«Darf Wirkung nicht überschätzen»
03.10.2019 BaselbietEin neues Entsorgungsangebot für Kunststoffe soll die Nordwestschweizer zum Sammeln von Plastikverpackungen animieren und CO2 einsparen. Eine gute Intention, findet Fredy Dinkel von der Carbotech AG. Doch darf man damit nicht den jährlichen Flug in die Ferien ...
Ein neues Entsorgungsangebot für Kunststoffe soll die Nordwestschweizer zum Sammeln von Plastikverpackungen animieren und CO2 einsparen. Eine gute Intention, findet Fredy Dinkel von der Carbotech AG. Doch darf man damit nicht den jährlichen Flug in die Ferien rechtfertigen.
Michèle Degen
Mit einem flächendeckenden Entsorgungsangebot für Haushaltskunststoffe in der Region Nordwestschweiz sollen mehr Kunststoffe dem Recycling-Zyklus zugeführt werden. Zwölf Entsorgungsunternehmen haben für das Projekt, das seit September läuft, zusammengespannt (die «Volksstimme» berichtete). Bis zu 9 Millionen Kilogramm Kohlenstoffdioxid (CO2) sollen dadurch in drei Jahren eingespart werden. Doch ist das viel? Und wie relevant ist das Rezyklieren von Kunststoff beim Einsparen von CO2 generell?
«Nicht sehr, verglichen mit anderen Möglichkeiten», ist Fredy Dinkels Antwort auf diese Frage. Der Ziefner arbeitet für die Carbotech AG in Binningen und war Projektleiter einer Studie zum Thema Ökobilanz von Kunststoffrecycling und Verwertung, die 2017 veröffentlicht wurde. «Wer knapp 100 Kilometer weniger Auto fährt oder einmal pro Woche auf ein Stück Fleisch verzichtet, spart genauso viel CO2 ein, wie wenn er ein Jahr lang zusätzlich zu Getränkeflaschen Kunststoffverpackungen sammelt», so Dinkel.
Obwohl sich das erst einmal nach einem deutlichen Dämpfer anhört, findet Dinkel es trotzdem eine gute Sache, Kunststoffe zu sammeln. «Es ist sicher ökologisch sinnvoll, aber man darf die Wirkung nicht überschätzen und sich sagen: ‹Ich recycle ja Kunststoff, also kann ich mir einen Flug erlauben.›»
Die angestrebten 9 Millionen Kilogramm Einsparungen seien nicht zu vernachlässigen. Dinkel überschlägt es kurz und kommt zum Schluss, dass dies dem jährlichen CO2-Ausstoss von etwa 600 bis 700 Schweizern entspricht, da eine Person in der Schweiz im Durchschnitt für 12 bis 14 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr verantwortlich ist.
Gutes Entsorgungssystem
Plastik so weit wie möglich zu vermeiden sei zwar eine gute Strategie, doch sei Plastik aus Umweltsicht häufig trotzdem das sinnvollste Material für eine Verpackung. Es biete bei geringem Gewicht einen guten Schutz. Den Inhalt vor Verderben oder anderen Schäden zu schützen, sei fast immer ökologisch relevanter als die Herstellung und Entsorgung der Verpackung, falls diese korrekt verwertet beziehungsweise entsorgt wird und nicht in die Umwelt gelangt. Auch andere Materialien wie Glas tragen zu den CO2-Emissionen bei, die zur Erfüllung derselben Funktion oft höher sind als diejenigen von Kunststoffen.
Andererseits gebe es auch verzichtbaren Plastik. Aus dieser Warte kann er Massnahmen wie dem Trinkhalm-Verbot oder der Gebühr auf Plastiksäcke durchaus etwas abgewinnen. Jedoch solle man konsequent weiterdenken: Mit dem Verzicht auf ein Plastiksäckli spare man ungefähr so viel CO2 wie mit 15 bis 20 Millilitern Benzin. «5 Rappen für ein Plastiksäckli» wurde akzeptiert und habe viel zur Reduktion beigetragen, hochgerechnet ergebe dies einen Betrag von 2 bis 3 Franken pro Liter Benzin oder Heizöl. «Welcher Politiker hat den Mut zu dieser Konsequenz?», fragt sich Dinkel. «Das würde wesentlich mehr bringen und wäre ein relevanter Beitrag zum Klimaschutz.»
Die Schweiz habe insgesamt ein sehr gutes Entsorgungssystem. Brennbare Materialien, die nicht verwertet werden können, müssen in einer Kehrichtverbrennungsanlage entsorgt werden und die Energie, die dabei entsteht, wird zu einem grossen Teil genutzt. «Auf Deponien landet also nicht einfach alles Mögliche an Material, wie es in anderen Ländern teilweise immer noch der Fall ist», so Dinkel. Ebenso werden Abfälle nur in Ausnahmefällen exportiert. Die Schweiz mache es also insofern besser als andere Staaten. Im Zusammenhang mit der Verwertung von Kunststoffen erwähnt er den Verein PET-Recycling Schweiz (PRS), der ein nationales Entsorgungsnetz für PET-Getränkeflaschen zur Verfügung stellt. «Als China den Import von Plastikabfällen gestoppt hat, war das im Gegensatz zu unseren Nachbarländern für die PRS überhaupt kein Problem, da sie die gesammelten Flaschen in der Schweiz recycelt und nicht exportiert», so Dinkel.
Dinkel selber gibt sich Mühe, nicht zu viel Kunststoffabfall zu produzieren. «Ich kaufe möglichst frisch ein und die Milch erhalte ich direkt beim Bauern», sagt er. Zudem halte er seinen Konsum von tierischen Produkten in Massen.