Ein Kirchtum, ein Seilzug und eine Schulklasse
08.10.2019 Baselbiet, DiegtenAm 3. Oktober 1959 hat die Diegter Bevölkerung vier neue Kirchenglocken erhalten. Begleitet von viel Musik, verschiedenen Reden und beinahe der gesamten Einwohnerschaft wurden sie in den Kirchturm aufgezogen.
Michèle Degen
Unzählige Schaulustige haben sich im ...
Am 3. Oktober 1959 hat die Diegter Bevölkerung vier neue Kirchenglocken erhalten. Begleitet von viel Musik, verschiedenen Reden und beinahe der gesamten Einwohnerschaft wurden sie in den Kirchturm aufgezogen.
Michèle Degen
Unzählige Schaulustige haben sich im Zentrum von Sissach versammelt, vier üppig mit Blumen geschmückte Brückenwagen stehen bereit und in zwei Kutschen haben sich bereits der Diegter Gemeinderat, der Pfarrer, der Landschreiber und ein Landrat niedergelassen. Es ist Samstag, der 3. Oktober 1959, und soeben setzen sich die acht vor die Wagen gespannten Pferde in Bewegung in Richtung Diegtertal. Im Schlepptau haben sie die vier neuen Glocken der Diegter Kirche. An diesem Samstag werden sie in den Kirchturm hinaufgezogen, begleitet von einer festlichen Zeremonie mit mehreren Ansprachen, vielen musikalischen Einlagen und einem Kameramann, der das aussergewöhnliche Ereignis für die Nachwelt aufzeichnet.
Genau 60 Jahre danach, am vergangenen Donnerstag, spielte der Diegter Gemeinderat zum Jubiläum diesen Film im Kulturraum. Unter den Zuschauern fanden gleich einige sich selbst im Film wieder oder sie sahen Verwandte oder Bekannte in Schwarz-Weiss über die Leinwand flimmern.
Modernisierung in der Kirche
Der pompöse Zug machte sich auf den Weg in Richtung Diegten. «Nachdem der schmucke Zug schon in Sissach von vielen Schaulustigen herzlich begrüsst worden war, eskortierte in den beiden Dörfern Zunzgen und Tenniken ein Grossteil der Bevölkerung die Strasse, um Diegtens neue Glocken in zustimmenden Augenschein zu nehmen. Gleich wie in Sissach läuteten auch in Zunzgen und Tenniken die Glocken zur Begrüssung», heisst es im damaligen Bericht der «Volksstimme».
Die vier Glocken waren in der Glockengiesserei Rüetschi in Aarau hergestellt worden. Sie sollten ihre teilweise über 600 Jahre alten Vorgänger ablösen, die «nicht eben rein klangen», wie Gemeinderätin Jacqueline Schnidrig-Marti vor Filmbeginn aus dem Buch über die Diegter Kirche vorlas. Obwohl die Gemeindeversammlung bereits einen Kredit gesprochen hatte, übernahm am Schluss ein Spender die Kosten. Geschäftsmann Louis Glatt stiftete der Gemeinde die vier Glocken zu Ehren seiner Mutter, die ursprünglich aus Diegten stammte.
Das Geläut wog gemäss dem damals erschienenen Bericht 2320 Kilogramm und war damit rund viermal schwerer als das alte. Die Glocken tragen die Namen Liebe, Hoffnung, Glaube und Friede.
Da mit den neuen Glocken auch gleich ein moderner elektrischer Läutmechanismus eingebaut wurde, sei eine Aufgabe obsolet geworden, erzählt Schnidrig: Denn bis anhin hatten jeweils die Jungen, die im folgenden Jahr konfirmiert wurden, am Sonntagvormittag die Glocke geläutet. Die übrigen Dienste als Glöckner hatte der Sigrist ausgeführt. Einen letzten Einsatz hatten die Schulkinder an diesem 3. Oktober: Bei der Diegter Kirche angekommen, zogen sie die Glocken hoch in den Kirchturm.
Anwesend war scheinbar die gesamte Diegter Bevölkerung, die damals 680 Personen zählte, und weitere Zuschauer aus den Talgemeinden. Und so hoben sich die vier Glocken empor in den Kirchturm, von wo sie noch heute hell und klar läuten.