menschen in Not einzusetzen, ist eines der Hauptanliegen seines Handelns. «Wenn du merkst, dass es irgendwo nicht gut läuft, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder nichts tun oder eben ‹do it›. Schon als Knabe habe ich mich stets für das Zweite entschieden», hält Urs Scheibler fest. Und als Person, die viele Jahre in Afrika gelebt und gearbeitet hat, ist ihm die Notwendigkeit, Hilfe vor Ort zu leisten, sehr bewusst. So engagiert er sich unter anderem für eine karitative Institution in Kamerun.
Stiftungsratspräsident tritt ab
Doch jetzt wolle er kürzertreten. «Ende Jahr werde ich 80 Jahre alt und spüre, dass meine Zeit als Frontsoldat zu Ende geht. Deshalb gebe ich mein Amt als Stiftungsratspräsident ab», so Scheibler. Er gehe mit einem guten Gefühl und Dankbarkeit über das Vertrauen, das ihm vom Vorstand und von den Donatoren geschenkt worden sei.
Urs Scheibler sieht sein Lebenswerk grundsätzlich in guten Händen. Der Vereinsvorstand sei mit sehr motivierten und auch jüngeren Leuten besetzt. Was er sich noch wünsche, sei eine Person, die wie er über ein grosses Netzwerk in der Region verfüge und sein Werk weiterführen könne. Denn ohne die nötigen finanziellen Mittel seien die Ziele der Organisation nicht zu erreichen.
Trotz aller Probleme, die in einem Land wie Paraguay mit seinem stets wechselnden politischen Umfeld allgegenwärtig seien, dürfe man sich über Fortschritte des Projekts freuen. Dazu zählten die Eigeninitiative und das gestiegene Selbstbewusstsein der Indigenen, die sich, wenn nötig, auch mit Massnahmen wie Strassensperren ihre Rechte zu erkämpfen wüssten. Sie könnten dabei nach wie vor auf die starke Unterstützung von Verena Regher zählen, die sich als Schweizerin seit vielen Jahren vor Ort für die Indigenen engagiert. Erfreulich sei auch, dass vermehrt Einheimische, unter ihnen ein Mitglied der Totobiegosode, der in Asunçion studiert hat, eine immer stärkere Rolle einnehmen würden.
Land sichern, Gesundheit fördern
Verein und Stiftung konzentrieren sich künftig darauf, die Indigenen darin zu unterstützen, ihr überschriebenes Land zu sichern. Ihre Kontrollfunktion, die sie an verschiedenen Orten heute schon ausüben, soll erweitert und so entschädigt werden, dass sie ihnen als Existenzgrundlage dient. Die Organisation will sich auch weiterhin für die Gesundheit der Ureinwohner einsetzen. Diese haben keine Immunabwehr gegen die von den Weissen «importierten» Krankheiten entwickelt und viele sind deshalb ein Leben lang von medizinischer Versorgung abhängig.
Als wichtigstes Ziel haben sich Verein und Stiftung auf ihre Fahne geschrieben, ein Biosphärenreservat zu schaffen, damit die Totobiegosode ihr Land verantwortungsvoll, naturnah und nachhaltig nutzen können. Mit dem überlieferten Wissen ihrer Vorfahren und ihren eigenen Erfahrungen und Werten sollen der Trockenwald und seine Artenvielfalt vor Raubbau und Zerstörung geschützt werden.