In Scharen über die «Ulmethöchi»
08.10.2019 Bezirk Waldenburg, LauwilIn der Vogelstation «Ulmethöchi» in Lauwil sind in den vergangenen 57 Jahren mehr als 100 000 Vögel beringt, begutachtet, vermessen und gewogen worden. Momentan fliegen viele aus dem Norden kommende Eichelhäher über den Geländesattel.
Brigitt Buser
Mit der ...
In der Vogelstation «Ulmethöchi» in Lauwil sind in den vergangenen 57 Jahren mehr als 100 000 Vögel beringt, begutachtet, vermessen und gewogen worden. Momentan fliegen viele aus dem Norden kommende Eichelhäher über den Geländesattel.
Brigitt Buser
Mit der Morgendämmerung sieht man die ersten Vögel von Nordosten Richtung Südwesten über die «Ulmethöchi» fliegen. Nicolas Strebel und Viktor Roth sind mit weiteren Helfern dabei, feine Netze aufzuspannen, ohne diese eine Beringung der Vögel, die jeden Herbst zwischen Mitte September und Anfang November westlich von Lauwil über den Geländesattel ziehen, nicht möglich wäre. «Wir achten darauf, dass die Vögel dabei so wenig Stress wie möglich erleiden. Daher kommen sie in weiche Baumwollsäckchen und werden so rasch wie möglich beringt.»
Der Ring ist aus Aluminium, versehen mit individuell gekennzeichneter, fortlaufender Nummer und Buchstaben. In der Schweiz werden dazu nur Ringe der Vogelwarte Sempach verwendet. Als Herkunftsbezeichnung dient die Inschrift «Sempach Helvetia», und ist noch Platz vorhanden, ist der Hinweis «retour» eingestanzt. Dies bedeutet, dass, falls der Ring gefunden wird, er oder wenigstens seine Daten an die Vogelwarte Sempach übermittelt werden sollen. Die mit jedem Fund gesammelten Daten geben Aufschluss über den Reiseweg der beringten Vögel und es können zudem Rückschlüsse auf Zugrouten und Rastgebiete gezogen werden.
Richtung Süden?
Die meisten Vogelarten verschieben sich im Herbst Richtung Süden. Grund dafür ist das abnehmende Nahrungsangebot und das deutlich kältere Wetter in Nord- und Mitteleuropa. «Die Rotkehlchen, ein typischer Nachtzieher, die wir im Winter in Bodennähe von Ast zu Ast durch den Garten hüpfen sehen, kommen aus nördlichen Gefilden. Ihre Artgenossen, die den Sommer bei uns verbringen, machen sich zwischen Ende September und Anfang November Richtung westlicher Mittelmeerraum auf», berichtet Nicolas Strebel und beringt ein Rotkehlchen.
Während mit der aufgehenden Sonne im Osten ein neuer Zugtag auf der «Ulmethöchi» beginnt, fliegt ein Erlenzeisig ins Netz. Die zu den Finken gehörende Art ist von Tagesanbruch bis zum Eindunkeln unterwegs und fliegt relativ tief über die «Ulmethöchi». Erlenzeisige zeigen ein nomadisches Zugverhalten, denn Ringfunde aus Nordost- und Süd- bis Südwesteuropa weisen darauf hin, dass die Durchzügler aus unterschiedlichen Brutgebieten stammen. Zudem ist er ein Wintergast in der Region, das heisst, die Erlenzeisige, die hier überwintern, stammen aus dem Norden.
Den beringten Erlenzeisig durch ein Katzentürchen an der Ostseite der Beringungsstation entlassen, warten eine Blau- und eine Kohlmeise auf das glänzende Metall. Diese Arten sind Kurzstreckenzieher. Es gibt Jahre, in denen sie ihr Populationsgebiet weiträumig aufgeben und sich also in Invasionen verschieben. Interessant dabei ist, dass bei Meisenarten die Invasionen oft gleichzeitig auftreten, was Hochbetrieb für die Beringer bedeutet. Bruten mit 8 bis 10 Eiern pro Nest sind bei Meisen normal. Kommen eine gute Witterung und ein reiches Nahrungsangebot während der Brutmonate hinzu, kann dies zu einer Massenpopulation führen, die vermutlich auch zu einem Massenzug führt.
Eichelhäherjahr
Die Meisen ebenfalls entlassen, befreit Nicolas Strebel ein Sommergoldhähnchen aus dem Baumwollsäckchen. Ein kleines putziges Kerlchen, das nur 5,8 Gramm wiegt und im Gegensatz zu Meisen, die sich mit Schnabelhieben zu befreien versuchten, munter die Umgebung begutachtet. Das Sommergoldhähnchen ist ein Kurzstreckenzieher und verschiebt sich daher im Herbst in den Mittelmeerraum. Dazu ist es entweder nachts oder frühmorgens unterwegs.Auch Buchfinken werden an diesem Morgen beringt. Sie sind ausser in Trupps auch in Schwärmen unterwegs, und dies hauptsächlich in den Morgenstunden. Und dann wird Strebel auch noch eine Sumpfmeise, ein ausgesprochener Standvogel, zur Beringung gebracht. Auch wenn er im Herbst kaum sein Revier verlässt, wird er mit einem silberfarbenen Ring entlassen.
Kurz darauf kommen in kleinen Trupps à etwa 15 Individuen die ersten Eichelhäher an diesem Tag angeflogen. Einen Moment später haben sich auch schon fünf dieser Rabenvögel in den aufgespannten Netzen verfangen. «Dieses Jahr ist ein typisches Eichelhäherjahr. Viele, die über die ‹Ulmethöchi› fliegen, stammen aus dem Norden und sind auf dem Weg nach Südostfrankreich, was Ringfunde in dieser Region beweisen», erzählt Viktor Roth. Grund dafür ist ein Unterangebot an Baumsamen und -früchten. Ist dieses ausgeprägt, so kann das wahre Fluginvasionen auslösen.
Eichelhäher lassen sich aber nicht ganz so einfach beringen, ausmessen und wiegen. Spürbar wird dies auch für Nicolas Strebel, da die Fänglinge sich mit ihren hakenförmigen Schnäbeln gut zu wehren wissen. Und so ist man froh, wenn weitere Vogel-Trupps aufgrund der Besucher, die an sonnigen Tagen vermehrt die Vogelberingungsstation besuchen, höher fliegen und daher nicht in die Netze geraten, jedoch vom Beobachtungsposten gegenüber des Stationshäuschens für Zugstatistiken gezählt werden können.
Buchtipp «Vogelzug hautnah – 50 Jahre Zugvogelbeobachtungen auf der Ulmethöchi im Baselbieter Jura», erhältlich unter bnv.ch.